
Foto: Weibernetz
Kassel (kobinet) "Das Bündnis deutscher Nichtregierungsorganisationen zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) hat einen umfassenden Parallelbericht für die diesjährige Staatenprüfung erstellt. Er ist das Herzstück für die Staatenprüfung aus Sicht der Zivilgesellschaft und trägt den Titel 'Menschenrechte Jetzt!'. Nicht mehr, aber auch nicht weniger erwartet das Bündnis bei der Umsetzung der UN-BRK von Deutschland." Dies erklärte die Koordinatorin des Arbeitsausschusses des Deutschen Behindertenrats (DBR), Martina Puschke, in ihrem Statement für die kobinet-nachrichten im Vorfeld der Staatenprüfung. Heute, am 15. August 2023, stellen sowohl die Monitoringstelle zur UN-Behindertenrechtskonvention als auch der Deutsche Behindertenrat ihre Berichte zur Staatenprüfung Deutschlands am 29./30. August in Sachen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vor.
Statement von Martina Puschke vom Weibernetz, der diesjährigen Koordinatorin des Arbeitsausschusses des Deutschen Behindertenrates zur Staatenprüfung Deutschlands
Das Bündnis deutscher Nichtregierungsorganisationen zur UN-BRK hat einen umfassenden Parallelbericht für die diesjährige Staatenprüfung erstellt. Er ist das Herzstück für die Staatenprüfung aus Sicht der Zivilgesellschaft und trägt den Titel „Menschenrechte Jetzt!“. Nicht mehr, aber auch nicht weniger erwartet das Bündnis bei der Umsetzung der UN-BRK von Deutschland.
37 Organisationen unterstützen den Parallelbericht, dessen Erstellung vom diesjährigen DBR-Sekretariat beim Weibernetz koordiniert wurde. Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, die vielfältigen Koordinierungsarbeiten zu übernehmen. Meine Kollegin Brigitte Faber hat nach der Fertigstellung die Arbeiten rund ums Layout und der barrierefreien Fassungen übernommen.
Unsere größte Herausforderung bei der Fertigstellung war die Zeichenbegrenzung, die von den Vereinten Nationen vorgegeben war. Wir durften insgesamt nur etwa 7.000 Wörter schreiben. Zum Vergleich: Der erste Parallelbericht, der vor 10 Jahren veröffentlicht wurde, umfasste etwa 30.000 Wörter! Entsprechend wurde bei vielen Artikeln um jeden Satz gerungen. Alle 10 Themengruppen, die Texte für den Bericht erstellt haben, hätten noch viel mehr zu sagen gehabt.
Der inhaltliche Fokus des Berichts liegt auf den Fragen („list of issues prior to report“), die der Ausschuss der Vereinten Nationen an Deutschland gerichtet hatte und die im Staatenbericht beantwortet wurden. Die Zivilgesellschaft beantwortet die Fragen in ihrem Parallelbericht nun aus ihrer Sicht und geht auf den Staatenbericht ein.
Die meisten Kritikpunkte, die im Parallelbericht angesprochen werden, sind nicht neu. Das Bündnis kritisiert, dass die maßgeblichen Rechte der UN-BRK bei weitem noch nicht umgesetzt sind. Sei es bei der Schaffung neuer Gesetze, der fehlenden Barrierefreiheit bei privaten Anbietern, im Gesundheitswesen, der Rehabilitation, im Gewaltschutz etc. Viele Kritikpunkte der Vereinten Nationen, die im Rahmen der 1. Staatenprüfung im Jahr 2015 genannt wurden, sind nach wie vor aktuell. Da hat Deutschland seine Hausaufgaben nur unzureichend erledigt.
Ich werde Ende August nicht mit nach Genf fahren. Das Weibernetz wird erstklassig vertreten durch Prof. Dr. Sigrid Arnade, die die Delegation leiten wird. Meine persönlichen Erwartungen sind hoch. Ich erhoffe mir, dass nach der Staatenprüfung neuer Schwung in die Umsetzung der UN-BRK kommt, indem der Ausschuss der Vereinten Nationen klare Handlungsaufträge formuliert (auch wenn er sie höflich „Empfehlungen“ nennt). Aus Frauensicht sind mir natürlich neue Forderungen rund um den Gewaltschutz, reproduktive Rechte, gynäkologische Versorgung, (Zwangs-)Sterilisation etc. wichtig. Es ist immer gut, wenn von außen auf die Menschenrechtssituation in Deutschland geblickt wird. Diese Kritik zählt bekanntlich mehr, als die von innen.
Der Genf-Delegation danke ich für Ihren Einsatz und wünsche einen guten kritischen Dialog mit den zuständigen Berichterstatter*innen der Vereinten Nationen!