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Bundestag beschloss Antrag zur Aufarbeitung der „Euthanasie“ und der Zwangssterilisationen

Bundesadler im Plenarsall
Bundestag Adler
Foto: Irina Tischer

Berlin (kobinet) Es war schon spät, als am Abend des 29. Januar 2025 der Tagesordnungspunkt 14 mit dem Titel "Opfer von NS-'Euthanasie' und Zwangssterilisation gegen 22:10 Uhr aufgerufen wurde. Und spät ist es auch, dass ein Bundestagsbeschluss zur Aufarbeitung der "Euthanasie" und der Zwangssterilisationen während der nationalsozialistischen Diktatur erst 80 Jahre nach den Greueltaten und Morden an behinderten Menschen angepackt wurde. Dies wurde in der Diskussion im Bundestag auch deutlich. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, der in der Debatte ebenfalls das Wort ergriff, forderte die politisch Verantwortlichen auf, dem einstimmig beschlossenen Antrag nun auch entsprechende Haushaltsmittel folgen zu lassen.

Die Aufarbeitung der „Euthanasie“ und der Zwangssterilisationen während der nationalsozialistischen Diktatur soll intensiviert werden. Das hat der Deutsche Bundestag auf der Grundlage des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP eingebrachten Antrags (20/11945) und der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (20/12415) am 29. Januar 2025 einstimmig beschlossen.

„SPD, Union, Grüne und FDP fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, ein Projekt zu initiieren, um bundesweit Patientenakten und Personalunterlagen der Täter zu lokalisieren, zu sichern und zu konservieren, um sie für Forschung, Bildung und Anfragen nutzbar zu machen. Das Projekt soll unter der Beteiligung der Gedenkstätten an den Orten ehemaliger ‚Euthanasie‘-Tötungsanstalten, des Instituts für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin an der Berliner Charité, den Verbänden von Menschen mit Behinderungen sowie geeigneten Vertretern der Disability Studies durchgeführt werden. Zudem soll eine nationale Fachtagung durchgeführt werden. Darüber hinaus fordern die vier Fraktionen die Bundesregierung auf, die Gedenkstätten an den Orten der ehemaligen ‚T4‘-Tötungsanstalten auch in Zukunft nachhaltig zu unterstützen, um die bauliche Substanz vor Ort zu erhalten und um die zunehmenden Herausforderungen bei der Aufarbeitung von Archivmaterialien und den zu leistenden Beratungsaufgaben bewältigen zu können. Die nationalsozialistischen ‚Euthanasie‘-Morde an schätzungsweise 300.000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen sowie die aufgrund des 1934 in Kraft getretenen ‚Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘ an etwa 400.000 Menschen durchgeführten Zwangssterilisationen seien Ausdruck der menschenverachtenden rassistischen nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, heißt es im Antrag. Diese Menschen seien als Verfolgte des NS-Regimes anzuerkennen“, heißt es auf der Internetseite des Bundestags.

Link zu den Redebeiträgen in der knapp 45minütigen Debatte und weiteren Infos zum beschlossenen Antrag

„Jedes Jahr gedenken wir aufs Neue der systematischen Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen durch die Nationalsozialisten. Dieses Jahr umso mehr, als sich das Ende der Nazi-Diktatur zum mittlerweile 80. Mal jährt. Auch wenn die Jahre ins Land schreiten: Die Erinnerung an die Stigmatisierung von Behinderten als ‚lebensunwert‘, die Zwangssterilisationen und die systematische Massenermordung darf niemals verblassen“, teilte Wilfried Oellers von der CDU mit, der darauf hinweist, dass mit dem beschlossenen Antrag auch die Opfer der NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisationen als Verfolgte des Nazi-Regimes anerkennt. „Es geht aber nicht nur um die Erinnerung, sondern auch um die Lehren für die Gegenwart und die Zukunft. Menschenverachtendes und diskriminierendes Handeln und Reden darf niemals salonfähig werden. Verachtung ist schlimm, aber Nichtbeachtung ist auch nicht gut. Inklusion beginnt im Kopf. Bei allem Positiven, was wir schon erreicht haben, gilt es weiter, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen mitzudenken und vor allem auch umzusetzen. Menschen mit Behinderungen müssen dabei als aktive Akteure einbezogen werden. Dies muss auch Handlungsmaxime für die Inklusionspolitik nach der Bundestagsneuwahl sein.“