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Wehrtauglich von der Wiege bis zur Bahre, Blüte der Mannesjahre

Ein fallender Soldat Todesschuss
Falling Soldier von Robert Capa. Wer schon immer einmal einer deutschen Panzerbesatzung bei ihrem Einsatz an der NATO-Ostflanke zuschauen wollte, lese Wehrtauglichkeits-Folge drei über die Heldentaten der Viererbande.
Foto: By © Cornell Capa (For reproduction please contact Magnum Photos, http://www.magnumphotos.com/), Public Domain, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=4067565

Staufen (kobinet) In der vorangegangenen Folge haben wir einen glasknochenkranken Jungen und einen hochbetagten Alten kennengelernt und miterlebt, wie sie sich trotz ihrer Vulnerabilität, der aus erhöhter Verteidigungsbereitschaft gelegentlich entspringenden widrigen Umstände erwehren und Herausforderungen bewältigen. Diesmal begegnen wir in der litauischen Provinz einem testosterongeladenen Kraftpaket reinster Virilität, bereit, sich mit Gebrüll auf jeden Angreifer zu stürzen, der es wagt, auch nur einen Quadratzentimenter – doch lest selber, was die Viererbande unter Kommander Kevin an Abenteuern zu bestehen hat.

Kevin und die Viererbande

Kevin und seinen Mannen braten in der Julisonne. Reißt euch zusammen Jungs, wir sind die Vorhut im Baltikum, das bisschen Hitze werdet ihr wohl noch abkönnen. Sie haben sich ihrer kugelsicheren Westen, „full metal jackets“ sagt Tom spaßeshalber, entledigt und die nackten muskelbepackten Oberkörper entblößt.  Hab als Jugendlicher mal ein Landser Heftchen von meinem Opa in die Hände gekriegt, sagt Lothar, der Richtschütze. Da erzählte einer, sie hätten Spiegeleier auf der Wanne gebraten, heiß wie ne Herdplatte sei der Stahl gewesen. Russische Temperaturen, Kontinentalklima, ist das hier noch gar nichts gegen. Na hoffentlich, sagt Kevin, hatten sie Zeit, es sich schmecken zu lassen, ehe der Iwan mit der nächsten Angriffswelle dazwischen funkt, die hatten ganz schön Bammel vor dem T 34, wendig und unberechenbar wie ein junges Kätzchen.

Vor so was müssen sich die Vier im Baltikum nicht fürchten. Mit ihrem heutigen Waffensystem, das Feuerkraft, Panzerschutz und Beweglichkeit auf optimale Weise kombiniert, sind sie immer schon auf der sicheren Seite. Was bereits im Mai der vom Bundestag neu ins Amt gewählte Wehrbeauftragte Henning Otte von der CDU im Deutschlandfunk bestätigt hat (der auch weiterhin den Namen Deutschlandfunk behält und vorerst also nicht, wie von einem Teil der Redaktion vorgeschlagen, in Wehrfunk oder Wehrtauglichkeitsfunk umgetauft wird). Im Dlf-Morgenmagazin auf die aktuellen verteidigungspolitischen Herausforderungen angesprochen, bestätigt der frischgebackene Wehrbeauftragte, dass der Leopard II dem T 72 der Russen an Feuerkraft deutlich überlegen ist und mit der Kette gut ausgerüstet vor allem bei Bodenunebenheiten im Vorteil. Zuvor hat sich die scheidende Wehrbeauftragte Högel von der SPD im Bundestag mit den beruhigenden Worten verabschiedet, „auf die Bundeswehr ist Verlass“ und „unsere Soldaten und Soldatinnen sind Spitze“. – Eine Lehrerin, die mit Schülerinnen und Schülern einer elften Klasse von der Zuschauertribüne aus das Verabschiedungsspektakel im Plenum verfolgt hat, berichtet der Redakteurin, einige aus der Klasse hätten hinterher spontan die Verse gereimt, „ritze ratze ritze, die Bundeswehr ist Spitze“, sowie „auf unsere Soldatinnen und Soldaten ist Verlass, ihnen allen ein Bier vom Fass“. Eine WhatsApp-Gruppe „unser Heer die Bundeswehr, kriegstüchtiges Dichten für Deutschland“ habe sich gebildet.

