Staufen (kobinet)
Greta Thunberg und "Fridays for Future" sind nicht stark genug.
Greta Thunberg ist eine junge Klima-Aktivistin aus Schweden.
"Fridays for Future" ist eine Bewegung von jungen Menschen, die freitags für mehr Klima-Schutz demonstrieren.
Früher sah das anders aus.
Greta hat vor wichtigen Leuten gesprochen.
Diese Leute haben viel Macht auf der Welt.
Greta war sehr wütend.
Sie hat gesagt: "Wie könnt ihr es wagen?"
Damals gab es Hoffnung.
Viele junge Menschen sind für das Klima auf die Straße gegangen.
Es schien so: Die Welt kann sich ändern.
Aber jetzt ist es anders.
Jetzt sind gefährliche Menschen an der Macht.
Diese Menschen sind wie Faschisten.
Faschisten sind Menschen, die andere unterdrücken und bestimmen wollen, wer wertvoll ist und wer nicht.
Sie wollen nur Geld und Macht.
Die normalen Menschen können sich nicht wehren.
Zwei Frauen haben einen wichtigen Text geschrieben.
Sie heißen Naomi Klein und Astra Taylor.
Sie schreiben über gefährliche Menschen.
Diese Menschen sind sehr reich.
Sie wollen die Welt beherrschen.
Sie denken nur an sich selbst.
Die reichen Leute haben einen Plan.
Sie nennen ihn "Exit".
"Exit" ist ein englisches Wort und bedeutet "Ausgang" oder "Ausstieg".
Das bedeutet: Sie wollen weg von allen Regeln.
Sie wollen keine Steuern zahlen.
Sie wollen ihre eigenen Länder machen.
Dort sollen nur sie das Sagen haben.
Normale Menschen sollen dort arbeiten.
Aber sie sollen keine Rechte haben.
Diese reichen Leute denken so:
Die Welt wird bald kaputt gehen.
Dann wollen sie in sicheren Gebieten leben.
Nur sie und ihre Familien sollen überleben.
Alle anderen Menschen sind ihnen egal.
Sie machen die Welt sogar noch kaputter.
Donald Trump hilft diesen reichen Leuten.
Auch andere Politiker helfen ihnen.
Sie alle denken ähnlich.
Sie wollen nur bestimmte Menschen beschützen.
Andere Menschen sollen weg oder sterben.
Diese gefährlichen Menschen nehmen sich alles.
Sie nehmen das Land.
Sie nehmen das Wasser.
Sie nehmen die Energie.
Sie sagen: Wir sind die Guten.
Alle anderen sind schlecht.
Der Autor fragt sich:
Ist unser Leben jetzt noch gut?
Oder wird alles noch schlimmer?
Er sagt: Wir müssen die Wahrheit sehen.
Diese Faschisten sind sehr gefährlich.
Sie sind anders als früher.
Manche Menschen wollen kämpfen.
Sie wollen Gewalt benutzen.
Ein Bekannter schreibt dem Autor:
Ich will alle bösen Menschen in einen Sack stecken.
Dann will ich auf den Sack schlagen.
Putin soll in den Sack.
Auch andere böse Menschen.
Der Autor sagt: Das ist nicht richtig.
Gewalt hilft nicht.
Auch die Autorinnen Klein und Taylor sagen das.
Sie sagen: Wir müssen anders kämpfen.
Wir müssen mit Liebe kämpfen.
Wir müssen uns um alle Menschen kümmern.
Das klingt vielleicht komisch.
Aber es ist wichtig.
Der Autor erklärt das so:
Wir müssen zusammen sein.
Wir müssen uns gegenseitig helfen.
Wir müssen an einem Ort sein.
Nicht nur am Computer.
Sondern wirklich zusammen.
Klein und Taylor haben eine alte Idee aufgegriffen.
Die Idee heißt "Hiersein".
