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Monitoring zur UN-Behindertenrechtskonvention in Rheinland-Pfalz gestartet

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Foto: Von Institut für Menschenrechte - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

Berlin (kobinet) Bei der Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschlands im Jahr 2023 haben die Vereinten Nationen insbesondere den Bundesländern aufgegeben, die menschenrechtliche Perspektive in ihrer Politik zu stärken. Einige Bundesländer unterziehen bereits den Prozess der Umsetzung der Konvention einem intensiven Monitoring der verschiedenen Maßnahmen und gesetzlichen Regelungen. So auch Rheinland-Pfalz, das das Deutsche Institut für Menschenrechte vor kurzem beauftragt hat, ein entsprechendes Monitoring durchzuführen. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul führte dazu mit dem für das Monitoring zuständigen wissenschaftlichen Mitarbeiter Frieder Kurbjeweit, der selbst behindert ist und seit 2020 bei der Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention arbeitet, folgendes Interview.

kobinet-nachrichten: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Monitoring?

Frieder Kurbjeweit: „Monitoring“ ist ein Begriff, mit dem das Völkerrecht zwei Hauptaufgaben beschreibt. Wir sollen die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention überwachen und fördern. „Überwachen“ bedeutet, dass wir im Auge behalten und nachvollziehbar machen, wie sich die menschenrechtliche Lage von Menschen mit Behinderungen entwickelt. 2023 haben wir in dem Zusammenhang zum Beispiel am sogenannten „konstruktiven Dialog“ im Rahmen der Staatenprüfung Deutschlands bei den UN in Genf teilgenommen und dem UN-Fachausschuss dort über die Menschenrechtslage in Deutschland berichtet. „Fördern“ bedeutet, dass wir auch selbst tätig werden, um den Staat bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen. Das geschieht zum Beispiel in Form der Beratung von Regierungen. „Wie müsste ein inklusives Bildungssystem ausgestaltet werden?“, „Wie kann die Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen gelingen?“, „Inwiefern sollten Gesetze angepasst werden, um dem Auftrag der UN-BRK gerecht zu werden?“.

Die UN-BRK verpflichtet alle Ebenen des Staates, also Bund, Länder und Kommunen und viele wichtige Aufgaben liegen eben in der Kompetenz der Bundesländer. Immer mehr Länder richten daher selbst Monitoring-Stellen ein. Im Monitoring gehen wir in den Austausch mit ganz unterschiedlichen Akteuren von der Landesregierung über den Landtag, zu den Organisationen von Menschen mit Behinderungen aber zum Beispiel auch zu Richter*innen. Dadurch versuchen wir, in der Debatte sicherzustellen, dass das Völkerrecht nicht außer Acht gelassen wird, wenn es um Themen geht, die Menschen mit Behinderungen betreffen. Das sind natürlich mittelbar alle Themen, und wir können nicht alles auf einmal bearbeiten aber ein Ländermonitoring ist über die Jahre schon mit sehr vielen unterschiedlichen Themen befasst.

kobinet-nachrichten: Wie sieht ihre Arbeit in den ersten Wochen aus?

Frieder Kurbjeweit: In der ersten Zeit geht es viel ums Kennen-Lernen. Im Mai haben wir uns dem Landesteilhabebeirat vorgestellt. Nächste Woche treffen wir Sozialministerin Schall. Am Tag drauf findet unsere erste sogenannte „Verbändekonsultation“ in Rheinland-Pfalz statt. Dazu haben wir alle behindertenpolitischen Verbände, insbesondere Selbstvertretungsorganisationen in Rheinland-Pfalz zu einem digitalen Austausch eingeladen, um gemeinsam zu beraten, welche Themen wir im nächsten Jahr in den Fokus nehmen wollen. Auch das Monitoring muss nämlich partizipativ ablaufen.

Im Laufe des Sommers und im Herbst wollen wir dann auch mit allen weiteren Ministerien Gespräche darüber führen, inwieweit die Umsetzung der UN-BRK im Handeln des eigenen Hauses eine Rolle spielt. Unsere Idee ist also die Umsetzung der Konvention erst einmal in der Breite anzugehen. Da ist es schonmal ein wichtiger Gradmesser für den Stellenwert der Inklusion, ob sich die jeweiligen Hausleitungen Zeit nehmen, um die Monitoring-Stelle kennen zu lernen. Wir hoffen aber und erwarten auch einen guten Rücklauf.

kobinet-nachrichten: Was unterscheidet Rheinland-Pfalz von anderen Bundesländern?

Frieder Kurbjeweit: Wir hatten bisher drei Ländermonitorings: In Berlin, Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Die Bundesländer unterscheiden sich natürlich insbesondere hinsichtlich Größe und Struktur stark. Die Konvention gilt aber überall gleich und wir haben mittlerweile sehr viele Vorarbeiten, um in jedem Bundesland gut arbeiten zu können. Natürlich steht Rheinland-Pfalz bei der Mobilität von Menschen mit Behinderungen vor gänzlich anderen Herausforderungen als Berlin. Vieles ähnelt sich aber auch, wie etwa beim strukturierten Übergang der Sondersysteme in Bildung und Arbeit, also segregierenden Schulen und Werkstätten. Da kommt kein Bundesland schnell genug voran und es geht eher um die Details der lokalen Probleme. Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen ist auch so ein Thema, wo es in vielen Ländern, spätestens aber auf der kommunalen Ebene hakt. Menschen mit Behinderungen sind außerdem in allen Bundesländern zunehmend von Sparpolitik betroffen. Da geht es an vielen Stellen darum abzuwenden, dass Programme zusammengestrichen werden, die die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen verbessern. Wenn man von der Konvention aus denkt und im Fokus hat, wo Barrieren für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen bestehen, zeigen sich also schnell Parallelen.

kobinet-nachrichten: Können Sie schon sagen, welche Themen in Rheinland-Pfalz besonders drängen?

Frieder Kurbjeweit: Das diskutieren wir nächste Woche erst einmal mit den Menschen mit Behinderungen im Land. Letztlich müssen insbesondere sie sagen, was zurzeit besonders wichtig ist. Einige Themen haben wir aber schon im Auge: Insbesondere inklusive Schulbildung. Perspektivisch könnte es auch sein, dass wir uns einmal genauer anschauen, wie das Land nach der Flut 2021 dabei vorankommt, Menschen mit Behinderungen besser vor Katastrophen zu schützen.

Ganz akut läuft aktuell das Fortschreibungsverfahren für den Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK. Das verfolgen wir sehr aufmerksam. Hier muss sichergestellt sein, dass alle Ministerien sich mit hoher Priorität am Aktionsplan beteiligen, sich klare Ziele setzen, um die Konvention umzusetzen und mit innovativen Maßnahmen versuchen diese dann auch zu erreichen. Wie ernst es ein Bundesland mit der Umsetzung der UN-BRK meint, kann man oft schon daran sehen, wie gut Menschen mit Behinderungen beteiligt werden, wenn der Aktionsplan gemacht wird und wie ambitioniert dieser Plan am Ende ist.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.