Tom, der Ladeschütze, gähnt. Wisst ihr was, die paar Urlaubstage nächste Woche, wer von euch kommt mit auf eine Spritztour nach Vilnius. Die Puffs dort abklappern, hab gehört, die Mädls da sind spitze, haben super Schlitze, ritze ratze ritze. Seit wann dichtest du Tom, sagt Lothar. Und Kevin, Tom, du bist ordinär. Was heißt hier ordinär, ich bin vom Heer, wir machen keine halben Sachen, also kommt ihr nun mit oder nicht? Ohne mich. Mensch Kevin, hast Muffe wegen deiner Alten im Schwabenland oder wo das ist da unten. Die Baltinnen sind ein anderes Kaliber als unsere Nutten, unter aller Kanone, die aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel – Tom ist Hesse – die kannste vergessen. Wetten, während du hier in der baltischen Sonne döst, swiped deine Alte durch Tinder und es hat schon mehr als einmal gematched. Schluss jetzt Tom, Kevin hat in die Tonlage des Kommandanten gewechselt, die sie sonst nur bei Gefechtsbereitschaft im Turm von ihm kennen. Ein Wort noch und ich verpass dir eine, dass du drei Wochen Ladehemmung hast und dir deine Pufftour an den Hut stecken kannst, meinetwegen auch an den Helm.

Sara Nanni, Verteidigungsexpertin der Grünen (eigentlich sind bei denen ja alle Verteidigungsexperten, keiner oder keine, die sich mit Verteidigungsgut und der Notwendigkeit von Waffenlieferungen nicht auskennt), Sara Nanni betont im bereits erwähnten Morgenmagazin, wie sehr der CDUler Henning Otte für den Wehrbeauftragten-Job geeignet ist, habe er doch das Ohr an der Truppe. Womit sie sicher nicht gemeint hat, dass er jede Unterhaltung einer Panzerbesatzung im Baltikum mit anhört, wenn dort unweit des finnischen Meerbusens der Tag lang ist. Dagegen hätte Otte zu der überlegenen Feuerkraft des Leopard II ruhig noch ein paar erläuternde Worte verlieren dürfen, jedenfalls von der Warte der Deutschlandfunk-Hörerschaft aus, die ihr Ohr ja lediglich am Rundfunkgerät und nicht direkt an der Truppe hat. – Überlegene Feuerkraft hin oder her, es genügt nicht, einfach drauflos zu ballern, sobald dem Leopard ein T 72 vor die Lunte kommt. Ein sicherheitsgefährdendes Missverständnis, denn es muss im wörtlichen Sinne scharf geschossen und exakt gezielt werden. Wohin? Kevin und sein Richtschütze könnten die Frage beantworten, ist aber gar nicht nötig.

Günther Grass, der Literaturnobelpreisträger von 1999 hat sie bereits vor 60 Jahren beantwortet. In der Novelle „Katz und Maus“. Einfach mal nachlesen. Wie viele seiner Geschichten, angefangen bei der „Blechtrommel“, spielt auch die in „Katz und Maus“ erzählte in Ostpreußen, im „Kaschubischen“, der Gegend um die Danziger Bucht. Lustigerweise also da, wo augenblicklich Kevins Panzerbesatzung in ihrem Kettenfahrzeug rumkurvt, umhertigert, könnte man sagen, wäre es nicht statt des Tigers der Leopard. Das würdige Nachfolgemodell von Tiger I und II aus den Schlachten des Zweiten Weltkriegs, das eine wie das andere Mal deutsche Wertarbeit at its best, auf dem Gebiet der Verteidigungs- bzw. Angriffstechnik. – Zeitlich spielt die Erzählung gegen Kriegsende, auf Fronturlaub trifft der Panzergrenadier Mahlke seinen Schulkameraden Pilenz. Mahlke ist Ritterkreuzträger, die Ehrung hat ihm eine hohe Abschussrate von Feindpanzern eingebracht. Mit seinem Tiger hat sie Mahlke reihenweise abgeschossen, bei Charkiw und zuletzt in der Schlacht am Kursker Bogen, der größten Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs. Und gelungen ist ihm dies, weil er nicht einfach drauflos geballert, sondern jedes Mal auf die einzig richtige Stelle gezielt hat. Wohin? Exakt auf die Ritze zwischen Wanne und Turm. Diese Achillesferse einer jeglichen Panzerwaffe, egal wo auf der Welt. Der Schuss, soll es ein Treffer oder noch besser ein Volltreffer werden, so Mahlke zu Pilenz, gehört zwischen Wanne und Turm platziert.