"Hiersein" bedeutet, dass man nicht flieht, sondern an einem Ort bleibt und für seine Rechte kämpft.
Das kommt aus dem Jüdischen.
Es bedeutet: Wir bleiben hier.
Wir kämpfen für Freiheit.
Wir lassen uns nicht vertreiben.
Die Autorinnen sagen:
Alle Menschen haben das Recht zu leben.
Egal wo auf der Welt.
Auch wenn der Planet krank ist.
Auch wenn unsere Körper schwach sind.
Wir gehören alle zusammen.
Wir müssen uns gegenseitig helfen.
Der Autor lebt sehr einsam.
Er kann nicht mehr sehen.
Er kann seine Wohnung nicht verlassen.
Er hat nur wenige Kontakte.
Er schreibt E-Mails.
Er telefoniert manchmal.
Aber er ist sehr allein.
Für ihn sind "Zusammensein" und "Hiersein" nur Ideen.
Er kann sie nicht richtig erleben.
Er kann nur die Gegenstände in seiner Wohnung berühren.
Er kann die Kirchenglocken hören.
Er kann die Stimme seiner Partnerin hören.
Er kann die Sonne im Gesicht spüren.
Das ist seine ganze Welt.

Foto: Hubertus Thomasius
Staufen (kobinet) Greta Thunberg und "Fridays for Future" sind nicht dieser Knüppel. Was auf dem Höhepunkt dieses globalen Jugendprotests noch anders aussah. Als Greta am Rednerpult der Vereinten Nationen den Mächtigen dieser Welt – darunter bereits einige der finsteren Fürsten des heraufziehenden Endzeitfaschismus – ihr zorniges "how can you dare" entgegenschleuderte. Heute im Rückblick erscheint es, wie wenn damals für kurze Zeit das Potential einer weltweiten Bewegung aufleuchtete, um planetaren Bedrohungen wie gegenwärtig der des Endzeitfaschismus Paroli zu bieten. Nun, da es knüppeldick kommt, steht die Menschheit, stehen die "ninety nine percent", wehrlos der neuen Herrenrasse gegenüber, die den Planeten zu ihrer Goldgrube macht und seine entrechteten Bewohner zu Frondienst und Sklavenarbeit heranzieht.
„Die herrschende Ideologie der extremen Rechten hat sich zu einem monströsen rassistischen Überlebenskampf entwickelt. Unsere Aufgabe ist es, eine Bewegung aufzubauen, die stark genug ist, um sie zu stoppen.“ Mit diesem programmatischen Aufruf beginnen Naomi Klein und Astra Taylor ihren Essay „Der Aufstieg des Endzeitfaschismus“, kürzlich veröffentlicht in der englischen Wochenzeitung „The Guardian“. Der Name Naomi Klein wird einigen noch geläufig sein, durch ihren Bestseller „No Logo“ wurde sie im Jahr 2000 als Globalisierungskritikerin international bekannt. Nun ihr erneuter Alarmruf von ungleich größerer Brisanz.
