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Engagement gegen Behindertenfeindlichkeit – oberbayerischer Bezirksrat soll bestraft werden

Goldene Statue Justitia mit Schwert und Waage
Statue Justitia
Foto: Sang Hyun Cho auf Pixabay

München (kobinet) Der oberbayerische Bezirksrat der LINKEN, Prof. Dr. Klaus Weber, muss sich vor dem Amtsgericht München am 28. Mai 2025 verantworten. Er soll einen Beamten der Regierung von Oberfranken beleidigt haben und deshalb 4.000 Euro Strafe bezahlen. Weber, von einer Bezirksrätin der SPD als "linke Sau" tituliert (Verfahren eingestellt) und von einem AfD-Bezirksrat als Mann "mit Dachschaden" und "psychisch krank" bezeichnet (Verfahren eingestellt), sieht im ihm vorliegenden Strafbefehl zwei für die deutsche Justiz typische Merkmale: "Zum einen werden Faschisten und Beleidiger von der Justiz geschont, wenn es gegen Linke geht", so Weber; und "zum anderen wird, wie in meinem Fall, der Beamte, der einen behinderten Menschen beleidigt, von Justizseite geschützt". So heißt es in einer von Prof. Dr. Klaus Weber verbreiteten Presseinformation.

Weber, der selbst seit mehr als 20 Jahren bayerischer Beamter ist, half seinen Angaben zufolge einem blinden Mann bei der Beantragung der Mobilitätshilfe. Dieser will acht Mal im Monat nach Bayreuth fahren, um Freunde zu treffen. Weil das nur mit dem Taxi geht, braucht er dazu 800 Euro Hilfeleistung (Dokumente wurden alle beigebracht). Der Regierungsbeamte stellt im Widerspruchsbescheid fest, es gehe nicht an, dass behinderte Menschen mit der Mobilitätshilfe „jeden Ort in der Bundesrepublik beliebig oft erreichen“ wollen. Der blinde Mensch will Freunde besuchen und der Beamte unterstellt ihm, er wolle Deutschland willkürlich bereisen. Weber antwortete darauf mit dem Hinweis, dass nur unter den Nationalsozialisten solch menschenfeindliche Sätze üblich gewesen seien – Menschen mit Behinderung seien heutzutage anders zu behandeln. „Der Beamte stellte Strafanzeige und die Richterin stellte den Strafbefehl aus – ohne die Vorgeschichte auch nur zu erwähnen“, berichtet Prof. Dr. Klaus Weber.

Die Gerichtsverhandlung gegen Prof. Dr. Klaus Weber findet statt am 28. Mai 20025 um 15 Uhr in der Nymphenburger Straße 16 in München, Sitzungssaal A 122, 1. Stock.

Lesermeinungen

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2 Lesermeinungen
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Martin
25.05.2025 23:38

Ich frage mich dabei was einen mehr erschrecken soll: die fragwürdigen Äußerungen des besagten Beamten in den widerspruchsbescheid oder aber die Richterin….. Andererseits muss man vielleicht auch nicht immer gleich den Nationalsozialismus ins Feld führen um behindertenfeindliches agieren anzuprangern. Das macht es den vermeintlichen schreibtischtätern dann nur umso leichter sich als Opfer zu stilisieren. In jedem Fall wird es wieder mal ein sehr trübes Licht auf die bundesdeutsche Justiz. Das hat mir leider alles schon und Erinnerungen an das berichtigte Frankfurter Reiseurteil werden in mir wach gerufen!

Ja denke ich an Deutschland in der Nacht……

Martin Theben

Ralph Milewski
25.05.2025 17:14

Entscheiden, nicht herabwürdigen

Im Fall der beantragten Mobilitätshilfe in Höhe von 800 Euro hätte der Bescheid sachlich und respektvoll lauten können: „Es tut uns leid, aber der beantragte Betrag liegt über der festgelegten Höchstgrenze. Ein Mehrbedarf konnte nicht anerkannt werden.“

Das wäre menschlich gewesen. Und rechtlich völlig ausreichend.

Doch statt einer nüchternen Ablehnung enthielt der Bescheid die Formulierung, es könne nicht angehen, dass „behinderte Menschen jeden Ort in der Bundesrepublik beliebig oft erreichen“ wollen. Diese Aussage ist nicht nur sachlich unnötig – sie ist herabwürdigend, übergriffig und eindeutig ableistisch.

Sie unterstellt, dass Menschen mit Behinderung sich bescheiden sollen. Dass Mobilität, wenn sie über das absolut Notwendige hinausgeht, vermessen ist. Sie macht aus einem Antrag auf Teilhabe einen Akt vermeintlicher Unverschämtheit.

Solche Formulierungen sind kein Verwaltungsfehler, sondern Ausdruck eines strukturellen Denkens, das Behinderung reguliert statt unterstützt. Teilhabe wird nicht ermöglicht, sondern limitiert – und wer mehr will, wird moralisch abgewertet.

Verwaltung hat zu prüfen, nicht zu urteilen. Sie hat transparent zu entscheiden, nicht sich über Antragsteller zu erheben. Alles andere ist keine Verwaltung – sondern Machtausübung durch Sprache.

Vielleicht sollte der Antragsteller tatsächlich in Erwägung ziehen, stattdessen eine persönliche Assistenz zu beantragen. Mit Assistenz könnte er den gesamten ÖPNV bundesweit nutzen – flexibel, selbstbestimmt und vollständig im Sinne des Teilhaberechts.

Die Kosten? Ein Vielfaches.

Aber offenbar ist es in diesem System besser, teure Lösungen zu finanzieren, als pragmatische, günstige Wege zu unterstützen, wenn sie zu viel Eigenständigkeit ermöglichen.