Fladungen (kobinet)
Es gibt eine neue Gruppe.
Die Gruppe heißt "Krüppel gegen Rechts".
Die Gruppe will gegen rechte Politik kämpfen.
Politik bedeutet: Menschen treffen Entscheidungen über Regeln für alle.
Sie bestimmen, wie wir zusammen leben.
Kobinet ist eine Internet-Seite mit Nachrichten für Menschen mit Behinderung.
Hier können alle wichtige Infos über Rechte und Hilfen finden.
Was ist das Problem?
Die Gruppe nennt sich selbst "Krüppel".
Das Wort "Krüppel" ist ein altes Wort für Menschen mit Behinderung.
Früher war das Wort sehr verletzend.
Aber warum brauchen Menschen mit Behinderung eine eigene Gruppe gegen rechte Politik?
Warum können sie nicht einfach als normale Bürger protestieren?
Das ist ein Widerspruch.
Widerspruch bedeutet: Wenn dir etwas nicht gefällt, kannst du Nein sagen.
Du hast das Recht, Dinge abzulehnen.
Menschen mit Behinderung wollen Inklusion.
Inklusion bedeutet: Jeder Mensch darf überall mitmachen.
Alle sollen gleich behandelt werden, egal ob mit oder ohne Behinderung.
Aber dann machen sie eine eigene Gruppe.
Das ist das Gegenteil von Inklusion.
Wenn Menschen mit Behinderung wirklich dazu gehören wollen:
Dann müssen sie auch bei allen wichtigen Themen mitmachen.
Zum Beispiel bei Umwelt-Schutz oder gegen Rassismus.
Und zwar nicht als "Menschen mit Behinderung".
Sondern einfach als Bürger.
Das Problem mit dem Namen "Krüppel"
Das Wort "Krüppel" soll provozieren.
Es soll Aufmerksamkeit bringen.
Aber es macht auch eine Trennung.
Es sagt: Wir sind anders als die anderen Menschen.
Bei der Gruppe "Omas gegen Rechts" ist das anders.
Omas sind ein normaler Teil der Gesellschaft.
Bei "Krüppel gegen Rechts" wird betont: Wir sind am Rand der Gesellschaft.
Was fehlt der Gruppe?
Die Gruppe redet nur über die AfD.
Die AfD ist eine rechte Partei.
Aber das Problem ist größer.
Auch andere Parteien haben schlechte Gesetze gemacht.
Zum Beispiel:
- Gesetze über die Pflege
- Gesetze über Schulen
- Gesetze über medizinische Behandlung
Diese Gesetze schränken Menschen mit Behinderung ein.
Darüber redet die Gruppe nicht.
Die AfD ist nicht der einzige Grund für Probleme
Die AfD sagt offen schlechte Sachen über Menschen mit Behinderung.
Aber die Probleme gab es schon vorher.
Viele Menschen denken:
Menschen mit Behinderung sind weniger wert.
Menschen mit Behinderung sollen unsichtbar bleiben.
Menschen mit Behinderung brauchen vor allem Hilfe.
Das denken nicht nur AfD-Wähler.
Das denken auch viele andere Menschen.
Was ist das echte Problem?
Das echte Problem ist:
Die Gesellschaft behandelt Menschen mit Behinderung schlecht.
Das passiert jeden Tag.
Zum Beispiel:
- In Ämtern
- In Krankenhäusern
- In Schulen
Die AfD macht das nur noch schlimmer.
Aber sie hat das Problem nicht erfunden.
Fazit
Die Gruppe "Krüppel gegen Rechts" will etwas Gutes.
Aber sie macht es auf die falsche Art.
Echte Inklusion bedeutet:
Menschen mit Behinderung kämpfen als normale Bürger gegen rechte Politik.
Sie brauchen keine eigene Gruppe.
Sie brauchen keine besondere Bezeichnung.
Der Autor sagt:
Ich bin gegen rechts.
Einfach als Mensch.
Nicht als "Krüppel" oder "Mensch mit Behinderung".
Das reicht.

