Staufen (kobinet)
Hans-Willi Weis schreibt über die Kasseler Konferenz.
Die Konferenz hatte das Motto: Inklusion im Dialog.
Hans-Willi Weis kritisiert die Veranstalter von der Konferenz.
Die Veranstalter haben Kritik ignoriert.
Sie haben kritische Beiträge nicht beachtet.
Das ist Diskriminierung.
Menschen werden manchmal schlecht behandelt, weil sie anders sind.
Das ist unfair und nicht richtig.
Das ist Ausschluss.
Das passiert sogar von Menschen aus dem Behinderten-Aktivismus.
Hans-Willi Weis beschreibt das so:
Die Menschen sind wie im Bauch von einem Elefanten.
Sie sind den Verdauungs-Säften ausgesetzt.
Das bedeutet: Sie leiden unter dem neoliberalen System.
Manchmal gibt es kleine Erfolge:
- Ein abgesenkter Bordstein
- Ein funktionierender Aufzug
- Die Blinden-App Be my eyes
Aber diese kleinen Erfolge täuschen über die Probleme hinweg.
Immer wieder entstehen neue Barrieren.
Die Menschen müssen sich durchsetzen.
Sie müssen ihre Ellbogen einsetzen.
Das führt zu Erschöpfung und Burnout.
Nach der Erholung geht das Rattenrennen weiter.
Die Menschen müssen noch cleverer werden.
Sie müssen noch raffinierter werden.
Sie müssen noch aggressiver werden.
Das System ist raffiniert:
Die Teilnehmer hören während des Wettrennens ein Wiegenlied.
Das Lied erzählt von Zugehörigkeit.
Das Lied erzählt von Diversität.
Das Lied erzählt von Empathie.
Aber das alles sind nur schöne Worte.
Die Kasseler Konferenz fand auch in diesem Bauch statt.
Die Konferenz hatte einen guten Ansatz.
Hans-Willi Weis nennt das den Graswurzel-Ansatz des Zusammenseins.
Zusammensein ist besser als Vereinzelung.
Zusammensein ist besser als Konkurrenz-Denken.
Aber: Die Konferenz hat die Herrschafts-Verhältnisse nicht betrachtet.
Deshalb verliert sie ihre politische Kraft.
Nach außen wirkt es wie: Weiter so.
Das System bleibt strukturell ausschließend.
Aber es werden Illusionen von Inklusion aufrechterhalten.
Das führt bei sensiblen Menschen zu Zynismus.
Am Ende führt es zu Lethargie.
Darauf hat Raul Krauthausen schon hingewiesen.
Hans-Willi Weis war nie ein behinderten-politischer Aktivist.
Er schreibt seit knapp 3 Jahren bei kobinet zu behinderten-politischen Fragen.
Das ist eine Internet-Seite mit Nachrichten für Menschen mit Behinderung.
Hier können alle wichtige Infos über Rechte und Hilfen finden.
Vor 3 Jahren kam er über Social Media mit der behinderten-politischen Szene in Kontakt.
Max Czollek und Jennifer Sonntag haben ihn darauf hingewiesen.
Hans-Willi Weis schrieb einen Text über ableistische Gewalt.
Die Gewalt passierte ihm und seiner Blindenbegleiterin in Staufen.
Die Gewalt dauerte jahrelang.
Sie zerstörte ihre Alltags-Normalität.
Sie zerstörte ihre beruflichen Existenzen.
Sie brachte sie in Lebens-Umstände von sozial Toten.
Derzeit muss Hans-Willi Weis um die Gesundheit seiner Begleiterin bangen.
Er muss um ihr Leben bangen.
Das liegt an den traumatischen Folgen.
Einen Link zu dem Text finden Sie hier: https://kobinet-nachrichten.org/2022/10/21/es-geschieht-am-helllichten-tag-psychoterror-gegen-einen-behinderten/
Hans-Willi Weis wurde durch seine Kolumnen zu einem Beobachter.
Er wurde zu einem Analytiker des Behinderten-Milieus.
Er analysiert den Behinderten-Aktivismus.
Er analysiert die Behinderten-Bewegung.
Hans-Willi Weis ist Kultur- und Sozial-Wissenschaftler.
Er betrachtet seine Beiträge als intellektuelle Expertise.
Diese Expertise war nicht nachgefragt.
Der Behinderten-Aktivismus hat kaum darauf reagiert.
Deshalb nennt er sie beratungsresistent.
