Menu Close

Live-Ticker 2. Teil: Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Bild vom Protestcamp vor der UNO in Genf mit Länderschildern
Bild vom Protestcamp vor der UNO in Genf mit Länderschildern
Foto: mittendrin e.V.

Genf (kobinet) Die Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention geht heute am 30. August 2023 in Genf in den zweiten und abschließenden Tag. Die kobinet-nachrichten werden im folgenden, wie bereits am ersten Tag des Dialogs mit dem Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen, in einem Live-Ticker über die Entwicklungen in Genf berichten. Die von 10:00 bis 13:00 Uhr stattfindende Staatenprüfung wird ab 10:00 Uhr im Livestream übertragen. Unter den chinesischen Zeichen bei den Sprachen gibt es auch eine Übersetzung in deutscher Sprache. Zudem wird die Veranstaltung auch in Gebärdensprache gedolmetscht. Link zum Livestream: https://media.un.org/en/asset

Link zum ersten Teil des kobinet Live-Tickers zur Staatenprüfung vom 29. August 2023

Stimmen zur und nach der Staatenprüfung

„Die Staatenprüfung verdeutlicht Defizite beim Gewaltschutz und den Rechten behinderter Frauen.“ Darauf weist die Politische Interessenvertretung behinderter Frauen im Weibernetz hin und sieht viele ihrer langjährigen Forderungen durch die Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bestätigt und fordert von Bund und Ländern konkrete Ziel- und Zeitvorgaben zur umfassenden Umsetzung der Konvention. „Der Fachausschuss der Vereinten Nationen hat den Finger in die Wunden gelegt und nochmal deutlich aufgezeigt, wo die Probleme liegen“, resümiert Brigitte Faber, Projektkoordinatorin der Politischen Interessenvertretung. „Deutschland hat vielfache Defizite beim Schutz vor Gewalt, dem Ausbau barrierefreier gynäkologischer Praxen, der dauerhaften Finanzierung der Interessenvertretungen behinderter Frauen, um nur drei Beispiele aus der Staatenprüfung zu nennen“, so Faber. Zudem war der Fachausschuss interessiert an den Themen Zwangssterilisation und Elternassistenz.

Link zum kobinet-Bericht vom 30. August 2023 zur Reaktion des Weibernetzes auf die Staatenprüfung

Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik, sowie Boris Mijatović, Sprecher für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, fordern, dass die Menschenrechte behinderter Menschen in den Mittelpunkt gerückt werden müssen. „Menschenrechtsverletzungen gibt es nicht nur in fernen Ländern, sondern auch tagtäglich in Deutschland. Auch 14 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland ist ihre Umsetzung hierzulande mangelhaft und Menschen mit Behinderungen werden daran gehindert, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Denn von Gesellschaftsstrukturen, die barrierefrei sind und alle nutzen können, sind wir weit entfernt“, erklärten die Grünen-Politiker*innen.

Link zum kobinet-Bericht zur Presseinformation der Grünen-Politiker*innen vom 30. August 2023

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Huppe hat die massiven Versäumnisse bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention mittels einer Presseerklärung kritisiert. „Die Staatenprüfung hat deutlich gemacht, dass in keinem anderen Land mehr Menschen mit Behinderung in Sondereinrichtungen landen als in der Bundesrepublik. Dazu zählen vor allem Förderschulen, Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und stationäre Wohneinrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung getrennt von Nicht-Behinderten abgeschoben und in ihren Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Grundsätzlich bewirkt die Trennung von Menschen mit und ohne Behinderung, dass der Austausch, die Bewusstseinsbildung für die Bedürfnisse der anderen, das Profitieren von unterschiedlichen Erfahrungshintergründen und Sichtweisen massiv eingeschränkt werden. Wer hingegen in der Schule schon erfährt, dass nicht alle die gleichen körperlichen, psychischen und geistigen Voraussetzungen mitbringen, wird dieses Bewusstsein auch im Berufsleben beibehalten und kann so als Architekt, Mediziner oder Behördenmitarbeiter eine inklusive Gesellschaft mitgestalten“, betonte Hubert Hüppe.