„Exit“, nennt die Schar durchgeknallter libertärer Tech-Milliardäre ihr Vorhaben: “ Das Prinzip, dass Wohlhabende das Recht haben, sich den Pflichten der Staatsbürgerschaft, insbesondere Steuern und belastenden Regulierungen, zu entziehen. Indem sie die alten Ambitionen und Privilegien von Imperien umgestalten und neu interpretieren, träumen sie davon, Regierungen lahmzulegen und die Welt in hyperkapitalistische, demokratiefreie Oasen unter der alleinigen Kontrolle der Superreichen aufzuteilen. Geschützt von privaten Söldnern, bedient von KI-Robotern und finanziert durch Kryptowährungen.“
Noch ein Schocker gefällig? Hier eine weitere Passage: Die Propagandisten der „Vision von souveränen Territorien, die von milliardenschweren Gottkönigen regiert werden“, sie „sehen eine Zukunft voller Schocks, Knappheit und Zusammenbruch voraus. Ihre hoch technologisierten Privatgebiete sind im Grunde befestigte Rettungskapseln, die nur wenigen Auserwählten jeden erdenklichen Luxus und jede Möglichkeit zur menschlichen Optimierung bieten und ihnen und ihren Kindern in einer zunehmend barbarischen Zukunft einen Vorteil verschaffen. Kurz gesagt, die Mächtigsten der Welt bereiten sich auf das Ende der Welt vor, ein Ende, das sie selbst rasend beschleunigen.“
Und in Trumps fascist regime haben sie jetzt einen Verbündeten gefunden. Sowie weitere Alliierte in den faschistoiden staatlichen Autokratien, die sich derzeit in Italien, Israel und zahlreichen anderen Ländern etablieren. Gemeinsam ist den privilegierten insularen Unternehmerstaaten der Superreichen und den sich abschottenden „Bunkernationen des Massenmarktes“ (Originalton im Essay) ihre evangelikal apokalyptische Mentalität und ihre rassistisch-faschistische Herrschaftsideologie. „Diese Bunker sind brutal in ihrer Entschlossenheit, unerwünschte Menschen zu vertreiben und einzusperren … und ebenso rücksichtslos in ihrer Bereitschaft, Land und Ressourcen, Wasser, Energie, wichtige Mineralien gewaltsam zu beanspruchen, die sie für notwendig erachten, um die kommenden Schocks zu überstehen.“
Und im bevorstehenden Endkampf, dem biblischen Armageddon, den Sieg über die Minderwertigen, Verdorbenen und Verworfenen davonzutragen. – Nach dieser schonungslosen Analyse fragt man sich unwillkürlich: Sollten wir uns demnächst womöglich an unseren jetzigen Aufenthalt im Bauch des neoliberalen Elefanten hierzulande als relativer Komfortzone zurücksehnen? Aber hilft alles nichts, so oder so kommen wir am Realitätsschock nicht vorbei. „Wenn wir diesen kritischen Moment in der Geschichte meistern wollen“, schreiben Klein und Taylor, „müssen wir uns der Realität stellen. Dass wir es nicht mit Gegnern zu tun haben, die wir schon einmal erlebt haben. Wir haben es mit dem Faschismus der Endzeit zu tun.“
Sich der Realität stellen und das Gruseln lernen, sorry, da gibt es mittlerweile keinen Unterschied mehr. Den Essay findet ihr im Netz, lest bitte selber weiter, über bei uns viel zu wenig beachtete Entwicklungen und Hintergründe. Gern auch einige meiner alten Sachen auf kobinet, wo ich bereits vor Jahren versucht habe, auf diese bittere Seite der Realität aufmerksam zu machen. Scherzhaft, obgleich nicht minder schmerzhaft. So speziell in der Kolumne „Mister Musk und ich“… , wo Musk auf dem Mars kleine grüne Männlein zwischen Daumen und Zeigefinger zerquetscht. Lacht nur, ist okay, solange ihr die richtigen Schlussfolgerungen mit Blick auf eure eigene Zukunft daraus sieht. – Mit „Krüppel gegen Rechts“, diesem etwas verspätet in den Wind gehängten Fähnlein, ist es sicher nicht getan.
Überhaupt nach einem Knüppel suchen, geeignet, dem sich erhebenden Endzeitfaschismus aufs Haupt zu schlagen, dürfte nur eine weitere hilflose Machtphantasie sein. Ohnmächtige überlassen sich bisweilen solchen Phantasien, obgleich es nichts hilft. Der Impuls oder das Gefühl, mit der Faust in die Welt schlagen zu wollen. Oder gleich mit beiden Fäusten auf einen Sack, in den man kurzerhand alles Übel der Welt und alle echten oder vermeintlichen Bösewichter hineingesteckt hat. Wie die Phantasie meines Bekannten M., der mir schreibt: Ich steck sie alle in einen Sack, Putin, Kyrill, Vance, Reichsbürger, Krah, Evangelikale, gern auch Anthroposophie und würde zu gern atavistisch auf diesen Sack einschlagen. – Meiner buddhistischen Grundeinstellung, innerhalb von Gewaltverhältnissen lieber Gewalt erdulden als sie selber ausüben, könne er nicht folgen. Er findet richtig, was „unsere Regierung“ gegen den „Dämon Putin“ unternimmt.
