Villmar - Weyer (kobinet)
Ein schlechter Film braucht immer eine Fortsetzung.
Und manche Kolumnen auch.
Diese hier widmet Stephan Laux Ralph Milewski und "Tristan".
Zum 1. Teil gibt es hier einen Link: hier
Die Schweigepflicht wird benutzt, damit man keine Kritik sagt.
Bei der Schweigepflicht darf man nicht über bestimmte Dinge sprechen.
Manche nutzen die Schweigepflicht als Ausrede, damit Probleme geheim bleiben.
Angehörige haben keine Schweigepflicht.
Aber Angehörige haben Angst um den Heimplatz, wenn sie zu viel kritisieren.
Betroffene sagen selbst selten etwas.
Sie werden nicht dazu befähigt.
Das bedeutet: Niemand hilft ihnen, ihre Meinung zu sagen.
Oder sie haben Angst um ihre Vorteile bei der Unterbringung.
Unterbringung bedeutet: Der Ort, wo sie wohnen.
Ich vermisse Protest in den Fachschulen und Studiengängen.
Sie halten sich zu sehr zurück.
Vielleicht fühlen sie sich abhängig von den Einrichtungen.
Manche Fachschulen sind Teil der Lebenshilfe.
Die Lebenshilfe ist ein Verein, der Menschen mit Behinderung hilft.
Sie unterstützt sie beim Wohnen, Arbeiten und in der Freizeit.
Und die Lebenshilfe hat immer Recht.
Die Lebenshilfe entscheidet, was Inklusion ist.
Inklusion bedeutet: Jeder Mensch darf überall mitmachen.
Alle sollen gleich behandelt werden, egal ob mit oder ohne Behinderung.
Dabei haben angehende Fachkräfte noch nie so viel Macht gehabt.
Angehende Fachkräfte sind Menschen, die gerade ihre Ausbildung machen.
Überall werden sie gesucht.
Sie könnten Forderungen stellen.
Nicht nur für mehr Geld.
Wo sind diese jungen Menschen und ihre Lehrer und Mentoren?
Warum sagen sie nichts?
Waren sie bei der Tagung in Kassel?
Eine Tagung ist ein Treffen, bei dem Menschen über wichtige Themen sprechen.
Ich muss Ralph Milewski widersprechen bei der Selbstinszenierung.
Selbstinszenierung bedeutet: Wenn jemand sich selbst besonders darstellt.
Ich bin nämlich ein Selbstdarsteller.
Ich stelle Kolumnen in meinen Status.
Kolumnen sind kurze Texte, in denen jemand seine Meinung schreibt.
Ich werbe für mein Buch.
Das macht manchen Leuten Angst.
Manche loben mich, weil ich mich für Menschen mit Behinderungen einsetze.
Das ist nett, aber nicht richtig!
Ich setze mich nicht für Menschen mit Behinderungen ein.
Ich bin selbst ein Mensch mit Behinderung!
Nicht erst seit ich einen Ausweis habe.
Auch wenn man es nicht sofort sieht.
Seit ich denken kann, finde ich Barrieren.
Barrieren sind Hindernisse, die es schwer machen, etwas zu tun.
Seit ich in der Behindertenhilfe arbeite, werde ich behindert.
Darum fühle ich mich Menschen mit Behinderungen nahe.
Ich bewundere, wie gelassen viele mit den Barrieren umgehen.
Wie sie nicht verbittert werden.
Verbittert bedeutet: sehr enttäuscht und wütend sein.
Besonders bewundere ich Menschen, die in Sondereinrichtungen leben.
Sondereinrichtungen sind besondere Wohnorte für Menschen mit Behinderung.
Die, die nicht in den Werbefilm der Einrichtung passen.
Die, über die man nicht in der Zeitung liest.
Mit diesen Menschen bin ich besonders solidarisch.
Solidarisch bedeutet: Ich halte zu ihnen und unterstütze sie.
Ihr Schicksal ist viel schlimmer als meines.
Und ich fühle mit den Eltern und Angehörigen mit.
Sie müssen die Entscheidung treffen, ihre Kinder in solche Einrichtungen zu geben.
Weil die Politik sie alleine lässt.
Weil sie selbst pflegebedürftig werden.
Pflegebedürftig bedeutet: Man braucht Hilfe im Alltag.
Oder weil der Kampf um Hilfe sie müde macht.
Wie haben sie das so lange durchgehalten?