Die Veranstalter der Kasseler Tagung haben seine 10 Thesen ignoriert.
Das hat das Ignoranz-Fass zum Überlaufen gebracht.
Hans-Willi Weis möchte nicht länger kostbaren Content in ein schwarzes Loch schaufeln.
Er hat so lange durchgehalten aus 2 Gründen:
- Die analytische Arbeit macht ihm Spaß
- Er schreibt gerne
Hans-Willi Weis möchte weiterhin schreiben.
Er möchte literarische Beiträge schreiben.
Das geht nur, wenn seine Helferin Silvia ihm erhalten bleibt.
Silvia ist seine PC-Schreiberin.
Sie ist von der Gewalt gebeutelt.
Silvia hat Frauen aus der Nachbarschaft von den Angriffen erzählt.
Die Frauen wollten oft nichts davon hören.
Stattdessen fragten sie: Warum machen Sie diese Arbeit denn?
Für Blinde wie den alten Herrn gibt es doch Pflegeheim-Plätze.
Hans-Willi Weis denkt an den Song So long, Marianne von Leonard Cohen.
Der Song fällt ihm ein, wenn er melancholisch gut gelaunt ist.
Seine behinderten-politischen Beiträge liegen im kobinet-Archiv.
Dort sind sie gut aufgehoben.
Er wird sie gelegentlich wieder hervorholen.
Das macht er in seiner Extra-Reihe Best of Hans-Willi Weis.
Das dient der Frischhaltung.

Foto: Hans-Willi Weis
Staufen (kobinet) "Die Münder stehen sprachlos und kalt, nur die Phrasen klirren im Wind." Sie hat es eigentlich nicht verdient, dass mir eines der berühmtesten Gedichte deutscher Sprache einfällt beim Gedanken an die Kasseler Konferenz mit dem Motto "Inklusion im Dialog". Deren maßgebliche Veranstalter*innen mit Kritikern und deren Beiträgen nach der Devise verfahren, sollen sie sich doch den Mund fusslig reden oder die Finger wund schreiben, wir ignorieren einfach ihre Argumente. So geht – ich möchte mal sehr deutliche Worte gebrauchen – Diskriminierung bzw. Exklusion, wenn sie aus Kreisen des Behindertenaktivismus erfolgt. Dazu die abschließende Einschätzung eines der exkludierten Kritiker.
Im Bauch des Elefanten, ortsunkundig
Fürwahr, ein trauriges Bild. Wie sie da im Bauch des Elefanten dessen Verdauungssäften ausgesetzt sind, den „elementaren Formen aggressiver neoliberaler Transformation“. Die kleinen Erfolgserlebnisse, die Freude über einen abgesenkten Bordstein hier, über einen endlich installierten und auch funktionierenden Aufzug dort, die Blinden-App „Be my eyes“ etc., täuschen über die rauen, rabiaten Seiten des auf Rivalität angelegten und permanente Selbstoptimierung erzwingenden Alltags hinweg. Wo sich ständig neue Barrieren auftürmen, die Durchsetzungsvermögen und Ellbogeneinsatz verlangen, was sich wiederum in Erschöpfungszuständen und Burnout niederschlägt. Nach der hoffentlich noch einmal gelingenden Erholungsphase geht es dann zügig ans Durchstarten für die nächste Runde im neoliberalen Rattenrennen, möglichst einen Tick cleverer, raffinierter, aggressiver diesmal. – Ein Aspekt der systemischen (nicht persönlichen) Raffinesse besteht darin, dass sich die Teilnehmenden (die Behinderten unter ihnen mit besonderem Nachdruck) während des Wettrennens sozusagen über Kopfhörer das Wiegenlied von der „ever closer“ Zugehörigkeit, der immer größeren Diversität und der stetig wachsenden Empathie ins Hirn pfeifen. Unterdessen sorgen die Verdauungssäfte desto unbehelligter und wirksamer für einen reibungslosen Metabolismus im Verdauungstrakt des Elefanten.