Foto: Ralph Milewski
Fladungen (kobinet) Die Gründung der Initiative "Krüppel gegen Rechts" mag auf den ersten Blick wie ein starkes zivilgesellschaftliches Zeichen erscheinen. Sie knüpft an historische Kontinuitäten der Krüppelbewegung der 1970er und 1980er Jahre an, bezieht sich auf Menschenrechte, Demokratie, Inklusion und positioniert sich gegen rechtspopulistische Ideologien. Doch bei näherer Betrachtung wirft sie mehr Fragen auf als sie beantwortet – insbesondere im Hinblick auf ihren gesellschaftspolitischen Ort und ihre strategische Wirksamkeit. Warum braucht es eine eigene Initiative, die sich selbst als "Krüppel" bezeichnet – und sich damit bewusst von der Gesellschaft abgrenzt –, um gegen Rechts zu protestieren? Warum genügen nicht Haltung, Widerspruch und Engagement als Teil dieser Gesellschaft, ohne Sonderbezeichnung, ohne symbolische Differenz?
Diese Frage trifft ins Zentrum eines Widerspruchs, den viele als blinden Fleck innerhalb der Behindertenbewegung empfinden: „Wir bestehen auf Inklusion – aber grenzen uns bei gesamtgesellschaftlichen Positionen und Forderungen bewusst ab?“ Genau an diesem Punkt wird es kritisch. Wer Inklusion ernsthaft einfordert, beansprucht einen Platz in der Gesellschaft – nicht daneben. Das heißt auch: politische Mitverantwortung übernehmen, gesamtgesellschaftliche Anliegen teilen und über die Grenzen spezifischer „Behinderungskontexte“ hinaus sichtbar und wirksam sein.
Eine Bewegung, die bei Themen wie Antifaschismus, Klimagerechtigkeit, Antirassismus oder sozialer Ungleichheit nicht als Bürger:innen unter Bürger:innen auftritt, sondern unter einer markierten Kategorie wie „Krüppel“ oder „Menschen mit Behinderung“, verliert diesen Anspruch – oder untergräbt ihn zumindest. Die Frage ist also berechtigt: Wie glaubwürdig ist ein Inklusionsanspruch, wenn er sich im selben Moment durch symbolische Selbstabgrenzung relativiert? Oder zugespitzt gefragt: Ist das noch Emanzipation – oder bereits kulturelle Selbst-Exklusion unter dem Deckmantel der Sichtbarkeit?
Dabei geht es keineswegs darum, das Engagement der Initiative pauschal infrage zu stellen. Vielmehr stellt sich die Frage, welchen Preis sie für Sichtbarkeit zahlt – und ob diese Sichtbarkeit tatsächlich dem Ziel dient, das sie vorgibt zu verfolgen: eine inklusive, demokratische Gesellschaft, in der niemand sich selbst ausgrenzen muss, um gehört zu werden.
1. Die Reproduktion der Segregation durch Selbstbezeichnung
Die Wahl des Begriffs „Krüppel“ ist provokant, historisch aufgeladen und bewusst konfrontativ. Doch Provokation allein ersetzt keine politische Analyse. Während der Begriff in den 70er Jahren zur Selbstermächtigung diente, droht er heute – in einem veränderten gesellschaftlichen Klima – zur rückwärtsgewandten Symbolgeste zu werden. Anders als bei „Omas gegen Rechts“, wo eine gesellschaftlich integrierte Gruppe Haltung zeigt, steht „Krüppel gegen Rechts“ für eine nach wie vor marginalisierte Gruppe. Durch die Selbstbezeichnung entsteht keine Nähe zur Gesellschaft, sondern es wird Distanz betont – mit dem Risiko, selbst die Trennung zu reproduzieren, gegen die man vorgibt zu kämpfen.
2. Vom Symbol zur Substanz? Fehlanzeige
Die bisherige Kommunikation der Initiative bleibt organisatorisch, nicht politisch. Eine tiefere Auseinandersetzung mit der systemischen Verantwortung etablierter Politik – etwa bei IPReG (RISG), dem BTHG oder der Triage- und Priorisierungspraxis während der Pandemie – fehlt. Auch eine kritische Reflexion der eigenen Bewegung bleibt aus. Der Eindruck entsteht, dass hier vor allem ein symbolischer Platzhalter besetzt wird, statt eine strategisch durchdachte Initiative zu entwickeln. Wer sich plakativ gegen die AfD stellt, aber über die Mitverantwortung anderer Akteure schweigt, bleibt analytisch unvollständig.
