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Ideologie der Aussonderung feiert überall ein Comeback und viele verdienen daran

Hubert Hüppe
Hubert Hüppe
Foto: Hubert Hüppe

Berlin (kobinet) "Die Ideologie der Aussonderung feiert überall ein Comeback und viele verdienen daran." So bringt Hubert Hüppe seine Enttäuschung über die Entwicklung der Behindertenpolitik der letzten Jahre auf den Punkt. Nachdem die katholische Zeitung Die Tagespost am 27. März 2025 über das Wirken von Hubert Hüppe während seiner Zeit im Bundestag berichtet hatte, befragte der Redakteur der kobinet-nachrichten, Ottmar Miles-Paul, Hubert Hüppe zu seinem behindertenpolitischen Wirken der letzten Jahrzehnte. Für den nun aus dem Bundestag ausgeschiedenen CDU-Politiker ergibt sich daraus eine eher ernüchternde Bilanz, er berichtet aber auch über zwischenzeitliche Highlights.

kobinet-nachrichten: Viele Jahre behindertenpolitischer Einsatz als Bundestagsabgeordneter und eine Legislatur lang Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, was bleibt von dieser Zeit, nun da der sogenannte Ruhestand ansteht?

Hubert Hüppe: Ehrlich gesagt, bleibt auch viel Enttäuschung. Ich habe mehr als zwei Jahrzehnte Politik für Menschen mit Behinderungen gemacht. Zunächst hatte ich das Gefühl, dass sich etwas bewegt. Das Thema Inklusion war überall gegenwärtig. Viele Initiativen entstanden, einige Bundesländer machten ihre Schulen inklusiver, Sonderschulen, die euphemistisch „Förderschulen“ genannt werden, wurden geschlossen, das persönliche Budget wurde eingeführt – auch Werkstätten und große Wohneinrichtungen wurden zurückgeführt. An der UN- Behindertenrechtskonvention kam kaum jemand vorbei.

Dann schlugen die Strukturen zurück. Werkstätten werden plötzlich „Bestandteil des inklusiven Arbeitsmarktes“ genannt, Sonderschulen werden neu gebaut, Inklusion in der Schule wird fast zum Schimpfwort, und jetzt sollen auch noch Mittel der Ausgleichsabgabe statt für die Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt wieder für Investitionen in Sondereinrichtungen benutzt werden. Das macht mich traurig und wütend.

Ich sehe aber auch kaum jemanden im Bundestag und auch nicht in den Länderparlamenten, der oder die echte inklusive Teilhabe voranbringt.

kobinet-nachrichten: Was waren Highlights für Sie und was war gar nicht gut in dieser Zeit?

Hubert Hüppe: Meine Zeit als Behindertenbeauftragter war mein persönliches Highlight und die beste Zeit in meinem politischen Leben. Ich konnte in den wenigen Jahren einiges voranbringen. Dazu gehörte, dass die Contergan-Opfer endlich angemessen entschädigt wurden, dass die staatliche Koordinierungsstelle mehrheitlich mit Menschen mit Behinderungen besetzt wurde und nicht mit Trägerorganisationen, und das am Tag für die Opfer des Nationalsozialismus auch angemessen den Menschen mit Behinderungen gedacht wird, die im übrigen die ersten Opfer der Nazis waren, die systematisch ermordet wurden. Ansonsten war ich schon froh, wenn ich Schlimmere verhindern konnte.

Nicht gut waren und sind die Dinge, die ich in der ersten Frage erwähnt habe. Schlimm finde ich auch, dass Menschen mit Behinderungen immer noch nicht angemessen bei Gesetzen und politischen Entscheidungen beteiligt werden. Vor kurzem war ich bei mir im Kreistag der einzige, der gegen den Neubau einer Sonderschule, dessen Kosten ich auf 50 Millionen schätze, gestimmt hat. Alle von allen Fraktionen, auch meiner, haben dafür gestimmt. Die Ideologie der Aussonderung feiert überall ein Comeback und viele verdienen daran.

kobinet-nachrichten: Und jetzt, was steht für Sie nun an? Werden Sie weiterhin behindertenpolitisch aktiv sein?