In dessen Bauchhöhle auch die Kasseler Konferenz tagte. Die an sich einen begrüßenswerten Ansatz verfolgt hat, nämlich den von mir (im Anschluss an die Aktivistin und Publizistin Hadjia Aruna- Oelker) sogenannten Graswurzelansatz des „Zusammenseins“ (näher charakterisiert in meinen zehn Thesen anlässlich der Konferenz). So sehr ein jegliches Zusammensein dieser Art der Vereinzelung und dem Konkurrenzdasein vorzuziehen ist und von den Beteiligten als eine Labsal empfunden werden mag, ohne gleichzeitige Reflexion der Herrschaftsverhältnisse, innerhalb derer die Zusammenkunft stattfindet, verliert sie ihre behindertenpolitische Potenz. Und läuft in ihrer Außenwirkung auf ein „weiter so“ hinaus, auf die Aufrechterhaltung von Inklusionsillusionen in einem strukturell exkludierenden System. Eine Wirklichkeitsverleugnung, die bei den Sensibleren Zynismus und am Ende Lethargie hervorruft, worauf Raul Krauthausen bereits hingewiesen hat.
„Beratungsresistent“, Fazit meiner behindertenpolitischen Bemühung
Ein behinderterpolitischer Aktivist war ich nie während der knapp drei Jahre, die ich auf kobinet zu behindertenpolitischen Fragen mich geäußert habe. Vor drei Jahren erst bin ich mit der behindertenpolitischen Szene nicht durch persönliche Begegnung, sondern über den „parasozialen Kontakt“ Social Media (den kobinet-Nachrichten also) in Berührung gekommen – durch einen Hinweis von Max Czollek und dann vor allem von Jennifer Sonntag. Und zwar durch einen kurzen von mir verfassten Text zu der mir und meiner Blindenbegleiterin an unserem Wohnort in Staufen zugestoßenen ableistischen Gewalt, die jahrelang andauerte, unsere Alltagsnormalität und unsere beruflichen Existenzen zerstörte. Und uns in Lebensumstände von „sozial Toten“ gebracht hat. Derzeit muss ich wegen der traumatischen Folgen des Geschehens um Gesundheit und Leben meiner Begleiterin bangen.
(https://kobinet-nachrichten.org/2022/10/21/es-geschieht-am-helllichten-tag-psychoterror-gegen-einen-behinderten/).
Wenn nicht Aktivist, so bin ich doch durch meine Kolumnen zu einem intellektuellen Beobachter und Analytiker des Behindertenmilieus, des Behindertenaktivismus und der Behindertenbewegung geworden. Aufgrund meines beruflich biographischen Hintergrunds als Kultur- und Sozialwissenschaftler betrachte ich meine Beiträge als so etwas wie eine intellektuelle Expertise. Eine nicht nachgefragte Expertise, auf die seitens des Behindertenaktivismus kaum eine Resonanz erfolgte. Weshalb mir dazu auch das Wort „beratungsresitent“ (in der Kapitelüberschrift) eingefallen ist. Die Ignoranz meiner speziell für die Kasseler Tagung geschrieben zehn Thesen von Seiten der Veranstalter*innen hat für mich das „Ignoranzfass“ schließlich zum Überlaufen gebracht. Ich möchte nicht länger Text – kostbaren Content (im digitalen Jetztzeitjargon gesagt) in ein schwarzes Loch schaufeln. Durchgehalten habe ich so lange, weil mir die analytische Arbeit Spaß macht (neugierig darauf, wie es sich wirklich verhält und nicht, wie es durch den ideologischen Beauty-Filter betrachtet aussieht) und weil ich gerne schreibe.
Was ich auch weiterhin tun möchte und mit literarischen Beiträgen tun werde. Wenn mir denn meine von der uns angetanen Gewalt gebeutelte Helferin und PC-Schreiberin Silvia erhalten bleibt. Als sie Frauen aus der Nachbarschaft von den Angriffen auf uns berichtet hat, mochten die oft nichts davon hören und fragten stattdessen, warum machen Sie diese Arbeit denn? Für Blinde wie den alten Herrn gibt es doch Pflegeheimplätze.
„So long, Marianne“, der uralte Song von Leonard Cohen fällt mir jedes Mal ein, wenn ich wie jetzt in melancholisch gutgelaunte Stimmung gelange.
P.S. Meine zahlreichen behindertenpolitischen Beiträge liegen weiterhin im kobinet-Archiv vor, wo sie gut aufgehoben sind. Zum Lüften, was der Frischhaltung dient, werde ich sie im Zuge meiner Extrareihe „Best of Hans-Willi Weis“ gelegentlich ans Tageslicht hervorholen – „so long, Marianne, it’s time to meet again“.

