
Foto: Ralph Milewski
Fladungen (kobinet) Teilnehmende:
- Ralph: Kritiker der Paralympics und Special Olympics, setzt sich für echte Inklusion im Sport ein.
- Katrin: Vertreterin der Lebenshilfe, befürwortet die Paralympics und Special Olympics als wertvolle Plattformen für Menschen mit Behinderung.
- Moderator: Neutral, leitet die Diskussion.
Moderator:
"Herzlich willkommen zur heutigen Diskussion. Die Paralympics und Special Olympics werden oft als Meilensteine der Inklusion im Sport gefeiert. Kritiker wie Ralph sehen sie jedoch als separate Parallelstrukturen, die Menschen mit Behinderung aus dem regulären Sportbetrieb ausschließen. Darüber diskutieren heute Ralph, Kritiker der Special Olympics und Paralympics, und Katrin von der Lebenshilfe. Katrin, warum halten Sie diese Veranstaltungen für notwendig?"Katrin:
„Die Paralympics und Special Olympics bieten Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen, Erfolge zu feiern und auf einer großen Bühne sichtbar zu werden. Sie stärken das Selbstbewusstsein der Athlet*innen und ermöglichen ihnen, ihre Leistungen unter fairen Bedingungen zu zeigen.“
Ralph:
„Aber warum brauchen sie dafür eine eigene Veranstaltung? Warum gibt es keine Strukturen im regulären Sport, die eine gleichberechtigte Teilnahme ermöglichen? Stattdessen erschafft man ein Parallelsystem, das zwar als ‚inklusiv‘ verkauft wird, in Wahrheit aber die Trennung weiter zementiert. Es wird suggeriert, dass behinderte Menschen Sport treiben können – aber bitte in ihrer eigenen Liga, getrennt vom Rest der Sportwelt.“
Katrin:
„Menschen mit Behinderung haben oft andere körperliche Voraussetzungen als nicht-behinderte Sportler. Die Paralympics und Special Olympics berücksichtigen das und schaffen faire Wettbewerbsbedingungen.“
Ralph:
„Interessant! Also so wie Frauen und Männer, die auch unterschiedliche biologische Voraussetzungen haben? Oder wie verschiedene Gewichtsklassen im Boxen?
Dann frage ich mich: Warum gibt es keine ‚Männer-Olympics‘ und ‚Frauen-Olympics‘, sondern eine gemeinsame Veranstaltung mit getrennten Kategorien? Warum gibt es nicht ‚Schwergewicht-Olympics‘ und ‚Leichtgewicht-Olympics‘, sondern ein gemeinsames Event mit fairen Klassifizierungen?
Die Antwort ist einfach: Weil es keine komplette Trennung braucht. Niemand käme auf die Idee, Frauen und Männer in zwei völlig verschiedenen Olympischen Spielen antreten zu lassen oder Gewichtsklassen in eigene Wettkämpfe auszulagern. Aber genau das macht man mit behinderten Sportler*innen – man steckt sie in eine Parallelwelt und nennt das dann Inklusion.“
Moderator:
„Aber ist es nicht ein Erfolg, dass die Paralympics und Special Olympics in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit bekommen?“
Ralph:
„Ja, aber mit welcher Botschaft? Die Berichterstattung dreht sich meist nicht um die sportliche Leistung selbst, sondern um das ‚Trotzdem‘ – ‚Schaut mal, was diese Athlet*innen trotz ihrer Behinderung schaffen!‘ Ein nicht-behinderter Sportler wird für seine Leistung bewundert, ein behinderter Sportler wird für seine ‚Überwindung der Behinderung‘ gefeiert. Das ist kein Respekt auf Augenhöhe, sondern eine Sonderrolle, die mit echter Anerkennung wenig zu tun hat.“
Katrin:
„Aber ohne diese Veranstaltungen wären viele behinderte Sportler gar nicht sichtbar!“
Ralph:
„Weil man sie in einem separaten System hält! Wenn sie stattdessen in die regulären Sportstrukturen integriert wären, wären sie genauso sichtbar – aber als Sportler, nicht als ‚Inspirationsgeschichten‘. Stattdessen werden sie in Parallelveranstaltungen abgeschoben, und die Gesellschaft klopft sich auf die Schulter für ihre angebliche Inklusion.“
