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Rechte auf Barrierefreiheit konsequent einfordern und durchsetzen

Martin Ladstätter
Martin Ladstätter
Foto: BIZEPS

Wien (kobinet) Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat ein Urteil bestätigt, das dem Rollstuhlfahrer Hans-Jürgen Groß und seiner Ehefrau Bianca Groß Schadenersatz zuspricht. Der Kläger hatte im Januar 2023 ein romantisches Abendessen geplant, konnte das Restaurant jedoch aufgrund fehlender Barrierefreiheit der WC-Anlagen nicht besuchen. Der Zugang zur Toilette war nur über drei Stufen möglich. Eine mobile Rampe sowie ein Haltegriff, die eine einfache Lösung dargestellt hätten, waren nicht vorhanden. Hans-Jürgen Groß erhielt 1.000 Euro Schadenersatz, seine Ehefrau 700 Euro. Da dieses Urteil in Sachen Barrierefreiheit auch in Deutschland für große Aufmerksamkeit gesorgt hat, hat kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul bei Martin Ladstätter vom österreichischen Onlinenachrichtendienst BIZEPS, der über die Entscheidung berichtet hatte, nachgehakt. Martin Ladstätter machte dabei deutlich, dass sich dieses Urteil in eine Reihe weiterer wichtiger Entscheidungen zur Barrierefreiheit in Österreich einreiht.

kobinet-nachrichten: Ein Urteil aus Österreich zur Barrierefreiheit hat auch in Deutschland für Aufmerksamkeit gesorgt. Was genau ist passiert?

Martin Ladstätter: In dem Gerichtsverfahren ging es um Diskriminierung durch ein Luxusrestaurant, das kein barrierefrei erreichbares WC zur Verfügung stellte. In Österreich sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet, ihre Leistungen so zu erbringen, dass Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden. Diese Verpflichtung ist im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geregelt, das seit 2006 gilt. Link zum Gesetzestext: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004228

kobinet-nachrichten: Sowohl der Rollstuhlnutzer als auch seine Ehefrau erhalten nach dem Urteil nun eine Entschädigung.

Martin Ladstätter: Ja, denn das Gesetz enthält einen wichtigen Grundsatz: „Eine Diskriminierung liegt auch dann vor, wenn eine Person aufgrund ihres Naheverhältnisses zu einer behinderten Person benachteiligt wird.“ Wenn also die Ehefrau ihren Mann nicht zum Abendessen begleiten kann, ist auch sie diskriminiert.

kobinet-nachrichten: Gab es in Österreich bereits ähnliche Urteile zur Barrierefreiheit?

Martin Ladstätter: Ja, es gibt eine ganze Reihe. So wurden zum Beispiel die Wiener Linien wegen der Verweigerung von Beförderungsleistungen verurteilt. Auch der ORF wurde wegen mangelnder Barrierefreiheit verklagt. Und erst kürzlich wurde ein Hotel verurteilt, weil es einer Frau mit Assistenzhund den Zutritt verweigerte. Mehr dazu gibt’s unter: https://www.bizeps.or.at/gericht-staerkt-rechte-von-menschen-mit-assistenzhunden/

kobinet-nachrichten: Der Klagsverband hat das aktuelle Verfahren gegen das Luxusrestaurant maßgeblich vorangetrieben. Was genau macht dieser Verband, und wer steht dahinter?

Martin Ladstätter: Der Klagsverband ist ein Zusammenschluss von mehreren Dutzend Organisationen. Ich bin eines der Gründungsmitglieder – wir haben ihn vor über 20 Jahren ins Leben gerufen. Link zur Mitgliederübersicht: https://www.klagsverband.at/ueber-uns/mitglieder

kobinet-nachrichten: Wie geht es in Österreich weiter mit dem Einsatz für Barrierefreiheit?

Martin Ladstätter: Neben individuellen Klagen – wie im Fall des Restaurants – werden sogenannte Verbandsklagen immer wichtiger. Dabei klagen Organisationen stellvertretend für viele Betroffene. Es reicht nicht aus, Rechte auf Barrierefreiheit gesetzlich zu verankern – sie müssen auch konsequent eingefordert und durchgesetzt werden.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin viel Erfolg!

Link zum Bericht der kobinet-nachrichten vom 22. Mai 2025 über das Urteil