3. Feindbild statt Systemkritik
Die Formel „AfD = Gefahr“ ist richtig, aber verkürzt. Rechte Ideologien bedrohen behinderte Menschen offen – doch die strukturelle Missachtung ihrer Rechte ist älter und stammt aus der Mitte der Gesellschaft. Wenn ausgerechnet jene Parteien, die Gesetze zur Einschränkung von Selbstbestimmung beschlossen haben, nun als vermeintlicher Gegenpol zu Rechts erscheinen, bleibt das widersprüchlich. Eine ernstzunehmende Initiative müsste diese Widersprüche sichtbar machen, statt nur das nächstliegende Feindbild zu markieren.
4. Die AfD ist ein Symptom – nicht die Ursache
Die AfD ist nicht der Ursprung des Problems, sondern dessen radikalisierte Verlaufsform. Pflegegesetze, die zur Fremdbestimmung führen, Ausschlüsse im Bildungssystem, die Triage-Debatte – all das wurde lange vor dem Erstarken der AfD von demokratisch legitimierten Regierungen beschlossen. Wer glaubt, mit der Beseitigung der AfD sei das Problem gelöst, verkennt die Tiefe struktureller Barrieren.
Die AfD spricht oft nur in enthemmter Form aus, was in der gesellschaftlichen Mitte längst stillschweigend gilt: dass Lebenswertigkeit implizit gewogen wird, dass Teilhabe budgetabhängig bleibt, dass Fürsorge systematisch über Autonomie gestellt wird. Menschen mit Behinderung sollen – wenn überhaupt – möglichst außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung existieren: gut versorgt, aber unauffällig. Nicht als Teil der Gesellschaft, sondern als deren Rand.
Dass sich bislang keine der etablierten Parteien klar, sichtbar und proaktiv vor Menschen mit Behinderung gestellt hat, ist Ausdruck dieser strukturellen Gleichgültigkeit. Während in anderen Politikfeldern Distanzierungen von rechten Positionen öffentlich vollzogen werden, bleibt sie in der Behindertenpolitik aus. Warum also müssen Menschen mit Behinderung immer noch selbst laut werden, sich schützen, auf die Straße gehen? Weil sie es müssen. Weil die gesellschaftliche Mitte – trotz aller Beteuerungen – ein stiller Gehilfe bleibt: erleichtert, dass Behinderung möglichst unsichtbar bleibt.
5. Zwischen rechter Bedrohung und gesellschaftlicher Mitverantwortung
Zwei Forderungen der Initiative – der Einsatz für Demokratie und gegen rechtspopulistische Ideologien – richten sich eindeutig gegen die extreme Rechte. Doch der Großteil des Programms, etwa der Einsatz gegen Ableismus oder für die Gleichwertigkeit allen Lebens, betrifft Strukturen, die tief in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte verankert sind.
Die Herabwürdigung behinderter Menschen erfolgt nicht nur durch rechte Parolen, sondern durch staatliche Verwaltung, medizinische Richtlinien, gesetzliche Regelungen und finanzielle Steuerung. Sie wirken leise, aber wirksam: Autonomie wird eingeschränkt, Teilhabe an Bedingungen geknüpft, Selbstbestimmung durch Fürsorge ersetzt.
Was die AfD lautstark propagiert, praktiziert die gesellschaftliche Mitte oft stillschweigend. Wer diese Mitverantwortung ignoriert, reduziert das Problem auf ein bequemes Feindbild – und entlastet damit ein System, das seit Jahrzehnten Ausgrenzung mitorganisiert. Eine Initiative, die sich emanzipatorisch versteht, muss genau dort ansetzen.
Fazit
„Krüppel gegen Rechts“ muss sich die unbequeme Frage gefallen lassen, ob man sich mit einer selbstgewählten Abgrenzung und einem verkürzten Feindbild wirklich emanzipieren kann. Ohne klare Analyse, ohne Systemkritik und ohne selbstkritischen Blick auf die eigene Bewegung bleibt die Initiative symbolisch – aber strategisch schwach. Haltung entsteht nicht durch kalkulierte Provokation, sondern durch radikale Ehrlichkeit, politische Präzision und die Bereitschaft, auch unliebsame Bündnisse zu hinterfragen.