Moderator:
„Ein weiteres Argument für die Paralympics ist, dass sie Leistungssport auf höchstem Niveau ermöglichen. Gibt es da nicht einen Unterschied zu den Special Olympics, die ja eher breitensportlich orientiert sind?“
Ralph:
„Ja, der Unterschied besteht, aber das Grundproblem bleibt dasselbe. Bei den Paralympics geht es zwar um Hochleistungssport, aber auch hier wird nicht versucht, eine gemeinsame olympische Plattform zu schaffen. Warum gibt es keine integrativen Wettbewerbe innerhalb der Olympischen Spiele, mit verschiedenen Kategorien? Gewichtsklassen im Boxen, unterschiedliche Streckenlängen in der Leichtathletik – all das gibt es bereits. Warum werden behinderte Sportler*innen nicht einfach in ein solches System integriert, anstatt ihnen eine eigene Veranstaltung zu geben?“
Katrin:
„Aber es gibt doch inzwischen mehr Berührungspunkte, zum Beispiel die Integration von Para-Sport in einige Weltmeisterschaften.“
Ralph:
„Ja, und genau das ist der Weg! Das sollte nicht nur die Ausnahme, sondern der Standard sein. Die Paralympics waren vielleicht ein Fortschritt vor 50 Jahren, aber jetzt sind sie eine bequeme Ausrede, um echte Inklusion zu vermeiden. Man müsste die Paralympics schrittweise mit den Olympischen Spielen verschmelzen, sodass Athlet*innen mit und ohne Behinderung innerhalb eines einzigen Events antreten – mit fairen Klassifizierungen, aber unter demselben Dach.“
Moderator:
„Wäre das nicht eine große Herausforderung für das Sportsystem?“
Ralph:
„Sie könnten mich genauso fragen, ob Inklusion nicht eine große Herausforderung für die Gesellschaft ist. Ja, das ist sie. Und nun?
Sollten wir deshalb darauf verzichten? Sollten wir sagen: ‚Ach, das ist zu kompliziert, lassen wir die Menschen mit Behinderung lieber in ihrem eigenen System‘?
Echte Inklusion bedeutet, die Herausforderungen anzunehmen und Lösungen zu finden, anstatt sich hinter der Bequemlichkeit bestehender Strukturen zu verstecken. Wenn wir Inklusion ernst meinen, dann können wir nicht immer wieder Ausreden suchen, warum etwas angeblich nicht geht.
Man könnte genauso gut sagen: ‚Barrierefreie Städte? Das ist eine Herausforderung für die Stadtplanung!‘ Oder: ‚Gleiche Bildungschancen? Das ist eine Herausforderung für das Schulsystem!‘
Ja, Veränderung ist immer eine Herausforderung. Aber wenn wir uns ernsthaft für Gleichberechtigung einsetzen wollen, dann können wir nicht nur dort Veränderungen anstreben, wo es einfach ist. Inklusion darf nicht nur dann umgesetzt werden, wenn sie bequem ist.“
Moderator:
„Vielen Dank für die Diskussion! Die Frage bleibt: Sind die Paralympics und Special Olympics ein Fortschritt – oder halten sie Menschen mit Behinderung in einer institutionellen Trennung fest? Der Weg zur echten Inklusion scheint noch weit.“
Schlussgedanke:
Die Debatte zeigt das Kernproblem: Sind die Paralympics und Special Olympics ein notwendiges Sprungbrett für Inklusion oder ein System, das Menschen mit Behinderung dauerhaft in eine Sonderwelt einordnet? Solange behinderte Sportler nicht als selbstverständlich in den allgemeinen Sport integriert sind, bleibt die Frage bestehen, ob diese Veranstaltungen wirklich Inklusion fördern – oder nur das Fehlen echter Gleichberechtigung kaschieren.
Gut argumentiert, Ralph! Eine kleine Anmerkung nur: Mit der Inklusion könnte nun doch schneller gehen als gedacht. Der bervorstehende Krieg wird sie berwerkstelligen.
Gruß Hans-Willi