Menu Close

Bezirk Oberbayern fördert Bauprojekte für behinderte Menschen mit 1,2 Millionen Euro

50 Euro-Scheine aufgefächert auf dem Tisch liegend in Draufsicht. schwarz-weiß Foto
Geld für Exklusion
Foto: Ralph Milewski

München (kobinet) Der Sozial- und Gesundheitsausschuss des Bezirks Oberbayern hat am 27. März 2025 die finanzielle Unterstützung von insgesamt drei Bauprojekten in den Landkreisen Ebersberg und Landsberg beschlossen, die Menschen mit Behinderungen zugutekommen, wie es in einer Presseinformation des Bezirks Oberbayern heißt. Die Förderung erfolgt demnach über ein Kreditmodell: Die Träger nehmen Darlehen auf, deren Tilgung und Zinsen der Bezirk übernimmt, indem sie in die verhandelten Entgelte einfließen. Insgesamt stellt der Bezirk 1,2 Millionen Euro zur Verfügung.

„Mit diesen Bauprojekten helfen wir mit, eine inklusive Wohn- und Betreuungslandschaft zu schaffen, die Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen berücksichtigt“, erklärte Bezirkstagspräsident Thomas Schwarzenberger: „So ermöglichen wir den Betroffenen ein Leben in der Gemeinschaft und geben ihnen die Unterstützung, die sie brauchen.“

Wohnheim und Tagesbetreuung in Grafing

„In Grafing (Landkreis Ebersberg) wird der Einrichtungsverband Steinhöring gleich zwei wichtige Projekte umsetzen. In der Nettelkoferstraße entsteht ein Wohnheim mit 24 Plätzen für Menschen mit Behinderung, das moderne Wohnformen und eine bedarfsgerechte Betreuung bietet. Neben klassischen Wohnplätzen gibt es speziell gestaltete Bereiche für Menschen, die nicht in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten können. Dies fördert der Bezirk mit 682.500 Euro. Ergänzend wird im selben Gebäude eine Tagesbetreuung für 14 ältere Menschen mit Behinderung eingerichtet. Dieses Angebot richtet sich vor allem an Personen, die bislang in ambulant betreuten Wohngemeinschaften oder bei ihren Familien leben. Es stellt sicher, dass auch nach dem Erwerbsleben eine sinnvolle Tagesstruktur erhalten bleibt. Hier stellt der Bezirk 84.800 Euro zur Verfügung“, heißt es vonseiten des Bezirks Oberbayern.

Ersatz- und Erweiterungsbau in Eresing
Auch im Landkreis Landsberg am Lech wird nach Informationen des Bezirks Oberbayern „ein wichtiges Bauvorhaben“ unterstützt: „Das Wohnheim Johannes in Eresing (Am Mittelfeld) wird durch einen Neubau ersetzt und erweitert. Der moderne Bau wird künftig 16 Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf Platz bieten. Die Bewohnerinnen und Bewohner erhalten dort nicht nur Wohnraum, sondern auch eine individuell angepasste Tagesstruktur. Der Bezirk beteiligt sich am Bauvorhaben mit knapp 439.000 Euro.“

Die beschlossene Förderung von insgesamt 1,2 Millionen Euro erfolgt über ein Kreditmodell. Dabei nehmen die Träger Kredite auf, deren Tilgung plus Zinsen der Bezirk übernimmt, indem sie in die Entgelte einfließen. Dies ermögliche langfristige Investitionen in die soziale Infrastruktur Oberbayerns, teilte der Bezirk Oberbayern mit.

Lesermeinungen

Bitte beachten Sie unsere Regeln in der Netiquette, unsere Nutzungsbestimmungen und unsere Datenschutzhinweise.

Sie müssen angemeldet sein, um eine Lesermeinung verfassen zu können. Sie können sich mit einem bereits existierenden Disqus-, Facebook-, Google-, Twitter-, Microsoft- oder Youtube-Account schnell und einfach anmelden. Oder Sie registrieren sich bei uns, dazu können Sie folgende Anleitung lesen: Link
1 Lesermeinung
Neueste
Älteste
Inline Feedbacks
Alle Lesermeinungen ansehen
Ralph Milewski
28.03.2025 13:21

In Grafing entsteht ein neues Wohnheim mit Tagesstruktur, in Eresing wird ein bestehendes Heim ersetzt und erweitert. Was dabei fehlt, ist nicht nur eine selbstkritische Reflexion über die strukturellen Schwächen solcher Einrichtungen – es fehlt jeder Bezug zu den menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands aus der UN-Behindertenrechtskonvention. Diese fordert ein Leben inmitten der Gesellschaft – nicht in betreuten Sonderstrukturen.

Bereits im Februar habe ich in meinem Artikel „Inklusion als Selbstbedienungsladen?“ gezeigt, wie eng Wohlfahrtsverbände wie die Lebenshilfe Bayern mit der bayerischen Förderpolitik verflochten sind – und wie stark das bestehende System davon profitiert, Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen zu halten, statt ihnen echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Werkstätten, Förderschulen, Wohnheime: Sie sind nicht die Ausnahmen – sie sind das System. Finanziell privilegiert, politisch geschützt, rhetorisch aufgewertet.

Die nun geförderten Bauprojekte sind keine Reaktion auf die UN-BRK – sie sind ein Ausweichen vor ihr. Sie schaffen keine Inklusion, sondern eine professionell betreute Form von Exklusion mit sozialverträglicher Außendarstellung.

Ich habe es in einem anderen Beitrag so formuliert: Wir leben nicht in einer inklusiven Gesellschaft, sondern in einer „Disney World der Inklusion“. Menschen mit Behinderungen dürfen teilhaben – aber nur in eigens dafür eingerichteten Erlebnisräumen, die für sie gemacht sind, nicht mit ihnen gemeinsam. Wohnheime, „inklusive“ Freizeitgruppen, betreute Tagesstätten – das sind inszenierte Räume, die die Gesellschaft nicht verändern, sondern ihre Abgrenzung stabilisieren.

Der offene Brief vom 20. März, unterzeichnet u. a. von Holger Kiesel, LAG Selbsthilfe Bayern und weiteren Verbänden, warnte deutlich vor den strukturellen Fehlentwicklungen in Bayern: Missachtung des Wunsch- und Wahlrechts, Deckelung beim Persönlichen Budget, unzureichende personenzentrierte Leistungen. Die jetzige Förderung zeigt: Die Probleme bestehen weiter – und während über Einsparungen bei individuellen Hilfen diskutiert wird, werden institutionelle Sondersysteme weiter finanziell ausgebaut.

Wer heute Inklusion wirklich fördern will, muss in Unterstützungsformen investieren, die Menschen mit Behinderung in Wohnungen, Nachbarschaften, auf dem Arbeitsmarkt sichtbar und wirksam werden lassen. Stattdessen wird weiter in ein exklusives Betreuungssystem gebaut – mit bekannten Profiteuren: Träger, Bauherren, Verwaltung, Politik. Die Betroffenen hingegen verlieren: ihre Selbstbestimmung, ihre Wahlfreiheit, ihr Recht auf ein Leben unter uns.

Solange neue Heime als „inklusiv“ bezeichnet werden, bleibt echte Inklusion Illusion.
Denn sie beginnt nicht beim Spatenstich – sondern bei der Bereitschaft, Kontrolle abzugeben. Und davon ist Bayern derzeit weit entfernt.