Das ist kein Gutmenschentum.
Gutmenschentum bedeutet: Wenn jemand nur hilft, um gut dazustehen.
Das ist bereichernd!
Das ist nicht für Menschen mit Behinderungen.
Das ist für mich!
"Seid Menschen" ist die Kernaussage von Margot Friedländer.
Kernaussage bedeutet: Die wichtigste Botschaft.
Sie ist vor kurzem mit 103 Jahren gestorben.
Anscheinend viel zu früh.
Stephan Laux, Mai 2025

Foto: Stephan Laux
Villmar - Weyer (kobinet) Ein schlechter Film braucht immer eine Fortsetzung. Und manche Kolumnen auch. Diese hier widmet Stephan Laux Ralph Milewski und "Tristan". Link zum 1. Teil: hier
… die Schweigepflicht wird hergenommen, um sich nicht kritisch zu äußern. Angehörige unterliegen dieser Schweigepflicht nicht, müssen aber um den Heimplatz fürchten, wenn sie mit Kritik zu forsch auftreten.
Betroffene äußern sich selten, weil sie nicht dazu befähigt werden oder um Privilegien bei der Unterbringung fürchten müssen.
Mir fehlt der Aufschrei in den Fachschulen und Studiengängen. Die halten sich viel zu sehr und für mich auffallend zurück. Vielleicht weil sie sich abhängig von den Einrichtungen fühlen und zum Teil auch sind, weil sie den Trägern der Einrichtungen oft angeschlossen sind. Viele Heilerziehungspflegeschulen gehören zur Lebenshilfe. Und die Lebenshilfe hat immer Recht. Wenn’s die Lebenshilfe gut findet, ist’s Inklusion.
Dabei befanden sich die angehenden Fachkräfte noch nie in so einer privilegierten Situation. Überall werden sie händeringend gesucht und geradezu umworben. Sie könnten Bedingungen stellen. Nicht nur monetäre.
Wo sind diese jungen Menschen und ihre Lehrer*innen und Mentor*innen? Und warum äußern sie sich nicht? Waren sie auf der Mitmachtagung in Kassel?
Was die Selbstinszenierung betrifft, muss ich Ralph Milewski und seinem Kommentar zum 1. Teil der Kolumne widersprechen.
Ich bin nämlich schon ein Selbstdarsteller. Wenn ich meine Kolumnen in meinen whatsup Status stelle oder für mein Buch werbe, dann versetze ich einerseits Leute in Angst und Schrecken. Wohlmeinenderer Menschen loben mich manchmal, weil ich mich so engagiert für Menschen mit Behinderungen einsetze.
Das ist sehr nett, aber stimmt so nicht!
Ich setzte mich nicht für Menschen mit Behinderungen ein. Ich bin selbst einer! Und das nicht erst, seit ich diesen Ausweis mit mir herumschleppe. Auch wenn man es vielleicht nicht auf den ersten Blick wahrnimmt.
Seit ich denken kann, stoße ich auf Barrieren. Seit ich in der Behindertenhilfe tätig bin, werde ich behindert. Wahrscheinlich fühle ich mich deswegen Menschen mit Behinderungen schon immer besonders nahe. Ich bewundere, wie gelassen viele von ihnen mit den Umständen, die ihnen die Gesellschaft in den Weg stellt, umgehen. Wie sie nicht verbittern.
Besonders bewundere ich die Menschen, die in Sondereinrichtungen ihr halbes oder ganzes Leben ausharren. Ich bewundere die, welche nicht in den Imagefilm der Einrichtungen passen. Die, die keine angeblich erfolgreiche Inklusionsstory in den Medien schreiben. Mit denen bin ich besonders solidarisch, auch wenn ihr Schicksal um ein Vielfaches dramatischer ist als meines. Oder vielleicht gerade deswegen!
Und ich fühle mit den Eltern und Angehörigen, die die Entscheidung treffen müssen, ihre Kinder in solche Einrichtungen abzugeben. Weil sie von der Politik alleine gelassen wurden. Weil sie selbst pflegebedürftig werden. Oder weil der Kampf um Unterstützung sie müde und kraftlos gemacht hat. Wie haben sie das all die Jahre durchgehalten?
Das alles hat nichts mit Gutmenschentum zu tun. Das ist bereichernd! Das ist nicht für Menschen mit Behinderungen. Das ist für mich!
