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Die Registrierung von Menschen mit psychischen Behinderungen führt zu Gewalt

Porträt-Zeichnung von Thomas Künneke
Porträt-Zeichnung von Thomas Künneke
Foto: privat

Berlin (kobinet) Die Registrierung von Menschen mit psychischen Behinderungen führt nach Ansicht von Thomas Künneke zu Gewalt. Angesichts der aktuellen Diskussion um eine mögliche Registrierung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen hat Thomas Künneke, der sich seit vielen Jahren für die Menschenrechte behinderter Menschen und besonders von Menschen mit psychischen Hindernissen stark macht, folgenden Kommentar für die kobinet-nachrichten verfasst:

Die Registrierung von Menschen mit psychischen Behinderungen führt zu Gewalt

Kommentar von Thomas Künneke

Vorweg: Mein Name ist Thomas Künneke, und ich gehöre – so sagt man – zur Gruppe der „Psychisch Kranken“. Ich verwehre mich gegen diese Bezeichnung. Schließlich nennt man Menschen mit anderen Beeinträchtigungen auch nicht „Gehkrank, Geisteskrank oder Sehkrank“. Ich bin ein Mensch mit psychischen Behinderungen.

Ich begleite und berate Menschen, die sich in einer ähnlichen Lebenslage befinden wie ich. Und gerade deshalb verfolge ich die Diskussion um die Registrierung von Menschen mit psychischen Behinderungen mit wachsender Sorge – und wachsendem Unmut. Denn was als Schutzmaßnahme verkauft wird, ist in Wahrheit ein weiterer Schritt in Richtung Diskriminierung und Ausgrenzung.

Zitat aus der Taz vom 26.05.2025 (*1)

  • Doch die Politik will angesichts einer Reihe von Gewalttaten, die Personen mit psychiatrischen Diagnosen angelastet werden, die Regeln verschärfen. Laut einer Pressemitteilung des Bremer Innensenators sollen künftig „medizinische und sicherheitsbehördliche Erkenntnisse“ zusammengebracht und „relevante Erkenntnisse zu psychischen Erkrankungenden zuständigen Behörden, das heißt eben auch der Polizei, zugänglich“ gemacht werden.

Ganz ehrlich: Ich werde bald niemandem in psychischen Krisen mehr ruhigen Gewissens empfehlen können, sich an Ärzt*innen, Krankenhäuser oder andere medizinisch-therapeutische Einrichtungen zu wenden – nicht, wenn im Gegenzug die eigene Lebensgeschichte registriert, gespeichert und womöglich gegen einen verwendet wird. Menschen mit Krisenerfahrungen werden unter solchen Bedingungen notwendige Hilfen nicht annehmen. Die Folgen für die persönliche Lebensplanung können enorm sein, bis hin zu menschenrechtsverletzendem Zwang.

Zitat aus der Taz vom 26.05.2025 (*1)

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) betont die Vermeidung von Zwang für Menschen mit Behinderungen, insbesondere in Bezug auf Unterbringung und Behandlung. Die Konvention fordert eine menschenrechtsbasierte, zwangsfreie Unterstützung und sieht vor, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund ihrer Behinderung ihrer Freiheit beraubt werden dürfen.

Ach ja: Ich bin übrigens nicht nur psychisch krank – wer ist das schon „nur“? Ich bin Sozialarbeiter, Vater von zwei Söhnen, Großvater, leidenschaftlicher Kartenspieler und habe manchmal psychische Krisen. Ich habe ein Leben – bunt, widersprüchlich, wertvoll. Und wenn ich gewalttätig werden sollte, vielleicht aus Gründen einer schwierigen sozialen Lebenssituation oder anderer Gründe, gibt es keine Forderung einer Registrierung von Großvätern oder Kartenspielern. Diejenigen, die Gewalt ausüben, müssen erfasst und beobachtet werden. Aber bitte – nicht unter dem Label „psychisch krank“ und generell. Das ist zu einfach und falsch. Menschen mit psychischen Erkrankungen sind laut Studien nicht grundsätzlich gewaltbereiter als andere.

Wenn wir schon anfangen, Risikogruppen zu erfassen – warum dann nicht dort, wo es statistisch wirklich auffällt? Die meisten Gewalttaten werden von Männern begangen. Vielleicht sollten wir also einfach mal alle Männer registrieren. Von den 17 Innenminister*innen der Länder und des Bundes sind 13 Männer.

Statt auf repressive Maßnahmen wie Register zu setzen, fordern Experten ein frühes, umfassendes und koordiniertes Hilfesystem für Menschen mit psychischen Behinderungen. Das derzeitige System ist aus finanziellen, rechtlichen und strukturellen Gründen jedoch überfordert. Ein solches System führt zu Gewalt.

(*1) Taz, Schärfere Gesetze für psychisch Kranke, Gegen Depression und Vorurteile auf Tour, https://taz.de/Schaerfere-Gesetze-fuer-psychisch-Kranke/!6092865/, abgerufen 2.07.2025

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Klaus K
04.07.2025 09:39

Auch hier – Eine Verzerrung der Forderungen aus der Politik, denn es ging und geht nicht um eine generelle Stigmatisierung, sondern um einen sehr kleinen Personenkreis – Vor dem Kommentar wäre es schön, hier konkreter aufzuklären, die Sachlage zu erörtern, damit der Gesamtsachverhalt von den Leserinnen und Lesern auch eingeordnet werden kann.

So wie jetzt könnte das die Ebene für Proteste darstellen, die nicht mehr im Kontext der eigentlichen „Forderung“ stehen, diese inhaltlich verzerren, was rechte Flügel stärkt und Glaubwürdigkeit herabsinken lässt.

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