Echte Teilhabe braucht mehr als Haltung. Sie braucht Widerspruch – gegen Rechts, aber auch gegen die bequemen Narrative der eigenen Szene.
Ich bin gegen rechts – einfach als Mensch, nicht als „Krüppel“ oder „Mensch mit Behinderung“. Mehr braucht es nicht.

Foto: Ralph Milewski
Fladungen (kobinet) Die Gründung der Initiative "Krüppel gegen Rechts" mag auf den ersten Blick wie ein starkes zivilgesellschaftliches Zeichen erscheinen. Sie knüpft an historische Kontinuitäten der Krüppelbewegung der 1970er und 1980er Jahre an, bezieht sich auf Menschenrechte, Demokratie, Inklusion und positioniert sich gegen rechtspopulistische Ideologien. Doch bei näherer Betrachtung wirft sie mehr Fragen auf als sie beantwortet – insbesondere im Hinblick auf ihren gesellschaftspolitischen Ort und ihre strategische Wirksamkeit. Warum braucht es eine eigene Initiative, die sich selbst als "Krüppel" bezeichnet – und sich damit bewusst von der Gesellschaft abgrenzt –, um gegen Rechts zu protestieren? Warum genügen nicht Haltung, Widerspruch und Engagement als Teil dieser Gesellschaft, ohne Sonderbezeichnung, ohne symbolische Differenz?
Diese Frage trifft ins Zentrum eines Widerspruchs, den viele als blinden Fleck innerhalb der Behindertenbewegung empfinden: „Wir bestehen auf Inklusion – aber grenzen uns bei gesamtgesellschaftlichen Positionen und Forderungen bewusst ab?“ Genau an diesem Punkt wird es kritisch. Wer Inklusion ernsthaft einfordert, beansprucht einen Platz in der Gesellschaft – nicht daneben. Das heißt auch: politische Mitverantwortung übernehmen, gesamtgesellschaftliche Anliegen teilen und über die Grenzen spezifischer „Behinderungskontexte“ hinaus sichtbar und wirksam sein.
Eine Bewegung, die bei Themen wie Antifaschismus, Klimagerechtigkeit, Antirassismus oder sozialer Ungleichheit nicht als Bürger:innen unter Bürger:innen auftritt, sondern unter einer markierten Kategorie wie „Krüppel“ oder „Menschen mit Behinderung“, verliert diesen Anspruch – oder untergräbt ihn zumindest. Die Frage ist also berechtigt: Wie glaubwürdig ist ein Inklusionsanspruch, wenn er sich im selben Moment durch symbolische Selbstabgrenzung relativiert? Oder zugespitzt gefragt: Ist das noch Emanzipation – oder bereits kulturelle Selbst-Exklusion unter dem Deckmantel der Sichtbarkeit?
Dabei geht es keineswegs darum, das Engagement der Initiative pauschal infrage zu stellen. Vielmehr stellt sich die Frage, welchen Preis sie für Sichtbarkeit zahlt – und ob diese Sichtbarkeit tatsächlich dem Ziel dient, das sie vorgibt zu verfolgen: eine inklusive, demokratische Gesellschaft, in der niemand sich selbst ausgrenzen muss, um gehört zu werden.
1. Die Reproduktion der Segregation durch Selbstbezeichnung
Die Wahl des Begriffs „Krüppel“ ist provokant, historisch aufgeladen und bewusst konfrontativ. Doch Provokation allein ersetzt keine politische Analyse. Während der Begriff in den 70er Jahren zur Selbstermächtigung diente, droht er heute – in einem veränderten gesellschaftlichen Klima – zur rückwärtsgewandten Symbolgeste zu werden. Anders als bei „Omas gegen Rechts“, wo eine gesellschaftlich integrierte Gruppe Haltung zeigt, steht „Krüppel gegen Rechts“ für eine nach wie vor marginalisierte Gruppe. Durch die Selbstbezeichnung entsteht keine Nähe zur Gesellschaft, sondern es wird Distanz betont – mit dem Risiko, selbst die Trennung zu reproduzieren, gegen die man vorgibt zu kämpfen.