Foto: Hans-Willi Weis
Staufen (kobinet) "Die Münder stehen sprachlos und kalt, nur die Phrasen klirren im Wind." Sie hat es eigentlich nicht verdient, dass mir eines der berühmtesten Gedichte deutscher Sprache einfällt beim Gedanken an die Kasseler Konferenz mit dem Motto "Inklusion im Dialog". Deren maßgebliche Veranstalter*innen mit Kritikern und deren Beiträgen nach der Devise verfahren, sollen sie sich doch den Mund fusslig reden oder die Finger wund schreiben, wir ignorieren einfach ihre Argumente. So geht – ich möchte mal sehr deutliche Worte gebrauchen – Diskriminierung bzw. Exklusion, wenn sie aus Kreisen des Behindertenaktivismus erfolgt. Dazu die abschließende Einschätzung eines der exkludierten Kritiker.
Im Bauch des Elefanten, ortsunkundig
Fürwahr, ein trauriges Bild. Wie sie da im Bauch des Elefanten dessen Verdauungssäften ausgesetzt sind, den „elementaren Formen aggressiver neoliberaler Transformation“. Die kleinen Erfolgserlebnisse, die Freude über einen abgesenkten Bordstein hier, über einen endlich installierten und auch funktionierenden Aufzug dort, die Blinden-App „Be my eyes“ etc., täuschen über die rauen, rabiaten Seiten des auf Rivalität angelegten und permanente Selbstoptimierung erzwingenden Alltags hinweg. Wo sich ständig neue Barrieren auftürmen, die Durchsetzungsvermögen und Ellbogeneinsatz verlangen, was sich wiederum in Erschöpfungszuständen und Burnout niederschlägt. Nach der hoffentlich noch einmal gelingenden Erholungsphase geht es dann zügig ans Durchstarten für die nächste Runde im neoliberalen Rattenrennen, möglichst einen Tick cleverer, raffinierter, aggressiver diesmal. – Ein Aspekt der systemischen (nicht persönlichen) Raffinesse besteht darin, dass sich die Teilnehmenden (die Behinderten unter ihnen mit besonderem Nachdruck) während des Wettrennens sozusagen über Kopfhörer das Wiegenlied von der „ever closer“ Zugehörigkeit, der immer größeren Diversität und der stetig wachsenden Empathie ins Hirn pfeifen. Unterdessen sorgen die Verdauungssäfte desto unbehelligter und wirksamer für einen reibungslosen Metabolismus im Verdauungstrakt des Elefanten.
In dessen Bauchhöhle auch die Kasseler Konferenz tagte. Die an sich einen begrüßenswerten Ansatz verfolgt hat, nämlich den von mir (im Anschluss an die Aktivistin und Publizistin Hadjia Aruna- Oelker) sogenannten Graswurzelansatz des „Zusammenseins“ (näher charakterisiert in meinen zehn Thesen anlässlich der Konferenz). So sehr ein jegliches Zusammensein dieser Art der Vereinzelung und dem Konkurrenzdasein vorzuziehen ist und von den Beteiligten als eine Labsal empfunden werden mag, ohne gleichzeitige Reflexion der Herrschaftsverhältnisse, innerhalb derer die Zusammenkunft stattfindet, verliert sie ihre behindertenpolitische Potenz. Und läuft in ihrer Außenwirkung auf ein „weiter so“ hinaus, auf die Aufrechterhaltung von Inklusionsillusionen in einem strukturell exkludierenden System. Eine Wirklichkeitsverleugnung, die bei den Sensibleren Zynismus und am Ende Lethargie hervorruft, worauf Raul Krauthausen bereits hingewiesen hat.
„Beratungsresistent“, Fazit meiner behindertenpolitischen Bemühung
Ein behinderterpolitischer Aktivist war ich nie während der knapp drei Jahre, die ich auf kobinet zu behindertenpolitischen Fragen mich geäußert habe. Vor drei Jahren erst bin ich mit der behindertenpolitischen Szene nicht durch persönliche Begegnung, sondern über den „parasozialen Kontakt“ Social Media (den kobinet-Nachrichten also) in Berührung gekommen – durch einen Hinweis von Max Czollek und dann vor allem von Jennifer Sonntag. Und zwar durch einen kurzen von mir verfassten Text zu der mir und meiner Blindenbegleiterin an unserem Wohnort in Staufen zugestoßenen ableistischen Gewalt, die jahrelang andauerte, unsere Alltagsnormalität und unsere beruflichen Existenzen zerstörte. Und uns in Lebensumstände von „sozial Toten“ gebracht hat. Derzeit muss ich wegen der traumatischen Folgen des Geschehens um Gesundheit und Leben meiner Begleiterin bangen.
