
Foto: SOD / Sarah Rauch
Berlin (kobinet) Für die Eiskunstläuferin Emma Gania aus Geretsried war es eine große Freude, für die Special Olympics Weltwinterspiele in Turin nominiert zu werde. Eigentlich wollte sie das bereits vor drei Jahren, denn sie hatte sich bereits 2021 für die Weltspiele im russischen Kasan qualifiziert, aber diese wurden wegen der Corona-Pandemie auf 2022 verschoben und dann wegen des Krieges endgültig abgesagt. Damals hatte sie schon Termine, zum Beispiel für das Einkleidungstreffen, aber nach und nach wurde alles wieder gestrichen. Emma Gania war damals schon sehr geknickt, dass das alles nicht zustande kam. Umso größer war dann die Freude, als die Nachricht von Special Olympics Deutschland (SOD) kam, dass jetzt alles klappt.
Mit ihren beiden Goldmedaillen von den Nationalen Winterspielen im vergangenen Jahr in Erfurt, wo das Eiskunstlaufen ausgetragen wurde, hat sie sich die Teilnahme in Turin auch redlich verdient. Emma Gania siegte sowohl im Einzel als auch im Unified Paarlauf mit ihrer Partnerin Lena Vollbrecht. Mit zweimal Gold hatte sie in Erfurt nicht gerechnet, auch wenn sie eine Medaille im Vorfeld durchaus in den Blick genommen hatte. „Die zwei Goldmedaillen kamen schon etwas überraschend“, sagt Vater Thomas, der in Turin im SOD-Betreuerteam dabei ist. „Aber Emma plant das schon sehr gut. Sie ist so selbstbewusst und ehrgeizig, dass sie gut einschätzen kann, dass das funktionieren kann.“
Die 22-Jährige mag beide Wettbewerbe, das Einzel und den Paarlauf. Wobei sie gleich klarstellt, dass im Unified Wettbewerb, in dem eine Läuferin mit und eine ohne geistige Beeinträchtigung gemeinsam starten, beide die Chefinnen sind. Gemeinsam wählen sie die Musik aus, gemeinsam mit ihrer Trainerin Melanie Vollbrecht, der Mutter von Lena, gestalten sie die Choreografie für die Kür und gemeinsam entscheiden sie sich auch für das Outfit. Für Turin ist alles neu aufgelegt: Kür, Musik und Kleider.
Damit das bei den Weltspielen in der zweiten Märzwoche in Italien auf dem Eis auch gut funktioniert, absolviert Emma Gania beim ESC Geretsried ein intensives Trainingsprogramm: Samstags trainiert sie mit der Inklusionsgruppe, da hat sie genügend Zeit und auch Platz, um ihre Kür zu üben. Montagabends hat sie Training mit den anderen Eiskunstläuferinnen, da läuft sie auch ab und zu ihre Kür. Dienstags steht Trockentraining auf dem Programm, und alle zwei Wochen geht sie sonntags nochmal aufs Eis. Darüber hinaus geht es freitags auch noch regelmäßig zum Klettern.
Das klingt nach viel, aber Emma Gania ist seit vielen Jahren ans Sporttreiben gewöhnt und hat viel Spaß dabei. Wie ihr älterer Bruder Paul und ihre jüngere Schwester Lilli begann sie schon mit drei Jahren mit dem Schlittschuhlaufen. Die Geschwister spielen erfolgreich Eishockey, Paul in der Bayernliga für den ESC Geretsried, Lilli in der Bundesliga für den EC Bad Tölz und in der DEB-Auswahl. Emma Gania entschied sich für das Eiskunstlaufen, das sie liebt. „Am meisten mag ich die Pirouetten“, sagt sie, „das Drehen“, das sie so gut beherrscht, dass sie immer wieder schöne Erfolge feiern darf.
Text: Ulrike Spitz
Emma Gania würde sich sicher auch über eine Teilnahme an den „normalen“ Olympischen Winterspielen freuen!
Wenn man es mit echter Inklusion ernst meint, müssen die Special Olympics in die regulären Olympischen Spiele integriert werden – mit fairen und sinnvollen Kategorien, statt eine Parallelwelt aufrechtzuerhalten.
Das Argument, dass es „eigene“ Spiele für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung braucht, basiert auf einem veralteten Verständnis von Sport und Leistung. Im Profisport gibt es längst differenzierte Leistungsklassen – sei es durch Gewichtsklassen im Boxen, angepasste Regelwerke im Para-Sport oder die Trennung nach Geschlechtern. Warum sollte es nicht auch für Sportler:innen mit geistiger Beeinträchtigung gerechte Kategorien innerhalb der Olympischen Spiele geben?
Aktuell bleibt die Trennung bestehen: Menschen mit Behinderung haben „ihre“ Spiele, während die regulären Olympischen Spiele exklusiv für Menschen ohne Beeinträchtigung bleiben. Das ist keine Inklusion, sondern eine nette Form der Separation.
Die Integration der Special Olympics in die Olympischen Spiele wäre ein logischer Schritt – mit gleichen Chancen, aber ohne Sonderstatus. Athlet:innen sollten für ihre sportlichen Leistungen anerkannt werden, nicht als jemand, der „trotz“ einer Behinderung dabei ist.