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Junge Frauen mit Behinderung: Wegbereiterinnen und Zukunftsgestalterinnen der Behindertenrechtsbewegung

Lucienne Mindermann mit einem Plakat
Lucienne Mindermann mit einem Plakat
Foto: privat

München (kobinet) "Die Beteiligung junger Frauen mit Behinderung ist der Schlüssel zu einer starken, zukunftsfähigen und vielfältigen Behindertenrechtsbewegung. Ihre Erfahrungen, ihr Engagement und ihre Visionen sind heute wichtiger denn je." Dies ist das Fazit von Lucienne Mindermann, die den kobinet-nachrichten einen Beitrag zum Thema behinderte Frauen in der Behindertenbewegung zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat. Zuletzt wurde bei der Mitmach-Tagung zur Behindertenrechtsbewegung am 16. und 17. Mai 2025 die Power behinderter Frauen und vor allem das Engagement jüngerer behinderter Frauen deutlich.

Junge Frauen mit Behinderung: Wegbereiterinnen und Zukunftsgestalterinnen der Behindertenrechtsbewegung

Beitrag von Lucienne Mindermann

Frauen mit Behinderung haben die Behindertenrechtsbewegung in Deutschland von Beginn an entscheidend geprägt. Ein historischer Wendepunkt war das sogenannte Krüppeltribunal 1981 in Dortmund, das von jungen behinderten Frauen maßgeblich mitorganisiert wurde. Dort erhoben sie erstmals öffentlich ihre Stimmen gegen systematische Menschenrechtsverletzungen – etwa Zwangssterilisationen, Fremdbestimmung und institutionelle Gewalt – und forderten Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe. Diese Veranstaltung gilt heute als Geburtsstunde der modernen Behindertenbewegung in Deutschland.

Im Anschluss an das Tribunal entstanden in zahlreichen Städten sogenannte Krüppelfrauengruppen. Hier vernetzten sich junge Frauen mit Behinderung, tauschten Erfahrungen aus und entwickelten gemeinsame Strategien für mehr Sichtbarkeit und Rechte. Ein Beispiel ist die Marburger Frauengruppe, die 1985 die bundesweit erste Ausstellung zum Thema „Frauen mit Behinderung“ organisierte – ein mutiger, kreativer und selbstbewusster Schritt, der das Thema nachhaltig in die Öffentlichkeit brachte.

Ein weiterer Meilenstein war 1992 die Gründung des ersten Netzwerks behinderter Frauen in Hessen. Dieses Netzwerk wurde zum Vorbild für ähnliche Initiativen bundesweit und trug dazu bei, die Bewegung zu professionalisieren. In den 1990er Jahren gelang es jungen Aktivistinnen, zentrale Themen wie Gewaltprävention, sexuelle Selbstbestimmung und Barrierefreiheit in die Gleichstellungsgesetzgebung einzubringen. Besonders hervorzuheben ist, dass die Bewegung behinderter Frauen das Thema sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderung erstmals öffentlich machte und erfolgreich Präventionsmaßnahmen sowie härtere Strafen für Täter forderte – ein Thema, das bis heutw gesellschaftlich relevant ist.

Aktuelle Herausforderungen: Gewalt, Teilhabe, Sichtbarkeit

Trotz dieser Errungenschaften stehen Frauen mit Behinderung weiterhin vor gravierenden Herausforderungen. Gewalt bleibt ein zentrales Thema: Laut der Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“ (BMFSFJ, 2012) erleben Frauen mit Behinderung deutlich häufiger Gewalt als Frauen ohne Behinderung. Das neue Gewalthilfegesetz von 2025 wird als Fortschritt gewertet, doch Betroffene und Beratungsstellen weisen weiterhin auf große Lücken beim Schutz und bei der Unterstützung hin. Auch politische und gesellschaftliche Teilhabe ist für viele Frauen mit Behinderung noch nicht selbstverständlich. Barrieren in Bildung, Arbeitsmarkt und Gesundheitssystem bestehen fort. Diskriminierung wirkt oft mehrfach: als Frauen, als Menschen mit Behinderung und häufig auch durch weitere Merkmale wie Herkunft, sexuelle Identität oder soziale Lage.

Die Stimme der jungen Generation ist unverzichtbar

Gerade junge Frauen mit Behinderung bringen neue Perspektiven und Kompetenzen in die Bewegung ein – etwa im Bereich Digitalisierung, Social Media und intersektionale Vernetzung. Ihre Stimmen sind unverzichtbar, um Lösungen zu entwickeln, die wirklich alle erreichen und niemanden zurücklassen. Sie fordern nicht nur Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen, sondern auch mehr Mitsprache und Repräsentanz in politischen Gremien.

Die Zukunft der Behindertenrechtsbewegung hängt entscheidend davon ab, wie gut es gelingt, die Stimmen junger Frauen mit Behinderung einzubeziehen und intersektionale Ansätze zu stärken. Nur so kann eine inklusive Gesellschaft entstehen, in der Gleichberechtigung und Teilhabe für alle Wirklichkeit werden.

Fazit:

Die Beteiligung junger Frauen mit Behinderung ist der Schlüssel zu einer starken, zukunftsfähigen und vielfältigen Behindertenrechtsbewegung. Ihre Erfahrungen, ihr Engagement und ihre Visionen sind heute wichtiger denn je.