2. Vom Symbol zur Substanz? Fehlanzeige
Die bisherige Kommunikation der Initiative bleibt organisatorisch, nicht politisch. Eine tiefere Auseinandersetzung mit der systemischen Verantwortung etablierter Politik – etwa bei IPReG (RISG), dem BTHG oder der Triage- und Priorisierungspraxis während der Pandemie – fehlt. Auch eine kritische Reflexion der eigenen Bewegung bleibt aus. Der Eindruck entsteht, dass hier vor allem ein symbolischer Platzhalter besetzt wird, statt eine strategisch durchdachte Initiative zu entwickeln. Wer sich plakativ gegen die AfD stellt, aber über die Mitverantwortung anderer Akteure schweigt, bleibt analytisch unvollständig.
3. Feindbild statt Systemkritik
Die Formel „AfD = Gefahr“ ist richtig, aber verkürzt. Rechte Ideologien bedrohen behinderte Menschen offen – doch die strukturelle Missachtung ihrer Rechte ist älter und stammt aus der Mitte der Gesellschaft. Wenn ausgerechnet jene Parteien, die Gesetze zur Einschränkung von Selbstbestimmung beschlossen haben, nun als vermeintlicher Gegenpol zu Rechts erscheinen, bleibt das widersprüchlich. Eine ernstzunehmende Initiative müsste diese Widersprüche sichtbar machen, statt nur das nächstliegende Feindbild zu markieren.
4. Die AfD ist ein Symptom – nicht die Ursache
Die AfD ist nicht der Ursprung des Problems, sondern dessen radikalisierte Verlaufsform. Pflegegesetze, die zur Fremdbestimmung führen, Ausschlüsse im Bildungssystem, die Triage-Debatte – all das wurde lange vor dem Erstarken der AfD von demokratisch legitimierten Regierungen beschlossen. Wer glaubt, mit der Beseitigung der AfD sei das Problem gelöst, verkennt die Tiefe struktureller Barrieren.
Die AfD spricht oft nur in enthemmter Form aus, was in der gesellschaftlichen Mitte längst stillschweigend gilt: dass Lebenswertigkeit implizit gewogen wird, dass Teilhabe budgetabhängig bleibt, dass Fürsorge systematisch über Autonomie gestellt wird. Menschen mit Behinderung sollen – wenn überhaupt – möglichst außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung existieren: gut versorgt, aber unauffällig. Nicht als Teil der Gesellschaft, sondern als deren Rand.
Dass sich bislang keine der etablierten Parteien klar, sichtbar und proaktiv vor Menschen mit Behinderung gestellt hat, ist Ausdruck dieser strukturellen Gleichgültigkeit. Während in anderen Politikfeldern Distanzierungen von rechten Positionen öffentlich vollzogen werden, bleibt sie in der Behindertenpolitik aus. Warum also müssen Menschen mit Behinderung immer noch selbst laut werden, sich schützen, auf die Straße gehen? Weil sie es müssen. Weil die gesellschaftliche Mitte – trotz aller Beteuerungen – ein stiller Gehilfe bleibt: erleichtert, dass Behinderung möglichst unsichtbar bleibt.
5. Zwischen rechter Bedrohung und gesellschaftlicher Mitverantwortung
Zwei Forderungen der Initiative – der Einsatz für Demokratie und gegen rechtspopulistische Ideologien – richten sich eindeutig gegen die extreme Rechte. Doch der Großteil des Programms, etwa der Einsatz gegen Ableismus oder für die Gleichwertigkeit allen Lebens, betrifft Strukturen, die tief in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte verankert sind.
Die Herabwürdigung behinderter Menschen erfolgt nicht nur durch rechte Parolen, sondern durch staatliche Verwaltung, medizinische Richtlinien, gesetzliche Regelungen und finanzielle Steuerung. Sie wirken leise, aber wirksam: Autonomie wird eingeschränkt, Teilhabe an Bedingungen geknüpft, Selbstbestimmung durch Fürsorge ersetzt.
Was die AfD lautstark propagiert, praktiziert die gesellschaftliche Mitte oft stillschweigend. Wer diese Mitverantwortung ignoriert, reduziert das Problem auf ein bequemes Feindbild – und entlastet damit ein System, das seit Jahrzehnten Ausgrenzung mitorganisiert. Eine Initiative, die sich emanzipatorisch versteht, muss genau dort ansetzen.