Was passiert dann mit dem getroffenen Stahlungetüm? Darüber wird leider zu wenig gesprochen, so erfreulich es ist, wenn Experten unsere moderne Waffentechnik rühmen. Der Effekt eines korrekt platzierten Schusses ist nämlich nicht minder beeindruckend. Das mit leicht entzündlichem Material, Treibstoff und Granaten gefüllte Ding explodiert und geht in Flammen auf. Die Hitze in seinem Innern in diesem Augenblick ist mit den Temperaturen in einem Hochofen vergleichbar. Ebenso der gesamte Schmelzvorgang. Wäre die Besatzung nach dem Erkalten nicht in den unförmigen Stahlklumpen eingeschmolzen, so ließe sich deren Asche – die Asche des Fahrers, die des Ladeschützen und die des Richtschützen bis zu der des Kommandanten – umstandslos in je eine Urne füllen, um sie, nachdem sich die Lage auf dem Schlachtfeld beruhigt hat oder besser noch nach Kriegsende, in einem Friedwald friedlich beizusetzen.

Finito Leute, sagt Kevin, Siesta für heute beendet. Sonst verdampft uns in der Mittagssonne noch die restliche Hirnmasse unter der Schädeldecke. Schlicht unerträglich diese Hitze. Als erstes  machst du drinnen mal die Klimaanlage an, Lothar. Einer nach dem andern klettern sie in ihr Stahlross. Die Turmluke schließt automatisch, ein martialisches Aufbrüllen des Motors und der Koloss setzt sich in Bewegung. –  Mit 80 km/h donnert das mobile Waffensystem über die litauische Autobahn, im Unterschied zur maroden Infrastruktur daheim in Deutschland lassen Brücken und Autobahnen in Litauen und im gesamten Baltikum nichts zu wünschen übrig. Unter Hinweis auf die Gefahr von der russischen Dampfwalze überrollt zu werden, hat das litauische Parlament die Geschwindigkeitsbegrenzung für Kettenfahrzeuge auf litauischen Autobahnen mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Frauen mit bunten Kopftüchern winken dem vorüber bretternden Waffensystem fröhlich von der Feldarbeit aus zu, ohne dass die Crew in ihrem stählernen Gehäuse allerdings etwas davon mitbekommt. Ihr ungeteiltes Augenmerk durch den Sehschlitz gilt dem möglichen Anflug russischer Kampfdrohnen, wie er hier oben im Bereich der NATO-Ostflanke noch weniger ausgeschlossen werden kann als irgendwo anders im Bündnisgebiet. Kevin fragt dennoch nach einer Weile, Leute wisst ihr welchen Jahrestag wir heute haben? Jahrestag, sagt Tom, meinst du einen neuen Hitzerekord? Quatsch, heute am 5. Juli vor 82 Jahren tobte am Kursker Bogen die größte Panzerschlacht der Geschichte. Morgen Abend in der Fortbildungseinheit werde ich mit euch die Daten durchgehen, wie viel Gerät zum Einsatz gekommen ist, Trefferquote, Abschussrate etc. Keiner soll sagen, wir hätten aus der Geschichte nichts gelernt. Wir stehen auch gefechtstechnisch auf den Schultern von Riesen.

Abendliches Stubengeplauder, kameradschaftliches Chillen

An diesem Abend hocken die Drei auf der Stube zusammen und zwitschern einige Dosen Bier. Der Komfort in den Unterkünften, die der NATO-Partner Litauen für die deutschen Gäste hochgezogen hat, ist spitzenmäßig. Nur das Dosenbier aus dem Automat ist es nicht. Äh, Mann, das schmeckt nach Seiche, sagt Tom, Pisse heißt das bei uns, verbessert ihn Lothar. Aus Tschechien, Pilsener Pisse. Budweiser gibt es noch, ist auch nicht besser. Bier aus den Staaten, da hat der Trump reingeseicht, Tom verzieht das Gesicht. Deutsches Bier vom Fass, nur darauf ist Verlass, jetzt ein Kühles vom Fass, ein echtes Pils, Mensch. Irgendwas habt ihr immer zu meckern, sagt Malte, unser Steuermann nennen ihn die andern, Panzerfahrer ist nie sein erster Berufswunsch gewesen, einen Truck durch den mittleren Westen der USA steuern, das wärs, hat er ihnen mal verraten. Malte tippt auf seinem Smartphone herum. Scheiße, sagt er plötzlich. Was ist Scheiße, Lothar beugt sich zu ihm, um zu sehen, was da auf dem Display erscheint. Tom ist mit dem Rad verunglückt, richtig auf die Fresse geflogen, echt Scheiße, er ist auf den Job angewiesen. Was für ein Job? Fahrradkurier, sagt Malte. Ach je, fährt Koks aus, oder was. Red kein Unsinn Lothar, sagt Malte, die brauchen das Geld, schon wegen der Kleinen, Tom transportiert Drohnen auf dem Gepäckträger zur polnischen Grenze. Seine Partnerin fertigt sie in Heimarbeit.

