
Foto: Aktion Mensch
Bonn (kobinet) Die am 29. und 30. August in Genf stattfindende Staatenprüfung Deutschlands macht nach Ansicht der Sprecherin der Aktion Mensch, Christina Marx, Defizite deutlich – auch knapp 15 Jahre nach Inkrafttreten hinke Deutschland bei der Inklusion hinterher. "Es gibt weiterhin zahlreiche Sondersysteme wie Förderschulen, Wohnheime und Werkstätten für Menschen, die nicht inklusiv sind. Außerdem ist Bildung Ländersache, was einen flächendeckenden Fortschritt erschwert. Es fehlen bundesweite schlüssige Konzepte und Strategien wie Inklusion umgesetzt werden kann", betonte Christina Marx in ihrem Statement für die kobinet-nachrichten im Vorfeld der Staatenprüfung durch den Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen.
Statement von Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch, im Vorfeld der Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention am 29. und 30. August in Genf
Fast 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN Behindertenrechtskonvention bleibt beim Thema Inklusion in Deutschland noch viel zu tun. Ich habe manchmal den Eindruck, dass gerade Barrierefreiheit für viele ein „Nice-to-have“ ist. Dass Deutschland eine Konvention unterzeichnet hat, in der Inklusion als Menschenrecht festgeschrieben ist, scheint noch lange nicht angekommen zu sein. Das hat vielfach strukturelle Ursachen. Es gibt weiterhin zahlreiche Sondersysteme wie Förderschulen, Wohnheime und Werkstätten für Menschen, die nicht inklusiv sind. Außerdem ist Bildung Ländersache, was einen flächendeckenden Fortschritt erschwert. Es fehlen bundesweite schlüssige Konzepte und Strategien wie Inklusion umgesetzt werden kann.
Nach wie vor sind 310.000 Menschen in Werkstätten beschäftigt. Und von den Abgänger*innen der Förderschulen verlassen über 70 Prozent die Schule ohne anerkannten Abschluss. Die Folgen sind deutlich. Die selbstbestimmte Lebensgestaltung und gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung ist stark beeinträchtigt. Eine Voraussetzung für die Teilhabe aller Menschen ist Barrierefreiheit. Diese ist in Deutschland immer noch nicht Standard – trotz entsprechender Gesetze. Und es sind bei Ausgrenzung durch Barrieren auch weiterhin keine Bußgelder oder Klagemöglichkeiten vorgesehen. Recht haben heißt eben lange noch nicht auch Recht zu bekommen.
Was mich persönlich besonders betroffen macht, ist das Ergebnis der Berichte der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Es zeigt, dass Behinderung als eine der Hauptursachen für Diskriminierung gilt. Inklusion ist also noch immer nicht in den Köpfen angekommen.
Bei all diesen Herausforderungen und Problemen konnten aber auch schon wichtige Schritte zu mehr Teilhabe gemacht werden. Durch die Überarbeitung von Gesetzen und Richtlinien, durch die Einführung von qualifizierten Beratungs- und Unterstützungssystemen wie z. B. EUTBs und durch bessere Möglichkeiten zur selbstbestimmten Lebensführung mit dem sogenannten Persönlichen Budget, kommt Inklusion voran. Die Aktion Mensch unterstützt diese gesellschaftliche Transformation durch ihre Förderung und Aufklärung. So fördern wir beispielsweise inklusive Projekte in Kommunen, berufliche Inklusion in Betrieben oder Barrierefreiheit bei Sport- und Großveranstaltungen. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der Inklusion selbstverständlich ist.
Links zu kobinet-Berichten über weitere Statements und Berichte vor der Staatenprüfung in Genf
Martina Puschke zur Staatenprüfung: Menschenrechte Jetzt! – kobinet-Bericht vom 15. August 2023
Breite Kritik vor der Staatenprüfung Österreichs – kobinet-Bericht vom 3. August 2023