Fazit
„Krüppel gegen Rechts“ muss sich die unbequeme Frage gefallen lassen, ob man sich mit einer selbstgewählten Abgrenzung und einem verkürzten Feindbild wirklich emanzipieren kann. Ohne klare Analyse, ohne Systemkritik und ohne selbstkritischen Blick auf die eigene Bewegung bleibt die Initiative symbolisch – aber strategisch schwach. Haltung entsteht nicht durch kalkulierte Provokation, sondern durch radikale Ehrlichkeit, politische Präzision und die Bereitschaft, auch unliebsame Bündnisse zu hinterfragen.
Echte Teilhabe braucht mehr als Haltung. Sie braucht Widerspruch – gegen Rechts, aber auch gegen die bequemen Narrative der eigenen Szene.
Ich bin gegen rechts – einfach als Mensch, nicht als „Krüppel“ oder „Mensch mit Behinderung“. Mehr braucht es nicht.
So kann es einem ergehen, schon breche ich mein behindertenpolitisches Schweigegelübde. Aus purem Mitgefühl, liebende Güte auf buddhistisch. Ich rate von dem „Krüppel“ in „Krüppel gegen Rechts ab“. Euer Bezug auf die Behindertenbewegung der 80-er Jahre erscheint mir unhistorisch. Damals war eine Aufschwungszeit bürgerrechtlicher und alternativ-progressiver Bewegungen. Heute befinden wir uns in einer Phase der Schwächung, gelinde gesagt. Rekodifizierung, die semantische Umdeutung von Negativstereotype funktioniert nicht länger. Die Positivierung z.B „Black ist beautiful“ funktionierte und beeindruckte in der Hochphase der Bürgerrechtsproteste. Die Defensivformel gegenwärtig lautet „Black lives Matter“. Also wenn schon, dann beim „Behinderte gegen Rechts“ bleiben. Die zu befürchtende offen faschistische Verhöhnung als „Krüppel“ sollten wir nicht auf der politischen Öffentlichkeitsbühne sprachlich, performativ sozusagen, vorwegnehmen. – Ansonsten, werte InitiativgründerInnen steht eure inhaltliche Auseinandersetzung mit Ralph Milewskis Einwänden wie auch mit meiner Argumentation bez. einer Differenzierung im Begriff „rechts“ noch aus.
Nun aber Ade und alles Gute
Euer Hans-Willi Weis
Ich kann die Betroffenheit von Markus Walloschek und Martin Theben gut nachvollziehen. Hinterfragt die Kritik doch eine Bewegung, die sich vor knapp einer Woche gegründet hat, schon bevor sie überhaupt aktiv geworden ist. Und das von gleich drei Aktivisten, die aus verschiedenen Gründen nicht bei der Gründungsveranstaltung dabei sein konnten.
Aber ist es nicht genau das, was es braucht, um eine Bewegung voranzubringen?
Ein Blick von außen. Der Blick, der die Perspektive des Unbeteiligten (und dennoch Betroffenen) von Beginn der Bewegung an einnimmt.
Wie liest sich eine Schlagzeile wie „Initiative Krüppel gegen Rechts auf Mitmach-Tagung in Kassel gegründet“ auf einem einschlägigen Internetportal?
Eine Frage der Perspektive!
Es lohnt sich, diese verschiedenen Perspektiven einzunehmen und die Arbeit der Bewegung einzubeziehen.
Auch die Perspektive des selbst in der eigenen Community, durch Ignoranz diskriminierten Aktivisten. Dazu zähle ich u.a. auch mich.
Ich habe das Gefühl, meine Beiträge werden immer zynischer und schärfer. Aus Verzweiflung darüber, dass sie einfach keine konstruktive, bereichernde, die Perspektive wechselnde, Diskussion in- und außerhalb der Szene hervorrufen.
Anscheinend hat der Beitrag Ralph Milewskis jetzt das zarte Pflänzchen einer Diskussion erblühen lassen.
Lasst sie uns weiterführen und in Verbindung bleiben!