Hubert Hüppe: Na klar, ohne Mandat wird mein Einfluss jedoch rasch sinken. Aber vielleicht gibt es auch andere Möglichkeiten. Das Thema wird mich sicher nicht loslassen. Ich bin auch weiterhin in Organisationen, die sich für Inklusion einsetzen, wie zum Beispiel „Gemeinsam leben- gemeinsam lernen“ aktiv. Aufgeben werde ich trotz aller negativen Erlebnisse auf jeden Fall nicht.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

Link zum Beitrag über Hupert Hüppe in der Tagespost vom 27. März 2025

Lesermeinungen

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Arnd Hellinger
01.04.2025 01:14

Sorry, aber seit Hubert Hüppes Zustimmung zu den AfD-CDU-Anträgen im Bundestag zur Migrationspolitik im Januar 2025 sowie seiner Mitzeichnung der Schuldenbremsen-Klage in 2022 kann ich ihn als Vorkämpfer für Inklusion nicht mehr ernst nehmen. Die umfasst nämlich nicht nur Menschen mit Behinderung oder Assistenz-/Förderbedarfen, sondern in gleicher Weise auch solche mit Fluchtgeschichte, Migrationshintergrund…

Wir sollten wirklich aufpassen, mit wem wir uns da verbünden oder vor wessen Karren wir uns spannen lassen.

Martin
Antwort auf  Arnd Hellinger
01.04.2025 22:04

Lieber Arnd Hellinger bist du dir dann sicher dass hubert hüppe seinerzeit tatsächlich auch mitgestimmt hat. Das sollte vielleicht noch einmal etwa durch Einsicht in die bundestagsprotokolle oder auf Anfrage recherchiert werden bevor man eine solche deutliche Kritik äußert. Herzliche und solidarische Grüße von Martin Theben aus Berlin

Martin
Antwort auf  Martin
01.04.2025 22:22

https://kobinet-nachrichten.org/2025/01/30/wer-hat-mit-der-afd-gestimmt/

Ergo Arnd Hellinger hatte Recht lieber Martin Theben auch für sie gilt also erst recherchieren dann posten…

In Demut

Martin Theben

Arnd Hellinger
Antwort auf  Martin
02.04.2025 16:01

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

nachdem ich irgendwann – mittlerweile über 20 Jahre her – sowohl Jura als auch Publizistik (Medienwissenschaften) studieren durfte, sind mir Presse- und Persönlichkeitsrecht dahingehend jetzt nicht so gänzlich unbekannt. Das „Schöne“ an Namentlichen Abstimmungen im Deutschen Bundestag besteht indes gerade darin, dass – so auch vorliegend geschehen – in aller Regel jeweils am Tag nach einer solchen auf https://www.bundestag.de/ mit wenigen Mausklicks das Abstimmungsverhalten einer/eines jeden Abgeordneten eindeutig nachvollzogen werden kann. Ebenso pflegt das BVerfG bei Veröffentlichung von Entscheidungen, sofern dieselben auf Beschwerden von Bundestagsfraktionen zurückgehen, die Namen der einzelnen Unterzeichnenden im Klartext zu nennen, was vorliegend ebenfalls geschehen ist.

Mithin gehe ich davon aus, meinen Sorgfaltspflichten hier mehr als hinreichend genügt zu haben und sehe daher auch etwaigen Rügen eines – mittlerweile ja ehemaligen – Volksvertreters Hubert Hüppe mit maximaler Gelassenheit entgegen.

In aufrichtiger Ehrerbietung aus Berlin-Karlshorst verbleibe ich einstweilen

mit freundlichen Grüßen
Arnd Hellinger

Martin
Antwort auf  Arnd Hellinger
02.04.2025 21:38

So so Berlin karlshorst lieber Arnd… Dann kann ich nur sagen hallo Nachbar 😉