Link zum kobinet-Bericht über die Presseinfo von Hubert Hüppe vom 30. August 2023

„Uns besorgt, dass Deutschland bzgl. einer Reihe der hier erörterten Fragen die Tragweite seiner Menschenrechtsverpflichtungen offenbar noch immer nicht in vollem Umfang erkannt hat und teilweise sogar abweichend auslegt.“ Dies postete Dr. Leander Palleit, Leiter der Monitoringstelle UN-Behindertenrechtskonvention beim Deutschen Institut für Menschenrechte.

„Peinlich, peinlich wie Deutschland sich dort – offiziell – darstellt.“ Mit diesen Worten hat der Rechtsanwalt und kobinet-Chronist Dr. Martin Theben auf die Äußerungen der deutschen Regierungsdelegation bei der Staatenprüfung reagiert. Weiter schreibt er in seinem Statement: „Schuliche Aussonderung wird mit THE RIGHT TO CHOICE gerechtfertigt, um Sonderwelten als UN-BRK-konform zu legitimieren. Inklusion heißt aber, ich brauche gar nicht zwischen zwei Welten zu wählen. Dann gibt es nur eine, nämlich die inklusive Welt! Ein generelles Sterilisationsverbot wird abgelehnt, da dies gegen das Selbstbestimmungsrecht verstoßen würde. Dieses Argument sticht dann aber auch bei der Abschaffung von § 218 StGB … nein darum geht es bei § 1830 BGB gar nicht, sondern darum Frauen mit Behinderung das Recht auf selbstbestimmte Mutterschaft nicht durch fadenscheinige Schutzargumentation und fremdbestimmte Willenserforschung zu verhindern. Es bleibt wirklich noch sehr viel für uns zu tun. Solidarische Grüße an das Protestcamp!“

„Danke für den ‚konstruktiven Dialog‘ der Staatenprüfung bei der UN in Genf! Gemeinsam mit dem DIMR werde ich voraussichtlich im Februar 2024 eine Konferenz zur Umsetzung der Abschließenden Bemerkungen der UN veranstalten.“ Dies teilte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Jürgen Dusel in einem X-Post mit.

Link zum Post von Jürgen Dusel vom 30. August 2023

Vor dem konstruktiven Dialog des UN-Ausschusses mit der deutschen Regierungsdelegation sprach Joachim Busch aus Lübeck vor dem zuständigen Fachausschuss zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (BRK) zusammen mit den anderen Vertreter*innen der Delegation der Zivilgesellschaft. Als Selbstvertreter der Bundesvereinigung Lebenshilfe vertritt er für die deutsche Zivilgesellschaft vor allem Menschen mit einer sogenannten geistigen Beeinträchtigung. Sein erstes Fazit lautet: „Deutschland muss sich bei der Inklusion mehr anstrengen. Ich konnte den Leuten im Ausschuss aber gute Tipps geben, was sie unsere Regierung fragen sollen.“

Link zum kobinet-Bericht über die Presseinformation der Bundesvereinigung Lebenshilfe vom 31. August 2023

Die UN-Behindertenrechtskonvention muss vor allem auch in den einzelnen Bundesländern umgesetzt werden. Dies wurde bei der Staatenprüfung Deutschlands am 29. und 30. August 2023 in Genf deutlich. Der niedersächsische Landtagsabgeordnete Constantin Grosch drängt daher auf eine konsequentere Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland. Constantin Grosch mahnte daher die Notwendigkeit an, die Belange von Menschen mit Behinderungen ernster zu nehmen.

Link zum kobinet-Bericht vom 31. August 2023

Zurück im realen Leben ist die Grünen Bundestagsabgeordnete Stephanie Aeffner, die in Genf dabei war und selbst einen Rollstuhl nutzt. Auf X postete sie am Abend des 30. August: „Liebe Bahn, geht gar nicht! Komme von der #Staatenpruefung zur #unbrk. Wie passend, dass ich heute Nachmittag ne SMS-Erinnerung für die Rückfahrt bekomme und jetzt nix funktioniert. Wenn der verspätete Zug in Basel Bad jetzt nicht auf mich wartet, komme ich nicht mehr zurück.Liebe@DB_Bahn.“ Kurz zuvor hatte sie gepostet: „Weil dann keine Ausstiegshilfe mehr vorhanden ist. Andere Fahrgäste steigen in die nächste Verbindung. Rollifahrer*innen haben auch im Jahr 14 seit die #unbrk in Deutschland gilt Pech oder wie? Sauer Euer System für uns funktioniert nicht, wann kümmert Ihr Euch?!“ In Bezug auf die Staatenprüfung hat die Grünen-Politikerin gepostet: „Die deutlichste Aussage des Ausschusses gestern bei der #Staatenpruefung: Der Vertragsstaat hat die #UNBRK nicht immer verstanden. #Inklusion wird umdefiniert. Segregation ist nie Schutz sondern gegen die #menschenrechte.“

