Berlin (kobinet) "Außer Spesen nichts gewesen?" Dieser Frage ging kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul am 26. Juni anlässich der Marke von 200 Tagen rot-grün-gelber Regierungskoalition in seinem Kommentar für die kobinet-nachrichten zur Behindertenpolitik nach. Bei verschiedenen Akteur*innen nachgefragt, kam nun auch ein Statement von Sören Pellmann, dem Sprecher für Inklusion und Teilhabe der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zu seiner Einschätzung der ersten 200 Tage. "Was macht eigentlich die Ampel?" Dies fragt sich Sören Pellmann und blickt unter anderem kritisch auf die Entwicklungen in Sachen Gesetzgebung zur Triage.
„Während der Koalitionsvertrag noch verheißungsvoll einen Aufbruch suggerierte, fragen sich viele Menschen mit Behinderungen, was macht die Ampel da gerade eigentlich? Als Oppositionspartei können wir natürlich nicht sagen, was das Konzept der Ampel-Regierung ist. Wir können aber feststellen, dass sich für Menschen mit Behinderungen fast nichts verändert hat. Hätte man den Wechsel vom Kabinett Merkel zum Kabinett Scholz verschlafen, dann wäre es zumindest im Regierungshandeln kaum aufgefallen“, so das Resümee von Sören Pellmann.
„Wie bereits von mir im Mai festgestellt, ist die Anzahl der ernstzunehmenden Gesetzesinitiativen im Rahmen der Vorhabenplanung der Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen äußerst überschaubar. Erst im Herbst möchte die Regierung die neue Stufe der Ausgleichsabgabe für ‚Nullbeschäftiger‘ angehen. Lediglich beim Thema ‚Triage‘ will die Bundesregierung zeitnah handeln. Allerdings hat die Ampel gerade bei diesem sensiblen Thema bewiesen, wie egal ihr die Betroffenen zu sein scheinen. Da helfen auch beschwichtigende Worte verschiedener Ampelvertreter*innen nichts, wenn Beteiligung nur aufgrund LINKEN Protests besser schlecht als gar nicht im Vorfeld initiiert wird oder gar Lösungen wie eine ‚Ex-Post-Triage‘ kurzfristig in den Gesetzentwurf des Gesundheitsministers Lauterbach von Justizminister Dr. Marco Buschmann hineingearbeitet werden. Der Aufschrei aller Betroffenen und darüber hinaus war riesig – und das war gut so! Dass dieser Ansatz überhaupt verfolgt wurde, wirft einige menschenrechtliche Fragen auf und sorgte nachvollziehbar für Angst unter den Betroffenen. Daher ist es gut, dass dieser Ansatz zügig kassiert wurde. Der nun veröffentlichte Entwurf zur Triage ist jedoch wieder stark medizinisch geprägt und geht nicht ausreichend auf die menschenrechtliche, bzw. ethische Perspektive ein. Nur weil mehrere Mediziner*innen in die Entscheidung einbezogen werden, wird noch lange keine Diskriminierung verhindert. Da helfen auch weiche Apelle im Gesetzestext wenig“, so die Einschätzung von Sören Pellmann in Sachen Triage-Gesetzgebung.
Parallel habe die Linksfraktion eine deutliche Verbesserung der Partizipation von Menschen mit Behinderungen und deren Selbstvertretungsorganisationen und Verbände in Form eines Antrages im Bundestag eingefordert. Dass hier erheblicher Nachholbedarf herrsche, wisse DIE LINKE schon seit Jahren. „Während unsere Vorstöße früher zumindest vom Gelb-Grünen Teil der Ampel noch gelobt wurden, werden diese nun im solidarischen Regierungsmiteinander mit dem Verweis auf mögliche Vorhaben weggestimmt. Wenn denn nur diese Vorhaben irgendwann auch mal das Licht der Welt erblicken würden. Sollte die Ampel die Themen Inklusion und Teilhabe weiterhin im Schneckentempo bearbeiten, dann wird sich auch 2025 wenig zum Besseren verändert haben. Es ist daher wichtig, dass die Regierung weiterhin Druck von der LINKEN Opposition als auch von den Aktivist*innen auf der Straße erhält – sonst sind es vier weitere verlorene Jahre“, ist Sören Pellmann überzeugt.
Link zum Statement von Jens Beeck vom 29. Juni 2022 zu 200 Tage rot-grün-gelb
Link zum Statement von Hubert Hüppe vom 6. Juli 2022 zu 200 Tage rot-grün-gelb