(https://kobinet-nachrichten.org/2022/10/21/es-geschieht-am-helllichten-tag-psychoterror-gegen-einen-behinderten/).
Wenn nicht Aktivist, so bin ich doch durch meine Kolumnen zu einem intellektuellen Beobachter und Analytiker des Behindertenmilieus, des Behindertenaktivismus und der Behindertenbewegung geworden. Aufgrund meines beruflich biographischen Hintergrunds als Kultur- und Sozialwissenschaftler betrachte ich meine Beiträge als so etwas wie eine intellektuelle Expertise. Eine nicht nachgefragte Expertise, auf die seitens des Behindertenaktivismus kaum eine Resonanz erfolgte. Weshalb mir dazu auch das Wort „beratungsresitent“ (in der Kapitelüberschrift) eingefallen ist. Die Ignoranz meiner speziell für die Kasseler Tagung geschrieben zehn Thesen von Seiten der Veranstalter*innen hat für mich das „Ignoranzfass“ schließlich zum Überlaufen gebracht. Ich möchte nicht länger Text – kostbaren Content (im digitalen Jetztzeitjargon gesagt) in ein schwarzes Loch schaufeln. Durchgehalten habe ich so lange, weil mir die analytische Arbeit Spaß macht (neugierig darauf, wie es sich wirklich verhält und nicht, wie es durch den ideologischen Beauty-Filter betrachtet aussieht) und weil ich gerne schreibe.
Was ich auch weiterhin tun möchte und mit literarischen Beiträgen tun werde. Wenn mir denn meine von der uns angetanen Gewalt gebeutelte Helferin und PC-Schreiberin Silvia erhalten bleibt. Als sie Frauen aus der Nachbarschaft von den Angriffen auf uns berichtet hat, mochten die oft nichts davon hören und fragten stattdessen, warum machen Sie diese Arbeit denn? Für Blinde wie den alten Herrn gibt es doch Pflegeheimplätze.
„So long, Marianne“, der uralte Song von Leonard Cohen fällt mir jedes Mal ein, wenn ich wie jetzt in melancholisch gutgelaunte Stimmung gelange.
P.S. Meine zahlreichen behindertenpolitischen Beiträge liegen weiterhin im kobinet-Archiv vor, wo sie gut aufgehoben sind. Zum Lüften, was der Frischhaltung dient, werde ich sie im Zuge meiner Extrareihe „Best of Hans-Willi Weis“ gelegentlich ans Tageslicht hervorholen – „so long, Marianne, it’s time to meet again“.
Ich fände es Schade wenn wir auf Hans-Willi Weiß Kolumne dauerhaft verzichten müssten. Vielleicht überlegt er es sich noch mal. Wir müssen ja nicht einer Meinung sein immer, aber eben diese Meinungen austauschen wäre doch schön schön.
In diesem Sinne grüßt herzlich Martin Theben aus Berlin
So kann es einem ergehen, schon breche ich mein behindertenpolitisches Schweigegelübde. Aus purem Mitgefühl, liebende Güte auf buddhistisch. Ich rate von dem „Krüppel“ in „Krüppel gegen Rechts ab“. Euer Bezug auf die Behindertenbewegung der 80-er Jahre erscheint mir unhistorisch. Damals war eine Aufschwungszeit bürgerrechtlicher und alternativ-progressiver Bewegungen. Heute befinden wir uns in einer Phase der Schwächung, gelinde gesagt. Rekodifizierung, die semantische Umdeutung von Negativstereotype funktioniert nicht länger. Die Positivierung z.B „Black ist beautiful“ funktionierte und beeindruckte in der Hochphase der Bürgerrechtsproteste. Die Defensivformel gegenwärtig lautet „Black lives Matter“. Also wenn schon, dann beim „Behinderte gegen Rechts“ bleiben. Die zu befürchtende offen faschistische Verhöhnung als „Krüppel“ sollten wir nicht auf der politischen Öffentlichkeitsbühne sprachlich, performativ sozusagen, vorwegnehmen. – Ansonsten, werte InitiativgründerInnen steht eure inhaltliche Auseinandersetzung mit Ralph Milewskis Einwänden wie auch mit meiner Argumentation bez. einer Differenzierung im Begriff „rechts“ noch aus.