Dämonen bekämpfen mit Fäusten und Knüppeln und den „weitreichenden Waffensystemen“, die unsere Regierung jetzt anschafft? Nicht diese Strategie empfehlen Naomi Klein und Astra Taylor, um uns gegen die realen endzeitfaschistischen Dämonen zur Wehr zu setzen. Ähnlich wie mir fällt auch ihnen, wenn ich sie richtig verstehe, „nichts Besseres“ ein, als statt auf Hass und todessüchtige Selbstbehauptung auf Liebe und Mitgefühl zu setzen. Die Regungen der Güte und der Empathie mit allen unter dem Terror von Ausbeutung, Unterdrückung und Herrschaft leidenden Geschöpfen in uns und in Gemeinschaft mit anderen zu nähren. – Mit anderen Worten, der „Knüppel“ gegen den Endzeitfaschismus ist kein Knüppel, vielmehr die bezwingende Kraft der Liebe und der Sorge (des Kümmerns im Sinne von Caring).
Eine Sache oder ein Anliegen lächerlich machen, dazu braucht es meist nicht viel. Drüben läuten soeben die Glocken der katholischen Martinskirche zum Sonntagsgottesdienst, warum verlässt Prediger Weis nicht seinen Sessel und steigt auf die Kanzel. – Weil er wie Klein und Taylor seinen Grips anstrengt und nachgedacht hat. Wie sie über die Idee eines „Hierseins“, so ich über das Anliegen des „Zusammenseins“. Beide Widerstandskonzepte ähneln einander nicht nur terminologisch, sie sind auch substantiell verwandt, letztendlich ein und dasselbe.
Mit „Zusammensein“ ist ein freies und solidarisches Miteinander und „Füreinander“ gemeint, leibhaftige Anwesenheit an einem realen Ort. Keine virtuelle und zeitlich beliebige Erreichbarkeit, sondern physische Nähe und körperliche Berührbarkeit an einem konkreten Ort zu einer bestimmten Zeit für eine bestimmte Dauer, je nach gemeinsamer Vereinbarung. – Falls sich meine Worte in manchen Ohren abstrakt anhören: Ich weiß gerade deshalb, wovon ich spreche, weil ich all dies entbehre. Nichts davon ist realisierbar für mich und meine Lebensgefährtin, „verstrickt und gefangen“ in Gewaltverhältnissen (die Worte „verstrickt und gefangen“ verwenden Klein und Taylor in ihrem Essay mehr oder minder für uns alle).