Raul Krauthausen postete auf X: „Heute ist der 2. Tag der 2. UN-BRK #Staatenprüfung und wie auch schon bei der ersten Prüfung wird harsch kritisiert, dass die #Deinstitutionalisierung praktisch nicht fortgeschritten ist.“ Und weiter schrieb er: „Die Leitlinien zur #Deinstitutionalisierung fordern z. B. dass die #Institutionalisierung als eine Form von Gewalt gegenüber Menschen mit #Behinderungen anerkannt werden soll.“

Katrin Langensiepen, die EU-Abgeordnete der Grünen postete: „Großartig @RosemaryKayess die den #Ableismus im wording des @BMAS_Bund kritisiert! Schützen und Schonen“. Zu den Ausführungen der deutschen Delegation postete die Abgeordnete: „Und wieder das knallharte Festhalten an Sonderwelten, wie bspw die Förderschulen #staatenbericht“ Und weiter: „Klare konkrete Fragen an die Delegation. Wann kommt der Ausstiegsplan zu Einrichtungen?“

30. August 2023 – 13:12 Uhr: Die Vorsitzende hat den konstruktiven Dialog zur Staatenprüfung Deutschlands beendet. Nun wird sich der Ausschuss daran machen, entspechende Vorschläge und Bemerkungen zu formulieren, die voraussichtlich Ende September 2023 veröffentlicht werden.

30. August 2023 – 13:09 Uhr: Das Mitglied des Ausschusses Frau Kayess betonte, dass Deutschland sehr kompetente Organisationen hat und sagte: „Ich ermutige Deutschland, immer und aktiv mit diesen Organisationen und dem DIMR zusammenzuarbeiten.“ Und weiter betonte sie in ihrem Schlusswort: „Die BRK erfordert eine Transformation, bei der die Rechte aller behinderten Menschen verwirklicht werden. Der Ausschuss ist besorgt, wie Deutschland diese Transformation erreichen will, wenn es weiterhin solche Ansichten zu Behinderung gibt. Ansichten, die weiterhin die Segregierung aufrecht erhalten (…) Wir erkennen, Transformation ist keine einfache Sache, sie erfordert Führung und Koordination und legislative und kulturrelle Veränderung. Wir hoffen, dass sie unsere Bemerkungen als Blaupause für Transformaiton verwenden.“

30. August 2023 – 13:10 Uhr: Während der gesamten Zeit der Staatenprüfung haben Eltern, die aus verschiedenen Bundesländern nach Genf gereist sind, vor dem UN-Gebäude ein Protestcamp für echte Inklusion durchgeführt und dort ausgeharrt. Die kobinet-Redaktion dankt für diese Beharrlichkeit und dieses Ausharren.

Link zum kobinet-Bericht über die Einschätzung der Protestcampler*innen zur Staatenprüfung vom 30. August 2023

30. August 2023 – 13:09 Uhr: Dr. Leander Palleit vom Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) sprach sein Schlusswort und dankte dem Ausschuss für die genaue Untersuchung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. Er zeigte sich auch dankbar für die Offenheit der deutschen Delegation im Dialog. Es sei klar geworden, dass die wahre Umsetzung der BRK noch längst nicht erreicht ist. Wichtige Themen, die offen sind, gibt es einige, wie ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Die Strukturen müssten transferiert werden im Bereich Arbeit, Wohnen und inklusive Bildung. Der Gewaltschutz müsse eine absolute Priorität und Zwangsmaßnahmen beendet werden. Bei einer tatsächlichen Umsetzung habe Deutschland immer noch nicht seine menschenrechtliche Verpflichtungen voll erkannt und lasse zu, dass es Neuinterpretation der Konvention gibt und dass diese abweichen vom internationalem Verständnis von Menschenrechtsnormen. Hier in Genf könne nicht alles gelöst werden, sondern dies müsse in Deutschland geschehen. Die allgemeinen Bemerkungen werden einen wichtigen Referenzrahmen bilden für alle, die beteiligt sind und diesen mit Leben und Inhalten füllen müssen. „Wir erwarten, dass die Empfehlungen in echte Aktionen überführt werden. Die Monitoringstelle wird alles dafür tun“, so das Schlusswort von Dr. Leander Palleit vom Deutschen Institut für Menschenrechte.