Mach nicht so ein Gesicht, Malte, der berappelt sich wieder, normales Berufsrisiko bei Radkurierdienstlern, sagt Kevin, der ebenfalls schon die ganze Zeit mit seinem Smartphone beschäftigt ist. Schau mir gerade noch einmal die Videos vom Aufstellungs-Appell an. Ich sag euch, Leute, haben wir echt gut performed und vor allem du, Tom, wie du da rittlings auf der Kanone posierst, die Kathedrale im Hintergrund, perfekt. Neben unserm Gerät fällt die Panzerhaubitze 2000 richtiggehend ab, kann man nicht anders sagen, tut mir leid für die Haubitze. – Mag’ste mal wieder zu der Stelle spulen, wo mir die Puppe das Küsschen auf die Wange drückt, war doch affentittengeil, sagt Tom. Meinst du die Stelle oder die Frau? Beides, Kevin, beides. Ja, mach mal, Lothar springt Tom bei, wenn ich der mit meinen Händen nicht ordentlich Druck unterm Arsch gemacht hätte, allein hätte die es nicht zu dir auf die Wanne geschafft. Lothar, du armes Schwein, die hat doch nur Augen für mich gehabt und das Rohr zwischen meinen Beinen, den stahlharten Ständer, litauische Männer verfüge über kein auch nur annähernd ebenbürdiges Gerät.

Hallo, gehts auch weniger ordinär, die Litauer sind keine Pädorussen, sondern unsere Verbündeten. Das Wort Pädorussen, Schwule, haben Kevin und seine Leute von ukrainischen Kollegen. Hier hab ichs, sagt Kevin, ihr meint die Lehrerin mit der Grundschulklasse, Sechsjährige, heidenei, das Alter wie unser Paul. Guckt mal den da, flinkes Kerlchen, Maltes Zeigefinger weist auf Kevins Display, die fähnchenschwenkende Schülerschar lenkt Malte von Toms Radunfall ab. Lauter Kevin, ich versteh nichts. Ich übersetze es dir, Tom. Seine litauische Flamme spricht etwas in ein Reportermikrofon. Die Kinder wissen schon ganz schön viel, weil die Ukraine ist so nah, darüber muss mit Ihnen gesprochen werden, übersetzt Kevin. Wie, sonst nichts, das wars schon? Malte tut enttäuscht. Ja weil sie jetzt zu mir raufkommt, siehst du nicht, sagt Tom. Aber nur, weil ich Hand anlege und sie am Arsch hochschiebe. Neid, der pure Neid, Lothar, da, schmatz, ich spürs jetzt noch feucht auf der Backe, eindeutig seitlich verrutschter Zungenkuss. Angeber. – Gebannt verfolgen die Vier das Video. Der Mann hat das Baby auf dem Arm. German military supporting us, die junge Mutter im O-Ton, it makes us feel a little bit safer about our child and its future. Ihr Mann sagt, some of our friends dont want to buy a house or flat, they are scared of a military invasion, but I dont think that something will happen. Optimist, der kennt Putin nicht.