Dem apokalyptische Szenarium des Endzeitfaschismus stellen Naomi Klein und Astra Taylor „eine weitaus bessere Geschichte entgegen, wie wir die kommenden schweren Zeiten überstehen, ohne jemanden zurückzulassen. Eine Geschichte, die dem Endzeitfaschismus seine düstere Kraft entziehen und eine Bewegung in Gang setzen kann, die bereit ist, alles für unser gemeinsames Überleben aufs Spiel zu setzen. Eine Geschichte nicht vom Ende der Zeiten, sondern von besseren Zeiten, nicht von Trennung und Vorherrschaft, sondern von gegenseitiger Abhängigkeit und Zugehörigkeit, nicht von Flucht, sondern von Bleiben, der Treue zur unruhigen irdischen Realität …“ Zu diesem Zweck knüpfen sie an die Tradition des jüdischen Sozialismus an, das jiddische Konzept des „Doikayt“ oder „Hierseins“. Formuliert in Osteuropa vor den faschistischen und stalinistischen Vernichtungskriegen, beschreibt Hiersein den energischen Versuch, „an den Orten, an denen man lebte, für Freiheit und Sicherheit zu kämpfen, trotz aller die einen tot sehen wollten, dazubleiben, anstatt gezwungen zu sein in die Sicherheit Palästinas oder der Vereinigten Staaten zu fliehen.“ – Diese gedankliche Fährte aufnehmend, schreiben die Autorinnen am Ende ihre Essays: “ Es bedarf einer modernen Universalisierung dieses Konzepts, eines Bekenntnisses zum Recht auf das Hiersein dieses besonders kranken Planeten, dieser gebrechlichen Körper, zum Recht auf ein Leben in Würde, wo immer wir uns auf dem Planeten befinden. Selbst wenn uns die unvermeidlichen Schocks zum Umzug zwingen. Hiersein kann tragbar sein, frei von Nationalismus, in Solidarität verwurzelt, respektvoll gegenüber indigenen Rechten und ohne Grenzen.“
P.S. „Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist der Titel eines in der ostdeutschen Provinz spielenden Nachwende-Romans von Lukas Rietzschel. Lesenswert. – Mir ist nicht danach, mit der Faust in die Welt zu schlagen. Würde in dieser auch rein gar nichts bewirken und an meiner Lebenslage nicht das geringste ändern. Nichts an meiner physischen Isolation als ein den Schutzraum der Wohnung nicht Verlassender. An der Beschränkung meiner sozialen Kontakte auf sporadischen, sachlich gehaltenen Mailverkehr und gelegentliche, eher kurze “ Hallo-wie-gehts-Telefonate“ mit einer handvoll Menschen, Bekannte, an für mich körperlich nicht erreichbaren Orten. In meiner erfahrbaren Wirklichkeit existieren „Community“, „Zusammensein“, „Hiersein“ nicht, sind keine unmittelbar erlebte, leibhafte Realität, lediglich Ideen, gedankliche Abstraktion. Konkret und anfassbar für mich, den Erblindeten, die Gegenstände in unserer Wohnung, die Wände, an die ich stoßen kann, sinnlich manifest auch das Kirchenglockenläuten im Ohr in diesen Minuten am heutigen Sonntagvormittag. Schließlich noch Silvias Stimme von nebenan oder wenn sie mir eine Mail vorliest oder sonst was aus dem Netz. Bei geöffnetem Fenster die Sonne im Gesicht oder ein Luftzug, gleichfalls eine Art Berührung, diese meine tägliche Frischluftzufuhr.

Foto: Hubertus Thomasius
Staufen (kobinet) Greta Thunberg und "Fridays for Future" sind nicht dieser Knüppel. Was auf dem Höhepunkt dieses globalen Jugendprotests noch anders aussah. Als Greta am Rednerpult der Vereinten Nationen den Mächtigen dieser Welt – darunter bereits einige der finsteren Fürsten des heraufziehenden Endzeitfaschismus – ihr zorniges "how can you dare" entgegenschleuderte. Heute im Rückblick erscheint es, wie wenn damals für kurze Zeit das Potential einer weltweiten Bewegung aufleuchtete, um planetaren Bedrohungen wie gegenwärtig der des Endzeitfaschismus Paroli zu bieten. Nun, da es knüppeldick kommt, steht die Menschheit, stehen die "ninety nine percent", wehrlos der neuen Herrenrasse gegenüber, die den Planeten zu ihrer Goldgrube macht und seine entrechteten Bewohner zu Frondienst und Sklavenarbeit heranzieht.
