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Das Recht auf Arbeit und der steinige Weg dorthin

Bild zeigt junge Frau, die jubelnd die Arme hochreißt
Bild zeigt junge Frau, die jubelnd die Arme hochreißt
Foto: Claudia Heizmann

Hollenbach (kobinet) Seit 2014 befand sich Sarah Heizmann in einem Kampf um einen geförderten Arbeitsplatz. Frau Heizmann ist behindert. Ihre Chancen, auf dem ersten Arbeitsmarkt ohne Förderung Fuß fassen zu können, sind überschaubar. In den Wechselbeziehungen zwischen Agentur für Arbeit, der Eingliederungshilfe der Kommune und dem Integrationsfachdienst des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg sowie des ärztlichen Dienstes lagen zahlreiche Fallstricke. Sie mussten von der Antragstellerin einzeln abgearbeitet werden und diese führte immer mal wieder in Sackgassen.

Wiederholte Begutachtungen brachten keine neuen Erkenntnisse, kosteten jedoch viel Zeit. Erst im Sommer 2023 kam die Zusage, dass die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen des SGB IX bewilligt seien. Nun hat sie einen sicheren Arbeitsplatz in der heilpädagogischen Praxis ihrer Mutter.

Link zum kompletten Erfahrungsbericht
Link zur Internetseite von Sarah Heizmann

Der immerwährende Zwang zur Odyssee durch mitbestimmende Institutionen

Kommentar von kobinet-Redakteur Gerhard Bartz

  • Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. (Art. 1 Absatz 3 GG)
  • Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. (Art.3, Abs.3, Satz 2 GG)

Ist Papier wirklich so geduldig, dass es das alles aushält? Hält sich der Gesetzgeber an das Grundgesetz? Im Themenkreis Behinderung ganz sicher nicht. Die Gesetze ignorieren noch immer den Artikel 3 GG und auch die seit 2009 in Deutschland im Range eines Gesetzes stehende Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Das Risiko ist überschaubar. Selbst wenn es zu einem Urteil kommen sollte, sind es immer wieder Einzelfallentscheidungen. Auch höchstrichterliche Entscheidungen werden von nachgeordneten Gerichten immer mal wieder einkassiert. Oft wird man bereits vor dem Gericht zur Aufgabe gezwungen. Denn Anwälte kosten viel Geld, das Verfahren viel Zeit. Beides ist nicht unbedingt verfügbar.

Bei Verstößen gegen die Behindertenrechtskonvention holt man sich alle paar Jahre in Genf einen Rüffel ab und hat dann wieder ein paar Jahre Ruhe.

Die vollziehende Gewalt nimmt diese Bezeichnung allzuoft wörtlich. Selbst Leistungen, auf die man für alle erkennbar gesetzlichen Anspruch hat, werden bestenfalls „gewährt“. Das soll behinderte Menschen immer wieder daran erinnern, dass es eine Wohltat ist, was man ihnen angedeihen lässt. Aber oft wird jedoch noch nicht einmal gewährt. Offensichtlich begründete Ansprüche werden angezweifelt. Leistungen werden verweigert oder rigoros zusammengestrichen. Begünstigt von einer Gesetzgebung, die den Kostenträgern weitgehende Ermessensspielräume zubilligt, dauert eine Entscheidung wie die obige bei Frau Heizmann eben Jahre.

Es existiert eine bislang noch nicht widerlegte Vermutung, dass von jedem Euro im Bereich der Hilfe für Menschen mit Behinderung nur 10 Cent bei diesen Menschen ankommen. Der Rest versickert auf der Strecke. Legionen von Menschen vieler Berufsgruppen verdienen ihre Brötchen damit, dass sie verhindern, dass auch nur ein Euro zu viel an Leistungen gewährt wird.

Und so bleiben Menschen auch nach Jahrzehnten in einer Position, die sie längst hinter sich gelassen haben sollten. Abhängig von Institutionen und Schweißausbrüche bekommend, wenn ein Brief des Kostenträgers auftaucht. Und somit weit entfernt von der Position, die ihnen die Verfassung einräumt.

Aber was sind schon Grundrechte? Unmittelbar geltendes Recht!