Nun aber Ade und alles Gute
Euer Hans-Willi Weis
Woher das Missverständnis, Ralph, die Behindertenbewegung und ihre Akteure habe ich nie mit einem moralischen Kollektiv oder einer ethischen Avangarde verwechselt. Und von der Illusion, es gebe irgendwo einen idealen Ort für Kritik, muss ich mich nicht veraschieden, denn ich habe sie nicht gehegt. Wäre doch naiv. Der Behindertenaktivismus hat sich in einer Weise gegen Kritik immunisiert (indem er sie etwa ignoriert) wie in sonst keiner identitätspolitischen Community (nach meiner Beobachtung). Meine Frustrationstoleranz ist hoch, sonst hätte ich zweieinhalb Jahre die Ignoranz nicht so lange weggesteckt.
Im Auftrag von Hans-Willi Weis
Lieber Hans-Willi,
vielleicht war meine Antwort gar nicht in erster Linie an Dich gerichtet, sondern an mich selbst.
Vielleicht war es mein Versuch, mir einzureden, dass man Ignoranz aushalten kann – obwohl ich selbst oft genug daran scheitere. Vielleicht wollte ich glauben, dass der Widerstand dazugehört – obwohl ich weiß, wie zermürbend er ist, wenn einem selbst kaum mehr Energie bleibt. Vielleicht wollte ich Mut zusprechen, den ich mir selbst immer öfter absprechen muss.
Ich habe geschrieben, dass wir uns von der Illusion verabschieden müssen, es gäbe einen idealen Ort für Kritik. Vielleicht ist das wahr. Aber vielleicht ist es auch eine bittere Erkenntnis, die man nur deshalb ausspricht, weil man sie nicht länger ertragen will.
Dein Rückzug ist vielleicht auch ein Echo meiner eigenen Sehnsucht nach Rückzug – nicht aus Feigheit, sondern aus Erschöpfung. Vielleicht ist das, was ich als „stoischen Appell“ formuliert habe, längst ein Abwehrmechanismus. Und vielleicht spüre ich dabei: Ich schreibe gegen das Verstummen an, das ich fürchte – in mir selbst wie im Außen.
Was bleibt?
Ein leiser Dank für Deine Worte – weil sie mir zeigen, dass auch ein Abschied eine Form der Würde sein kann.
(9 x vielleicht)
Guten Morgen ehrlich gesagt ich verstehe den Rückzug nicht und bedauere ihn auch Punkt und auch ich halte ihn nicht für nötig denn man sollte Kritik aushalten können die aus meiner Sicht doch sachlich geäußert wurde. Man kann mit Argumenten darauf erwidern und muss sich nicht zurückziehen sonst wirkt die eigene Position auch ein wenig selbstgerecht. Letztere Eigenschaft aber unterstelle ich Hans-Willi nun wirklich nicht. Ich fande es halt nur schade dass man eine Initiative gleich so grundsätzlich kritisiert die ersten werden ist.
In der Hoffnung doch noch mehr zu lesen grüße ich herzlich aus Berlin
Martin Theben
Lieber Hans-Willi,
Deine Abschiedskolumne liest sich wie das Fazit eines tief enttäuschten Beobachters – und ich kann nachvollziehen, dass Ignoranz und Ausgrenzung schwer zu ertragen sind, besonders dann, wenn man eigentlich auf Dialog gehofft hatte.
Aber ganz ehrlich – was hast Du erwartet? Menschen mit Behinderung sind eben: Menschen. Kein homogener Block, kein moralisches Kollektiv, keine ethische Avantgarde. Sondern ein Querschnitt durch die Gesellschaft – mit Egoismen, mit Abwehrreflexen, mit politischem Kalkül, mit Anpassungswillen und auch mit Angst vor Differenz.
Dass Kritik in solchen Strukturen oft nicht willkommen ist – insbesondere, wenn sie an Selbstbildern kratzt – ist leider nicht überraschend. Auch innerhalb des Aktivismus gibt es Machtverhältnisse, blinde Flecken und bequeme Narrative, die nicht gestört werden sollen.
Vielleicht liegt genau darin die eigentliche Enttäuschung: nicht in der Szene selbst, sondern in unseren Erwartungen an sie. In dem Wunsch, dass ausgerechnet dort Offenheit herrscht, wo man selbst vulnerabel argumentiert.
Dein Rückzug ist nachvollziehbar. Aber vielleicht wäre er gar nicht nötig gewesen, wenn man sich von der Illusion verabschiedet hätte, dass es irgendwo den idealen Ort für Kritik gibt. Den gibt es nicht. Es bleibt nur, sie trotzdem zu äußern – aufrecht, unnachgiebig und wissend, dass der Widerstand dazugehört.
Mit Respekt für Deine Arbeit