„Seid Menschen“ ist die herrlich unakademische Kernaussage von Margot Friedländer, die kürzlich (so tragisch es ist, das so ausdrücken zu müssen) mit 103 Jahren anscheinend viel zu früh verstorben ist.
Stephan Laux, Mai 2025

Foto: Stephan Laux
Villmar - Weyer (kobinet) Ein schlechter Film braucht immer eine Fortsetzung. Und manche Kolumnen auch. Diese hier widmet Stephan Laux Ralph Milewski und "Tristan". Link zum 1. Teil: hier
… die Schweigepflicht wird hergenommen, um sich nicht kritisch zu äußern. Angehörige unterliegen dieser Schweigepflicht nicht, müssen aber um den Heimplatz fürchten, wenn sie mit Kritik zu forsch auftreten.
Betroffene äußern sich selten, weil sie nicht dazu befähigt werden oder um Privilegien bei der Unterbringung fürchten müssen.
Mir fehlt der Aufschrei in den Fachschulen und Studiengängen. Die halten sich viel zu sehr und für mich auffallend zurück. Vielleicht weil sie sich abhängig von den Einrichtungen fühlen und zum Teil auch sind, weil sie den Trägern der Einrichtungen oft angeschlossen sind. Viele Heilerziehungspflegeschulen gehören zur Lebenshilfe. Und die Lebenshilfe hat immer Recht. Wenn’s die Lebenshilfe gut findet, ist’s Inklusion.
Dabei befanden sich die angehenden Fachkräfte noch nie in so einer privilegierten Situation. Überall werden sie händeringend gesucht und geradezu umworben. Sie könnten Bedingungen stellen. Nicht nur monetäre.
Wo sind diese jungen Menschen und ihre Lehrer*innen und Mentor*innen? Und warum äußern sie sich nicht? Waren sie auf der Mitmachtagung in Kassel?
Was die Selbstinszenierung betrifft, muss ich Ralph Milewski und seinem Kommentar zum 1. Teil der Kolumne widersprechen.
Ich bin nämlich schon ein Selbstdarsteller. Wenn ich meine Kolumnen in meinen whatsup Status stelle oder für mein Buch werbe, dann versetze ich einerseits Leute in Angst und Schrecken. Wohlmeinenderer Menschen loben mich manchmal, weil ich mich so engagiert für Menschen mit Behinderungen einsetze.
Das ist sehr nett, aber stimmt so nicht!
Ich setzte mich nicht für Menschen mit Behinderungen ein. Ich bin selbst einer! Und das nicht erst, seit ich diesen Ausweis mit mir herumschleppe. Auch wenn man es vielleicht nicht auf den ersten Blick wahrnimmt.
Seit ich denken kann, stoße ich auf Barrieren. Seit ich in der Behindertenhilfe tätig bin, werde ich behindert. Wahrscheinlich fühle ich mich deswegen Menschen mit Behinderungen schon immer besonders nahe. Ich bewundere, wie gelassen viele von ihnen mit den Umständen, die ihnen die Gesellschaft in den Weg stellt, umgehen. Wie sie nicht verbittern.
Besonders bewundere ich die Menschen, die in Sondereinrichtungen ihr halbes oder ganzes Leben ausharren. Ich bewundere die, welche nicht in den Imagefilm der Einrichtungen passen. Die, die keine angeblich erfolgreiche Inklusionsstory in den Medien schreiben. Mit denen bin ich besonders solidarisch, auch wenn ihr Schicksal um ein Vielfaches dramatischer ist als meines. Oder vielleicht gerade deswegen!
Und ich fühle mit den Eltern und Angehörigen, die die Entscheidung treffen müssen, ihre Kinder in solche Einrichtungen abzugeben. Weil sie von der Politik alleine gelassen wurden. Weil sie selbst pflegebedürftig werden. Oder weil der Kampf um Unterstützung sie müde und kraftlos gemacht hat. Wie haben sie das all die Jahre durchgehalten?
Das alles hat nichts mit Gutmenschentum zu tun. Das ist bereichernd! Das ist nicht für Menschen mit Behinderungen. Das ist für mich!
„Seid Menschen“ ist die herrlich unakademische Kernaussage von Margot Friedländer, die kürzlich (so tragisch es ist, das so ausdrücken zu müssen) mit 103 Jahren anscheinend viel zu früh verstorben ist.
Stephan Laux, Mai 2025