Dann hat die Initiative „Krüppel gegen rechts“, schon knapp eine Woche nach Gründung etwas erreicht, was mir nach 40 Jahren Behindertenhilfe und Aktivismus versagt geblieben ist.
Zitat Johann König:
„Auf einer Skala 1 -10, wie gerne diskutieren Sie?“
„Geht auch 11?“
„Nein!“
„Wieso nicht?“
Herzliche Grüße, Stephan Laux
Sehr erhellend, dieser Beitrag. Aber müsste die gleiche Argumentation nicht auch bei allen anderen identitätspolitisch-motivierten Ansätzen verfangen?
Guten Abend, es ist schon erstaunlich und irgendwo auf typisch deutsch dass eine Initiative mit wie ich finde sehr richtigen und lauteren Absichten die gerade mal eine Woche alt ist sofort schon wieder in Frage gestellt wird. Was den Namen angeht haben wir die an dem ersten Treffen am vergangenen Freitag teilgenommen haben nach kurzer Diskussion doch wohl eher mehrheitlich bis einheitlich befunden dass der Name genauso richtig ist. Was die Bezeichnung Krüppel betrifft, sollte der Bezug eigentlich klar sein und wenn nicht möge man sich bitte noch einmal den theoretischen Diskurs aus den 80er Jahren zu Gemüte führen. Die Quellen dazu sind alle öffentlich zugänglich. Erst dann ist es vielleicht sinnvoller über den Namen kritisch zu reflektieren. So wichtig es ist diese Initiative sicher auch kritisch zu begleiten und dabei achtsam miteinander umzugehen, sonst würden wir den Sinn der Initiative ja selbst gleich wieder in Frage stellen, es wird diese Initiative geben. Sie richtet sich nicht explizit gegen die AFD wenngleich natürlich gerade diese Partei sehr viel zur Vergiftung des Klimas beiträgt. Im übrigen freuen wir uns über jeden der nicht nur Kolumnen schreibt und darauf verweist sondern aktiv mit tut ob innerhalb oder außerhalb der Initiative Krüppel gegen rechts, der ich mit Freunden und als voller Überzeugung angehören möchte! Allen kritischen Geistern einen schönen Sonntagabend
Martin Theben aus Berlin
Ich sehe keinen Widerspruch darin, als Gruppe „Krüppel gegen Rechts“ klare Positionen zu beziehen und für ein inklusiveres Deutschland einzutreten. Leider sind wir davon immer noch entfernt.
Das machen queere Menschen,
Gewerkschafter,
die Jugend mit FFF
und die „Omas“ auch so.
„Alle zusammen“ ist übrigens ein Ruf auf den Demos gegen Rechts.
Dort treten gesellschaftlich alle Gruppen auf, die es im Land gibt, und sind somit inklusiv und geeint sichtbar. Ich selbst nehme oft an solchen Demos in meiner Stadt teil und hätte mir eine solche Initiative schon viel eher gewünscht.
Leider gibt es auch Menschen mit Behinderung, die sich von rechter Politik leicht beeinflussen lassen. Deswegen das Wort „Krüppel“, um daran zu erinnern, wie wir genannt wurden und wie wir wohl bald wieder in verdeckten oder offenen Chats genannt werden.
Fazit:
Der Kritiker überzieht seine Kritik an manchen Stellen deutlich, indem er z. B. eine Partei sieben Mal benennt, obwohl sie in „Krüppel gegen Rechts“ kein einziges Mal explizit erwähnt wurde.
Er bezieht plötzlich andere Themen als gleichwertig ein, obwohl uns allen bewusst ist, dass keines der Themen mehr diskutiert werden würde, wenn der Faschismus gesiegt hätte. Ein aktuelles Beispiel hierfür sind die USA.
Gerade im Hinblick auf „gegen Rechts“ wird deutlich, dass alle noch so unterschiedlichen Menschen rechte Ideologien ablehnen, was nach außen deutlicher wirkt, als wenn man beispielsweise von 100 Demonstranten schreibt.
Gebt den Gründern bitte noch etwas Zeit, sich zu finden und zu organisieren. Dann darf man auch genauer kritisieren. Für ernst gemeinte Vorschläge sind, denke ich, alle empfänglich.
