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„Der Depp des Gemetzels“ Selbstdemontage Teil II

Bogenschießen
Stephan Laux beim Bogenschießen
Foto: Stephan Laux

Villmar - Weyer (kobinet) Ein schlechter Film braucht immer eine Fortsetzung. Und manche Kolumnen auch. Diese hier widmet Stephan Laux Ralph Milewski und "Tristan". Link zum 1. Teil: hier

… die Schweigepflicht wird hergenommen, um sich nicht kritisch zu äußern. Angehörige unterliegen dieser Schweigepflicht nicht, müssen aber um den Heimplatz fürchten, wenn sie mit Kritik zu forsch auftreten.

Betroffene äußern sich selten, weil sie nicht dazu befähigt werden oder um Privilegien bei der Unterbringung fürchten müssen.

Mir fehlt der Aufschrei in den Fachschulen und Studiengängen. Die halten sich viel zu sehr und für mich auffallend zurück. Vielleicht weil sie sich abhängig von den Einrichtungen fühlen und zum Teil auch sind, weil sie den Trägern der Einrichtungen oft angeschlossen sind. Viele Heilerziehungspflegeschulen gehören zur Lebenshilfe. Und die Lebenshilfe hat immer Recht. Wenn’s die Lebenshilfe gut findet, ist’s  Inklusion.

Dabei befanden sich die angehenden Fachkräfte noch nie in so einer privilegierten Situation. Überall werden sie händeringend gesucht und geradezu umworben. Sie könnten Bedingungen stellen. Nicht nur monetäre.

Wo sind diese jungen Menschen und ihre Lehrer*innen und Mentor*innen? Und warum äußern sie sich nicht? Waren sie auf der Mitmachtagung in Kassel?

Was die Selbstinszenierung betrifft, muss ich Ralph Milewski und seinem Kommentar zum 1. Teil der Kolumne widersprechen.

Ich bin nämlich schon ein Selbstdarsteller. Wenn ich meine Kolumnen in meinen whatsup Status stelle oder für mein Buch werbe, dann versetze ich einerseits Leute in Angst und Schrecken. Wohlmeinenderer Menschen loben mich manchmal, weil ich mich so engagiert für Menschen mit Behinderungen einsetze.

Das ist sehr nett, aber stimmt so nicht!

Ich setzte mich nicht für Menschen mit Behinderungen ein. Ich bin selbst einer! Und das nicht erst, seit ich diesen Ausweis mit mir herumschleppe. Auch wenn man es vielleicht nicht auf den ersten Blick wahrnimmt.

Seit ich denken kann, stoße ich auf Barrieren. Seit ich in der Behindertenhilfe tätig bin, werde ich behindert. Wahrscheinlich fühle ich mich deswegen Menschen mit Behinderungen schon immer besonders nahe. Ich bewundere, wie gelassen viele von ihnen mit den Umständen, die ihnen die Gesellschaft in den Weg stellt, umgehen. Wie sie nicht verbittern.

Besonders bewundere ich die Menschen, die in Sondereinrichtungen ihr halbes oder ganzes Leben ausharren. Ich bewundere die, welche nicht in den Imagefilm der Einrichtungen passen.  Die, die keine angeblich erfolgreiche Inklusionsstory in den Medien schreiben.  Mit denen bin ich besonders solidarisch, auch wenn ihr Schicksal um ein Vielfaches dramatischer ist als meines. Oder vielleicht gerade deswegen!

Und ich fühle mit den Eltern und Angehörigen, die die Entscheidung treffen müssen, ihre Kinder in solche Einrichtungen abzugeben. Weil sie von der Politik alleine gelassen wurden. Weil sie selbst pflegebedürftig werden. Oder weil der Kampf um Unterstützung sie müde und kraftlos gemacht hat. Wie haben sie das all die Jahre durchgehalten?

Das alles hat nichts mit Gutmenschentum zu tun. Das ist bereichernd! Das ist nicht für Menschen mit Behinderungen. Das ist für mich!

„Seid Menschen“ ist die herrlich unakademische Kernaussage von Margot Friedländer, die kürzlich (so tragisch es ist, das so ausdrücken zu müssen) mit 103 Jahren anscheinend viel zu früh verstorben ist.

Stephan Laux,  Mai 2025