Zuende? Ja, Kevin wischt über den Touchscreen. Die Deutschlandfunk-App hab ich noch, wollt ihr hören? Andächtig lauschen sie dem schneidigen Kommentar des Redakteurs und dem eingespielten Originalton. Stand by our friends always, ist gerade noch das Ende der Rede des Verteidigungsministers zu hören und dann wieder die Stimme des Redakteurs. Sobald Pistorius gesprochen hat, kam die Sonne wieder hervor, nur für den geplanten Überflug zweier Eurofighter ist das Wetter wohl doch zu unsicher. Im Tiefflug nähert sich stattdessen eine Staffel von Kampfhubschraubern vom Typ Tiger. Genau, geschifft hat es auch. Ruhe, Tom. Rotorerattern der Helikopter, dann wieder die Reporterstimme. Deutschland präsentiert militärische Stärke, nichts könnte die Zeitenwende besser illustrieren als das mitten in der Altstadt von Vilnius deutsche Panzer auffahren. Wer lädt die Granaten, fragt ein Jugendlicher einen deutschen Soldaten, der neben einer Panzerhaubitze 2000 steht. Obergefreiter Kevin kommt aus dem Erzählen gar nicht heraus. Ich glaub, ich hab heute schon zwanzigmal gehört, dass sie froh sind, dass wir hier sind. – Ha, dein Namensvetter niederen Dienstgrades, Kevin, sagt Lothar. Die App läuft weiter, die Stimme des Moderators salbungsvoll: Als der Festakt zu Ende geht, sucht Kanzler Merz auch das Gespräch mit einigen deutschen Soldaten, die sich entschlossen haben, hier zu dienen. Hauptmann Jens etwa will für fünf Jahre bleiben, er ist überwältigt von der Gastfreundschaft der Litauer. Das ist mega hier, das gibt mir auch ein Gänsehautgefühl, ich kann nur jedem deutschem Soldaten raten, kommt hier her, das ist ein erfüllender Dienst.

Na, da sind wir hier doch goldrichtig, Jungs, Tom schlägt sich auf den Schenkel. Und die geilen Weiber obendrauf als Zugabe. Halt jetzt mal die Klappe, Tom, Kevin versenkt sein Smartphone in der Brusttasche. Malte hat seines noch immer in der Hand. Wollt ihr von mir noch was hören? Was haste denn, was Cooles, hoffentlich nichts von dem Sturz, das gibt sich wieder, der kommt schon wieder auf die Beine, euer Tom, der rasende Radkurier. Ne, nichts davon, was Lustiges, was Britta neulich vor der Kaufhalle beobachtet hat. Zehntklässler müssen da wohl ne Antifa-Gruppe gebildet haben und vor dem Eingang aufmarschiert sein. Echt, bei euch in Görlitz? Wo sonst, einen Reim haben sie skandiert, Britta weis nicht recht, ob sie das witzig finden soll. Der Text geht so: Matze, mitze, matze, och men Alter, der war keene Glatze. Ene Pranke wie ne Lewentatze, schlägt er den Faschos in die Fratze und haut den Nazis uf de Glatze, matze mitze matze. –  Das trauen die sich da in eurem blauen Osten? Oder ist das ein Scherz, Kevin kneift die Augen zusammen. Britta scherzt mit so was nicht, sagt Malte, die frischgegründete Ortsgruppe der Omas gegen Rechts hat den strammen Antifa-Kids Begleitschutz gegeben. Ein Rentner muss mit seiner Krücke rumgefuchtelt haben, aber sonst blieb es ruhig. –  Wisst ihr was, Kevin gähnt, ich hau mich aufs Ohr, matze mitze matze, ruff uf die Matratze. Muss morgen früh nen klaren Kopp haben, eine Deutschlandfunkredakteurin hat mich angefragt, will ein kurzes Statement haben von einem Leo-Kommandanten. Zwei Monate seien wir schon hier, ob es endlich vorangeht oder falls nicht, dass sie vom Sender aus mehr Druck machen. Was willste der denn Neues erzählen, fragt Lothar, ja nichts, dasselbe wie neulich schon mal. Uns beflügelt in erster Linie der Gedanke, hier die Freiheit und Sicherheit auch der deutschen Bevölkerung zu verteidigen. Dass im übrigen mein Herz bei meiner Frau und unserem kleinen Sohn ist. Und dass ab dem Moment, wo ich im Dienst bin und im Kommandostand voll gefordert bin, das alles keine Rolle spielt und ich nurmehr das eine weiß, ich bin hier und hab mein Waffensystem unter Kontrolle. Gute Nacht, Leute.

P.S. Fortsetzung folgt. Von Kalamitäten an der Heimatfront handelt die vierte Folge. Kommander Kevin im Baltikum erfährt davon in einem langen Telefonat mit seiner Frau. Seine Kriegstüchtigkeit vor Ort leidet dadurch nicht, unbeirrt hat er sein Waffensystem unter Kontrolle. In dieser Folge erfahren Lesende unter anderem, wie es mit dem alten Herr Wörner aus Folge 2 weitergegangen ist, der Zustand des ehemaligen Waffen-SSlers hat sich infolge einer Retraumatisierung besorgniserregend verschlechtert.