„Die herrschende Ideologie der extremen Rechten hat sich zu einem monströsen rassistischen Überlebenskampf entwickelt. Unsere Aufgabe ist es, eine Bewegung aufzubauen, die stark genug ist, um sie zu stoppen.“ Mit diesem programmatischen Aufruf beginnen Naomi Klein und Astra Taylor ihren Essay „Der Aufstieg des Endzeitfaschismus“, kürzlich veröffentlicht in der englischen Wochenzeitung „The Guardian“. Der Name Naomi Klein wird einigen noch geläufig sein, durch ihren Bestseller „No Logo“ wurde sie im Jahr 2000 als Globalisierungskritikerin international bekannt. Nun ihr erneuter Alarmruf von ungleich größerer Brisanz.
„Exit“, nennt die Schar durchgeknallter libertärer Tech-Milliardäre ihr Vorhaben: “ Das Prinzip, dass Wohlhabende das Recht haben, sich den Pflichten der Staatsbürgerschaft, insbesondere Steuern und belastenden Regulierungen, zu entziehen. Indem sie die alten Ambitionen und Privilegien von Imperien umgestalten und neu interpretieren, träumen sie davon, Regierungen lahmzulegen und die Welt in hyperkapitalistische, demokratiefreie Oasen unter der alleinigen Kontrolle der Superreichen aufzuteilen. Geschützt von privaten Söldnern, bedient von KI-Robotern und finanziert durch Kryptowährungen.“
Noch ein Schocker gefällig? Hier eine weitere Passage: Die Propagandisten der „Vision von souveränen Territorien, die von milliardenschweren Gottkönigen regiert werden“, sie „sehen eine Zukunft voller Schocks, Knappheit und Zusammenbruch voraus. Ihre hoch technologisierten Privatgebiete sind im Grunde befestigte Rettungskapseln, die nur wenigen Auserwählten jeden erdenklichen Luxus und jede Möglichkeit zur menschlichen Optimierung bieten und ihnen und ihren Kindern in einer zunehmend barbarischen Zukunft einen Vorteil verschaffen. Kurz gesagt, die Mächtigsten der Welt bereiten sich auf das Ende der Welt vor, ein Ende, das sie selbst rasend beschleunigen.“
Und in Trumps fascist regime haben sie jetzt einen Verbündeten gefunden. Sowie weitere Alliierte in den faschistoiden staatlichen Autokratien, die sich derzeit in Italien, Israel und zahlreichen anderen Ländern etablieren. Gemeinsam ist den privilegierten insularen Unternehmerstaaten der Superreichen und den sich abschottenden „Bunkernationen des Massenmarktes“ (Originalton im Essay) ihre evangelikal apokalyptische Mentalität und ihre rassistisch-faschistische Herrschaftsideologie. „Diese Bunker sind brutal in ihrer Entschlossenheit, unerwünschte Menschen zu vertreiben und einzusperren … und ebenso rücksichtslos in ihrer Bereitschaft, Land und Ressourcen, Wasser, Energie, wichtige Mineralien gewaltsam zu beanspruchen, die sie für notwendig erachten, um die kommenden Schocks zu überstehen.“
Und im bevorstehenden Endkampf, dem biblischen Armageddon, den Sieg über die Minderwertigen, Verdorbenen und Verworfenen davonzutragen. – Nach dieser schonungslosen Analyse fragt man sich unwillkürlich: Sollten wir uns demnächst womöglich an unseren jetzigen Aufenthalt im Bauch des neoliberalen Elefanten hierzulande als relativer Komfortzone zurücksehnen? Aber hilft alles nichts, so oder so kommen wir am Realitätsschock nicht vorbei. „Wenn wir diesen kritischen Moment in der Geschichte meistern wollen“, schreiben Klein und Taylor, „müssen wir uns der Realität stellen. Dass wir es nicht mit Gegnern zu tun haben, die wir schon einmal erlebt haben. Wir haben es mit dem Faschismus der Endzeit zu tun.“
Sich der Realität stellen und das Gruseln lernen, sorry, da gibt es mittlerweile keinen Unterschied mehr. Den Essay findet ihr im Netz, lest bitte selber weiter, über bei uns viel zu wenig beachtete Entwicklungen und Hintergründe. Gern auch einige meiner alten Sachen auf kobinet, wo ich bereits vor Jahren versucht habe, auf diese bittere Seite der Realität aufmerksam zu machen. Scherzhaft, obgleich nicht minder schmerzhaft. So speziell in der Kolumne „Mister Musk und ich“… , wo Musk auf dem Mars kleine grüne Männlein zwischen Daumen und Zeigefinger zerquetscht. Lacht nur, ist okay, solange ihr die richtigen Schlussfolgerungen mit Blick auf eure eigene Zukunft daraus sieht. – Mit „Krüppel gegen Rechts“, diesem etwas verspätet in den Wind gehängten Fähnlein, ist es sicher nicht getan.
