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Berlin (kobinet) Anieke Fimmen, Referentin der Abteilung Sozialpolitik beim Sozialverband Deutschland (SoVD) freut sich, in der Delegation der Zivilgesellschaft bei der Staatenprüfung Deutschlands in Genf dabei sein zu dürfen, weil sie selbst mit einer Schwerbehinderung lebt und auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Sie kennt daher neben ihrem juristischen Blick die Herausforderungen um Bildung und Ausbildung an Regelschulen und Universitäten, um ständiges Rechtfertigen, Zurückstecken und das Finden kreativer Lösungen. Dies sei für Menschen mit Behinderungen an der Tagesordnung, schreibt sie in ihrem Statement für die kobinet-nachrichten im Vorfeld der Staatenprüfung Deutschlands am 29. und 30. August 2023 durch den Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen.
Statement von Anieke Fimmen, Referentin der Abteilung Sozialpolitik beim Sozialverband Deutschland im Vorfeld der Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
Am 29. und 30. August muss die Bundesregierung vor einem Ausschuss der Vereinten Nationen in Genf Rede und Antwort stehen zum Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. Auch die deutsche Zivilgesellschaft wird im Rahmen dieses Staatenprüfungsverfahrens angehört und kann ihre Sicht der Dinge vor dem Ausschuss darlegen. Ich werde in Genf sein und dort sprechen. Es ist eine Ehre für mich als Juristin an der Überprüfung eines völkerrechtlichen Vertrages beteiligt zu sein.
Aufgabe der Vereinten Nationen ist gemäß ihrer Charta nichts weniger als die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. 193 Staaten stehen unter dem Dach dieses zwischenstaatlichen Zusammenschlusses. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist 2008 in Kraft getreten, wurde von Deutschland 2009 ratifiziert und ist für Deutschland damit bindend.
Die Konvention stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderungen ungemein – sie legt fest: nicht mehr nur die Betroffenen müssen sich anpassen und integrieren, vielmehr muss die Gesellschaft insgesamt die Bedingungen dafür schaffen, dass auch Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gleichberechtigt teilhaben können.
Ich freue mich auch deshalb, in Genf dabei sein zu dürfen, weil ich selbst seit meiner Geburt mit einer Schwerbehinderung lebe und auf einen Rollstuhl angewiesen bin. Ich kenne daher die Herausforderungen um Bildung und Ausbildung an Regelschulen und Universitäten, um ständiges Rechtfertigen, Zurückstecken und das Finden kreativer Lösungen. Dies ist für Menschen mit Behinderungen an der Tagesordnung.
Zu meinem Glück bin ich immer wieder auf Menschen getroffen, die mich unterstützt, motiviert, gefordert und gefördert haben. Ihnen habe ich es auch zu verdanken, dass ich einen High-School-Abschluss in den USA ablegen, internationales Wirtschaftsrecht studieren und an einem Welthandelsgericht in New York arbeiten konnte. In Genf möchte ich dazu beitragen, dass mehr Menschen mit Behinderungen – auch jene mit hohem Unterstützungsbedarf – ein nicht fremdbestimmtes Leben führen können.
Gerade in den vergangenen Jahren gab es positive Entwicklungen in Deutschland, dies auch und vor allem wegen der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention. Aber nach wie vor haben Menschen mit Behinderungen nicht die gleichen Chancen und Möglichkeiten. Ich erhoffe mir von der Staatenprüfung in Genf eine ehrliche und aufrichtige Auseinandersetzung mit den nach wie vor großen Defiziten bei der Umsetzung der Konvention. Es braucht in Deutschland an vielen Stellen große strukturelle Veränderungen, wenn Deutschland es mit dem Ziel ernst meint, dass Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gleichberechtigt werden.
Links zu kobinet-Berichten über weitere Statements und Berichte zur Staatenprüfung in Genf
Martina Puschke zur Staatenprüfung: Menschenrechte Jetzt! – kobinet-Bericht vom 15. August 2023
Breite Kritik vor der Staatenprüfung Österreichs – kobinet-Bericht vom 3. August 2023