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Offener Brief an Markus Lanz wegen Diskussion über Kosten der Behindertenhilfe

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Berlin (kobinet) Die Diskussionen zu den Kosten des Bundesteilhabegesetzes und über den damit verbundenen bürokratischen Aufwand in der ZDF-Sendung Markus Lanz haben eine Reihe von behindertenpolitisch Aktiven verärgert. Gerd Miedthank, Vorsitzender des in Berlin ansässigen Verein Sozialdenker, hat sich mit einem offenen Brief an Markus Lanz gewandt und zur Diskussion Stellung genommen. Im folgenden veröffentlichen die kobinet-nachrichten den offenen Brief der Sozialdenker an Markus Lanz.

Sehr geehrter Herr Markus Lanz, sehr geehrte Damen und Herren,

das Bundesteilhabegesetzt (BTHG, jetzt im SGB IX Teil 2, wurde vom Deutschen Bundestag und Bundesrat im Dezember 2016 verabschiedet. Die finanziellen Zuwendungen vom Bund an die Länder zu diesem Gesetzt sollten jährlich 5 Milliarden Euro betragen. Der Finanzminister Schäuble hat diese geplanten 5 Milliarden Euro dann den Ländern und Kommunen zur Entlastung als Mietzuschuss des Bundes im SGB II gegeben. Siehe dazu: https://www.landkreistag.de/presseforum/pressemitteilungen/1996-pressemitteilung-vom-24-november-2016 .Die Politiker haben einfach diese Gelder des Bundes umgewidmet, ein großer Verschiebebahnhof zu Lasten der Menschen mit Behinderungen.

Und nun echauffiert sich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer in Ihrer Sendung am 22.04.2025 über die Kosten des Bundesteilhabegesetzes in Ihrer Sendung. Dies ist nicht nur geschmacklos, sondern lässt Schlimmes erahnen. Erst waren es die Flüchtlinge und jetzt kommen die Menschen mit Behinderungen dran, die am Niedergang der Kommunenfinanzierung schuld sind. Solche ähnlichen Gedankenwege hatten wir schon einmal in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts und wohin sie uns hingeführt haben, ist allgemein bekannt. Und das Herr Frei (CDU) diese Worthülsen von Herrn Palmer einen Tag später in Ihrer Sendung vom 23.04.2025 automatisch übernommen hat, beweist uns, dass dies schon einem neuen politisches Vorgehen entspricht, wo man Einsparungen vornehmen könnte. Nicht mit uns!

Die Menschen mit Behinderungen haben sich im Hinblick dieses Bürokratiemonsters und falschen Weichenstellungen gegen dieses BTHG unter dem Motto: „Nicht mein Gesetzt“ gestellt und mehrfach im Jahre 2016 dagegen demonstriert. Den Politikern im Deutschen Bundestag und Bundesrat war es egal. Wir Menschen mit Behinderungen sind nicht daran schuld, dass die Politiker im Bund und den Ländern schlechte Gesetze verabschieden und die Kommunen jetzt im Regen stehen lassen. Die Leittragenden sind wie immer die Menschen mit Behinderungen in diesem BTHG-Desaster.

Mit freundlichen Grüßen

Gerd Miedthank, Vorsitzender Sozialdenker e.V.

Link zum Kommentar von Ottmar Miles-Paul in den kobinet-nachrichten vom 24. April 2025

Lesermeinungen

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3 Lesermeinungen
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Ralph Milewski
28.04.2025 14:51

Ich halte es grundsätzlich für einen Fehler, Formate wie Markus Lanz als geeigneten Rahmen für ernsthafte Diskussionen über Behindertenpolitik oder gesellschaftliche Teilhabe anzusehen.

Diese Sendungen sind auf Emotionalisierung und Vereinfachung angelegt, nicht auf differenzierte Aufklärung.

Provokation ersetzt dort Analyse, Schlagworte ersetzen Nachdenken.

Echte gesellschaftliche Probleme lassen sich nicht unter den Bedingungen von Einschaltquoten und medialer Dramaturgie lösen.

Dass ausgerechnet solche Formate nun Debatten über die Kosten der Behindertenhilfe anstoßen, zeigt eher die Schwäche unserer öffentlichen Diskussionskultur als ernsthafte Auseinandersetzungsbereitschaft.

Wen wundert es noch, dass ein Boris Palmer eingeladen wird?
Es geht nicht um Diskussion, sondern um Provokation.
Es geht nicht um Qualität, sondern um Quote.

Wer ernsthafte gesellschaftliche Fragen auf solche Bühnen trägt, verkennt die Mechanik dieser Medieninszenierungen.

Martin
26.04.2025 19:43

Ungeachtet dessen geht es Menschen wie Boris Palmer nur um eins….. Boris Palmer.

Und Markus Lanz ist nicht nur mit diesem Thema überfordert und außerdem ist seine interviewführung katastrophal weil er den Menschen ständig ins Wort fällt.

Martin Theben

Klaus K
25.04.2025 11:05

Es ist lohnenswert sich die Sendung noch einmal anzuschauen, denn aus dem Gesamtdialog in der Sendung wird deutlich, worum es eigentlich geht. Nicht die Behindertenhilfe wird in Frage gestellt, nicht der Individualbedarf.

Waren es früher nur „Schubladen“ die den Bedarf berechnet haben, sind es heute individuelle Bedarfsermittlungen. Eigentlich eine Verbesserung, wenn da nicht die umsetzenden Behörden, so mein Verdacht, sich selbst im Wege stehen.

Einfach mal den „Behördenstaub“ beseitigen, dort Prozesse vereinfachen anstatt ewige Prüfverfahren, dann können die Gelder schneller fließen, die Bürokratiekosten gesenkt werden. Genau das ist aber der Punkt, an den die Union ran will.

Das BTHG, so interpretiere ich den Gesamtkontext, wurde gar nicht in Frage gestellt, es ist vielmehr das dahintersteckende Umsetzungskonzept und vielleicht hätte man sich da in der Sendung ehrlich machen müssen, anstatt das BTHG zu kritisieren.

Lanz selber, das hat man gemerkt, war von der Problematik überrascht und inhaltlich damit überfordert.