Überhaupt nach einem Knüppel suchen, geeignet, dem sich erhebenden Endzeitfaschismus aufs Haupt zu schlagen, dürfte nur eine weitere hilflose Machtphantasie sein. Ohnmächtige überlassen sich bisweilen solchen Phantasien, obgleich es nichts hilft. Der Impuls oder das Gefühl, mit der Faust in die Welt schlagen zu wollen. Oder gleich mit beiden Fäusten auf einen Sack, in den man kurzerhand alles Übel der Welt und alle echten oder vermeintlichen Bösewichter hineingesteckt hat. Wie die Phantasie meines Bekannten M., der mir schreibt: Ich steck sie alle in einen Sack, Putin, Kyrill, Vance, Reichsbürger, Krah, Evangelikale, gern auch Anthroposophie und würde zu gern atavistisch auf diesen Sack einschlagen. – Meiner buddhistischen Grundeinstellung, innerhalb von Gewaltverhältnissen lieber Gewalt erdulden als sie selber ausüben, könne er nicht folgen. Er findet richtig, was „unsere Regierung“ gegen den „Dämon Putin“ unternimmt.
Dämonen bekämpfen mit Fäusten und Knüppeln und den „weitreichenden Waffensystemen“, die unsere Regierung jetzt anschafft? Nicht diese Strategie empfehlen Naomi Klein und Astra Taylor, um uns gegen die realen endzeitfaschistischen Dämonen zur Wehr zu setzen. Ähnlich wie mir fällt auch ihnen, wenn ich sie richtig verstehe, „nichts Besseres“ ein, als statt auf Hass und todessüchtige Selbstbehauptung auf Liebe und Mitgefühl zu setzen. Die Regungen der Güte und der Empathie mit allen unter dem Terror von Ausbeutung, Unterdrückung und Herrschaft leidenden Geschöpfen in uns und in Gemeinschaft mit anderen zu nähren. – Mit anderen Worten, der „Knüppel“ gegen den Endzeitfaschismus ist kein Knüppel, vielmehr die bezwingende Kraft der Liebe und der Sorge (des Kümmerns im Sinne von Caring).
Eine Sache oder ein Anliegen lächerlich machen, dazu braucht es meist nicht viel. Drüben läuten soeben die Glocken der katholischen Martinskirche zum Sonntagsgottesdienst, warum verlässt Prediger Weis nicht seinen Sessel und steigt auf die Kanzel. – Weil er wie Klein und Taylor seinen Grips anstrengt und nachgedacht hat. Wie sie über die Idee eines „Hierseins“, so ich über das Anliegen des „Zusammenseins“. Beide Widerstandskonzepte ähneln einander nicht nur terminologisch, sie sind auch substantiell verwandt, letztendlich ein und dasselbe.
Mit „Zusammensein“ ist ein freies und solidarisches Miteinander und „Füreinander“ gemeint, leibhaftige Anwesenheit an einem realen Ort. Keine virtuelle und zeitlich beliebige Erreichbarkeit, sondern physische Nähe und körperliche Berührbarkeit an einem konkreten Ort zu einer bestimmten Zeit für eine bestimmte Dauer, je nach gemeinsamer Vereinbarung. – Falls sich meine Worte in manchen Ohren abstrakt anhören: Ich weiß gerade deshalb, wovon ich spreche, weil ich all dies entbehre. Nichts davon ist realisierbar für mich und meine Lebensgefährtin, „verstrickt und gefangen“ in Gewaltverhältnissen (die Worte „verstrickt und gefangen“ verwenden Klein und Taylor in ihrem Essay mehr oder minder für uns alle).