Lieber Markus Walloschek,
zunächst eine Anmerkung zum Ton: Wer sich mit Argumenten auseinandersetzt, sollte nicht von „dem Kritiker“ sprechen, sondern den Namen nennen. Es ist eine Frage des Respekts – gerade in einem Diskurs, der sich auf Inklusion beruft. Ich habe mit offenem Namen und nachvollziehbarer Argumentation Position bezogen. Wer auf Augenhöhe diskutieren will, sollte das anerkennen.
Es scheint, wir argumentieren auf sehr unterschiedlichen Ebenen:
Du siehst in meiner Kritik eine Überzeichnung, wo ich einen systemischen Befund formuliere.
Du siehst „andere Themen“, wo ich das Fundament rechter Wirkmächtigkeit beschreibe.
Du forderst mehr Zeit für Struktur – ich fordere Struktur vor der Zeit.
Ich habe keine Absicht, dir deine Perspektive streitig zu machen – aber ich erwarte, dass meine nicht auf semantische Nebenschauplätze reduziert wird. Wer meint, es sei überzogen, die AfD sieben Mal zu nennen, hat vielleicht nicht sieben Mal, sondern kein einziges Mal begriffen, wie tief ihr Erfolg auf gesellschaftlich akzeptierten Logiken aufbaut.
Übrigens: Der Einwand, ich hätte die AfD zu oft genannt, obwohl sie in der Initiative nicht erwähnt werde, ist faktisch falsch. Im offiziellen kobinet-Bericht zur Gründung heißt es wörtlich:
„Andererseits beherrschte die Diskussionen in Kassel von Anfang an die Bedrohungen der Selbstbestimmung, Inklusion und Vielfalt in unserem Land, gerade auch im Hinblick auf das massive Erstarken der AfD […].“
Das ist keine beiläufige Anspielung, sondern eine klare Setzung – und genau deshalb ist es legitim und notwendig, diesen Kontext auch in der Analyse deutlich zu benennen. Alles andere wäre politisches Ausweichen.
Ich stehe zu meinem Text.
Nicht als Provokation – sondern als Einladung zur Ernsthaftigkeit.
Um die drei üblichen Verdächtigen zu komplettieren:
Wer aus der antifaschistischen Krüppel Bewegung erklärt sich bereit, Alexander Gauland vom fahrenden Rollstuhl aus mit Zaubertinte zu bespritzen?
Der sitzt ziemlich weit vorne im Bundestag.
Julia Klöckner ist nicht barrierefrei zu erreichen. Die sitzt zu weit oben.
Das haben wir wahrscheinlich Wolfgang Schäuble zu verdanken, der auch nicht gerade für antifaschistischen Aktionismus bekannt war.
Das wäre doch mal eine konzertierte Aktion der neuen Bewegung.
Mit dem Verweis auf meine Kolumne zwischen den Jahren: https://kbnt.org/sdkprz1
Stephan Laux staatlich geprüfter Zimmermann
Anfang vorigen Jahres, 2024, sah Dr. Hans-Willi Weis ein Momentum für „Behinderte gegen Rechts“, das ihm nicht symbolisch separierend oder identitäspolitisch abgrenzend erschien, sondern im Blick auf die breitere gesellschafftliche Mobilisierung inklusiv, anschlussfähig. Raul Krauthausen brachte diese kobinet Kolumne damals als Aufmacher seines Newsletter. In einer Anschlusskolumne problematisierte Dr.Weis dann die Unterkomplexität der Formel „Gegen Rechts“ und machte genau die systemischen Zusammenhänge geltend, die Kollege Milewski nun dankenswerter Weise mit der nötigen Klarheit und dem erforderlichen Nachdruck darlegt. – Milewskis Kritik an der von Frau Prof. Dr. Arnade und anderen unzeitgemäß gestarteteten Initiative „Krüppel gegen Rechts“, eine „fehlkalkulierte Provokation“ im Urteil von Dr. Weis, möchte derselbe nichts weiter hinzufügen. Vom Link zu seiner damaligen Kolumne abgesehen:
https://kobinet-nachrichten.org/2024/02/01/noch-einmal-behinderte-gegen-rechts-ueber-die-parolen-hinaus-braucht-es-debatte-und-analyse/
im Auftrag von Dr.phil. Hans-Willi Weis