Link zum kobinet-Bericht über die Presseinfo des DIMR zur Staatenprüfung vom 30. August 2023

30. August 2023 – 12:50 Uhr: Jetzt gibts die Möglichkeit zum Antworten der Bundesregierung bis 13:00 Uhr.

30. August 2023 – 12:40 Uhr: Vor der letzten Pause gab es nochmal eindeutige Hinweise in den Statements einiger Ausschussmitglieder, dass Deutschland nicht einfach eine Menschenrechtskonvention unterzeichnen und ratifizieren kann, um sie dann nur ein bisschen bzw. sehr zögerlich umsetzen zu können. Frau Gamio aus Südamerika brachte ihre Empörung über einige Äußerungen Deutschlands auf den Punkt. „Das ist ein Skandal, was hier teilweise gesagt wurde. Sie verstehen den Paradigmenwechseln nciht wirklich.“

30. August 2023 – 12:15 Uhr: Die Antworten der Bundesregierung, vor allem im Bereich inklusiver Bildung und Deinstiutionalisierung machen deutlich, dass Kernpunkte der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland nicht verstanden werden. Immer wieder wird der Begriff der Wahlfreiheit dafür benutzt, um in Sonderwelten zu leben, zu lernen und zu arbeiten, ohne dass auf die mangelnden Alternativen eingegangen wird. Dies wurde von einigen Ausschussmitglidern entsprechend kommentiert.

30. August 2023 – 11:30 Uhr: Die Ausschussvorsitzende begrüßte explizit ihre Vorgängerin Prof. Dr. Theresia Degener, die mit 15 Studierenden nach Genf gekommen ist, um die Staatenprüfung zu verfolgen. Das Lob für ihr Engagement wurde auch von Dr. Rolf Schmachtenberg bekräftigt, der die nächste Antwortrunde der Bundesregierung einleitete.

30. August 2023 – 11:02 Uhr: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe sendete den kobinet-nachrichten folgendes Statement zu seinen bisherigen Eindrücken von der Staatenprüfung: „Vernichtendes Urteil für Deutschland in Sachen Inklusion. Noch immer gebe es ein System der Aussonderung. Die Sondersysteme wurden mit Rassismus verglichen, wo die schwarze Hautfarbe zur Ausgrenzung führte. Jetzt sei es die Behinderung. Erschreckend die Aussage der Kultusministerkonferenz, dass Sonderschulen ihrer Meinung nach vereinbar mit der UN-BRK sei. Verzweifelte Versuche, sich mit der Abschaffung des Wahlrechtsausschusses und dem BTHG zu rechtfertigen, wirkten da eher hilflos. Zur Empörung führte auch die Aussage, jeder Mensch mit Behinderung könnte in Deutschland wohnen, wo er wolle und manche würden halt gerne in Einrichtungen leben „

30. August 2023 – 10:50 Uhr: Frau Kayess vom Ausschuss regt in ihrem sehr nachdenklich machenden Statement auf die Antworten der Bundesregierung an, noch einmal genau auf diese Antworten und den Sprachgebraucht zu achten. Die Worte „Schutz und „gefährdete Gruppen“ nahm sie dabei besonders unter die Lupe. „Sie müssen im Rahmen der BRK bleiben. Wenn wir fragen, hören wir, dass behinderte Menschen an sich nicht besonders gefährdet und empfindlich sind. Sie sagen, es gibt Hürden und Hindernisse, die das Wohlbefinden stören. Dann zuweilen sind Sie in Situation gefangen, in denen sie sich gefährdet fühlen, wo sie Schutz brauchen (…) Menschen in abgesonderten Einrichtungen haben ein größeres Risiko missbraucht und gequält zu werden. Das ist nicht Schutz, Sie setzen sie dem Risiko aus. Deshalb seien sie sehr vorsichtig, wenn Sie Begriffe wie ‚Schutz‘ und ‚besonders verletzlich‘ verwenden.“ Wir stellten nicht die Systemfrage über die Gesellschaft, die wir aufgebaut haben. Sie warnte also davor, diese Begriffe zu verwenden. Es sollten Wege gesucht werden, mit behinderten Menschen selbst zu sprechen.