Dem apokalyptische Szenarium des Endzeitfaschismus stellen Naomi Klein und Astra Taylor „eine weitaus bessere Geschichte entgegen, wie wir die kommenden schweren Zeiten überstehen, ohne jemanden zurückzulassen. Eine Geschichte, die dem Endzeitfaschismus seine düstere Kraft entziehen und eine Bewegung in Gang setzen kann, die bereit ist, alles für unser gemeinsames Überleben aufs Spiel zu setzen. Eine Geschichte nicht vom Ende der Zeiten, sondern von besseren Zeiten, nicht von Trennung und Vorherrschaft, sondern von gegenseitiger Abhängigkeit und Zugehörigkeit, nicht von Flucht, sondern von Bleiben, der Treue zur unruhigen irdischen Realität …“ Zu diesem Zweck knüpfen sie an die Tradition des jüdischen Sozialismus an, das jiddische Konzept des „Doikayt“ oder „Hierseins“. Formuliert in Osteuropa vor den faschistischen und stalinistischen Vernichtungskriegen, beschreibt Hiersein den energischen Versuch, „an den Orten, an denen man lebte, für Freiheit und Sicherheit zu kämpfen, trotz aller die einen tot sehen wollten, dazubleiben, anstatt gezwungen zu sein in die Sicherheit Palästinas oder der Vereinigten Staaten zu fliehen.“ – Diese gedankliche Fährte aufnehmend, schreiben die Autorinnen am Ende ihre Essays: “ Es bedarf einer modernen Universalisierung dieses Konzepts, eines Bekenntnisses zum Recht auf das Hiersein dieses besonders kranken Planeten, dieser gebrechlichen Körper, zum Recht auf ein Leben in Würde, wo immer wir uns auf dem Planeten befinden. Selbst wenn uns die unvermeidlichen Schocks zum Umzug zwingen. Hiersein kann tragbar sein, frei von Nationalismus, in Solidarität verwurzelt, respektvoll gegenüber indigenen Rechten und ohne Grenzen.“
P.S. „Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist der Titel eines in der ostdeutschen Provinz spielenden Nachwende-Romans von Lukas Rietzschel. Lesenswert. – Mir ist nicht danach, mit der Faust in die Welt zu schlagen. Würde in dieser auch rein gar nichts bewirken und an meiner Lebenslage nicht das geringste ändern. Nichts an meiner physischen Isolation als ein den Schutzraum der Wohnung nicht Verlassender. An der Beschränkung meiner sozialen Kontakte auf sporadischen, sachlich gehaltenen Mailverkehr und gelegentliche, eher kurze “ Hallo-wie-gehts-Telefonate“ mit einer handvoll Menschen, Bekannte, an für mich körperlich nicht erreichbaren Orten. In meiner erfahrbaren Wirklichkeit existieren „Community“, „Zusammensein“, „Hiersein“ nicht, sind keine unmittelbar erlebte, leibhafte Realität, lediglich Ideen, gedankliche Abstraktion. Konkret und anfassbar für mich, den Erblindeten, die Gegenstände in unserer Wohnung, die Wände, an die ich stoßen kann, sinnlich manifest auch das Kirchenglockenläuten im Ohr in diesen Minuten am heutigen Sonntagvormittag. Schließlich noch Silvias Stimme von nebenan oder wenn sie mir eine Mail vorliest oder sonst was aus dem Netz. Bei geöffnetem Fenster die Sonne im Gesicht oder ein Luftzug, gleichfalls eine Art Berührung, diese meine tägliche Frischluftzufuhr.
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