30. August 2023 – 10:40 Uhr: Wenn man den Antworten der verschiedenen Akteur*innen der deutschen Delegation von Bund und Ländern lauscht, bekommt man den Eindruck, dass zwar viel im klein klein getan wird, dass es viele gesetzliche Regelungen, Konzepte und Studien gibt, dies aber im Alltag von vielen behinderten Menschen nicht ankommt. Denn die Grundstruktur der Aussonderung und des Ableismus sitzt tief in Deutschland. Man doktort also an vielen Baustellen durchaus engagiert herum, schafft auch eine Reihe von Verbesserungen und auch guten Projekten, am Gesamtbild wird aber nicht gerüttelt. Es lohnt sich also im Nachgang des konstruktiven Dialogs die einzelnen Antworten der Bundesregierung genau anzuhören.

30. August 2023 – 10:01 Uhr: Pünktlich um 10:00 Uhr hat die Vorsitzende des Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen die Sitzung zur Staatenprüfung Deutschlands eröffnet und das Wort an Dr. Rolf Schmachtenberg und die deutsche Regierungsdelegation übergeben, die auf noch nicht beantwortete Fragen der Ausschussmitglieder antworten konnten.

30. August 2023 – 9:50 Uhr: Der Weg zur Staatenprüfung war lang. Das macht das Bild deutlich, dass Corinna Rüffer den kobinet-nachrichten vor dem Beginn des zweiten Anhörungstages in Genf geschickt hat. Links sind die vielen Fahnen der Länder dieser Welt zu sehen. Gleich, um 10:00 Uhr geht’s los mit dem zweiten und letzten Tag der Staatenprüfung. Wie gesagt, unter den chinesischen Zeichen bei den Sprachen gibt’s im Livestream die Übersetzung in deutsche Sprache. Link zum Livestream: https://media.un.org/en/asset

Weg zur Staatenprüfung im UN-Gebäude in Genf
Weg zur Staatenprüfung im UN-Gebäude in Genf

30. August 2023 – 9:35 Uhr: Ein Eindruck aus Österreich, der den kobinet-nachrichten übermittelt wurde, lässt sich so zusammenfassen: „Die deutsche Bundesregierung faselt sich durch die Staatenprüfung.“ Die Grundkritik in Bereichen wie Ableismus, Deinstitutionalisierung, Antidiskriminierung und echte Inklusion werde durch kleinere und größere Aktivitäten und irgendwelchen Plänen für die Zukunft weggeredet. Das Grundprinzip der Konvention sei nicht verstanden worden.

30. August 2023 – 9:33 Uhr: Christiane Link hat mit einem X-Post unter dem Hashtag #Staatenprüfung angemerkt: „Über die Anti-Diskriminierung im Service- und Dienstleistungsbereich redet überhaupt niemand. Behinderung wird als Sozialproblem angesehen, nicht als Rechtsproblem.“ Und weitere postete die in Großbritannien lebende Rollstuhlnutzerin: „Deutschland hat die #UNBRK ratifiziert, ohne sie zu verstehen.“

30. August 2023 – 9:31 Uhr: „In unserem Eingangsstatement anlässlich der #Staatenprüfung zur Umsetzung der #UNBRK nannten wir vier Bereiche, in denen Nachholbedarf besteht: Inklusive Bildung – Selbstbestimmung – Barrierefreiheit bei privaten Akteuren – Mindestbeteiligungsstandards“, dies postete das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) per X. Dr. Britta Schlegel und Dr. Leander Palleit haben bei der gestrigen Sitzung diese Punkte engagiert erläutert. Und weiter postete das MenschenrechtsInstitut: In Deutschland werden noch immer mehr als die Hälfte der Schüler*innen mit sonderpädagogischer Förderung an Förderschulen unterrichtet. Sie haben ein Recht auf #Inklusion!“

30. August 2023 – 9.05 Uhr: Hier einige Stimmen via X-Posts zum ersten Tag der Staatenprüfung:

Corinna Rüffer, Bundestagsabgeordnete der Grünen, postete: „Für die Deinstitutionalisierung ist ausreichender barrierefreier Wohnraum unabdingbar, betont Staatssekretär Schmachtenberg. Da liegt er ganz bestimmt richtig.“ Und weiter: „Warum gibt es noch immer keine systematische Strategie gegen Gewalt in Einrichtungen, möchte der Ausschuss außerdem völlig zurecht wissen.“ Und in Sachen außerklinische Intensivpflege merkt Corinna Rüffer an: „Ausschuss kritisiert, dass durch das #IPreG Menschen, die dauerhaft beatmet werden, in stationäre Einrichtungen genötigt werden. Gut, dass solche konkreten und brennenden Themen hier auf den Tisch kommen. #CRPD #UN_BRK“ Zudem weist Corinna Rüffer darauf hin: „Die Monitoringstelle @DIMR_Berlin stellt klar, dass Deinstitutionalisierung kaum vorangeht in Deutschland.“

Hubert Hüppe, Bundestagsabgeordneter der CDU bemerkte auf Facebook: „Leider sind hier nur die Abgeordneten von #CDU und den #Grünen vertreten – ich rechne damit, dass die #Bundesregierung heute stark kritisiert wird!“

Stephanie Aeffner, Bundestagsabgeordnete der Grünen postete: „Der Ausschuss steigt gleich voll ein bei der #staatenpruefung zur #UNBRK: Inklusion würde immer wieder umdefiniert und die UNBRK teilweise nicht richtig verstanden. Sonderwelten sind keine Unterstützung, sondern Diskriminierung! Das steht im Widerspruch zur UNBRK.“

Katrin Langensiepen, Europaabgeordnete der Grünen, bemerkte in einem X-Post: Was wir als @EUparliament schon lange fordern, sowie auch in meinem damaligen Bericht: die Deinstitutionalisierung @RosemaryKayess fragt aus dem Ausschuss die Delegation, ob es eine Deinstitutionalisierung Strategie gibt.“ In einem anderen Post bemerkt die Europaabgeordnete: „Auch der schweizer Jurist und Mitglied im Ausschuss für Menschen mit Behinderung Markus Schefer kritisiert das massive Festhalten an Sonderwelten.“

30. August 2023 – 9:00 Uhr: „Integration kommt vielfach nicht voran“, so titelt das aerzteblatt einen Beitrag über die Staatenprüfung, in dem u.a. Jürgen Dusel und Prof. Dr. Sigrid Arnade zitiert wird.

Link zum Beitrag des aerzteblatt vom 29. August 2023

30. August 2023 – 8:56 Uhr: Mit der Fortsetzung der Antworten der Bundesregierung auf die Fragen des Ausschusses zum zweiten Block zu den Artikeln 10 – 20 der UN-Behindertenrechtskonvention geht es ab 10:00 Uhr in Genf weiter. Unter folgendem Link kann man der Veranstaltung im Livestream folgen: https://media.un.org/en/asset – für die deutsche Sprache bei den Sprachen auf die chinesischen Zeichen klicken.

30. August 2023 – 8:53 Uhr: Prof. Dr. Sigrid Arnada hat den kobinet-nachrichten folgende Stichworte als Reümee des ersten Teils der Staatenprüfung am 29. August geschickt: „Protestcamp zur mangelnden Umsetzung schulischer Inklusion ist super und zieht Aufmerksamkeit und Presse. Ausschussmitglieder sind gut vorbereitet und stellen genau die richtigen Fragen, die die Schwachpunkte deutscher Behindertenpolitik entlarven. Die Regierungsdelegation wirkt überfordert: Viele Fragen werden gar nicht beantwortet oder teilweise so, dass ich mich frage, auf welchem Stern die Redner*innen leben. Starke Vorstellung des Komitees, schwache Vorstellung der deutschen Regierung.“

Link zum 1. Teil des kobinet-Livetickers zur Staatenprüfung vom 29. August 2023