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Blick ins Bundestagswahlprogramm der Grünen zur Behindertenpolitik

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Foto: Bündnis 90 DIE GRÜNEN

Berlin (kobinet) Am 6. Januar 2025 haben die kobinet-nachrichten über die behindertenpolitischen Aspekte im Bundestagswahlprogramm der CDU/CSU berichtet, gefolgt von den entsprechenden Formulierungen im SPD Regierungsprogramm am 13. Januar. Nun haben auch Bündnis 90/Die Grünen das bei ihrem Parteitag am 26. Januar 2025 beschlossene "Regierungsprogramm" für den Bundestagswahlkampf ins Internet eingestellt. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul hat einige spannende Aspekte zur Behindertenpolitik darin gefunden.

Wenn man im Regierungsprogramm von Bündnis 90/DIE Grünen, das unter dem Motto Zusammen Wachsen veröffentlicht wurde, den Begriff Inklusion eingibt, findet man dazu in verschiedenen Teilen des Programms für die Bundestagswahl entsprechende Formulierungen. Auf Seite 122/123 befindet sich der Hauptteil des Programms zur Behindertenpolitik. Dort heißt es:

Für gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung und eine inklusive Gesellschaft

Wir wollen eine inklusive Gesellschaft schaffen, in der alle Menschen gleichberechtigt und selbstbestimmt teilhaben können. Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Recht endlich Wirklichkeit und Ableismus abgebaut wird. Das heißt auch, dass geltendes Recht den Zielen der Inklusion nicht entgegenstehen darf. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) ist dabei Maßstab unseres Handelns. Wir richten eine Enquetekommission Inklusion ein, die unter Beteiligung von Selbstvertreter*innen umfassende Vorschläge erarbeiten soll. Bürokratische Hürden und technische Normen, die Menschen mit Behinderung an ihrer Teilhabe hindern, wollen wir abbauen und auf Barrierefreiheit prüfen. Damit die Verwendung von Steuern und öffentlichen Geldern allen zugutekommt, müssen Inklusion und Barrierefreiheit in Gesetzgebungsverfahren stets mitgedacht werden.

Barrierefreiheit soll endlich in allen Bereichen, im Analogen wie im Digitalen, in nationales Recht umgesetzt sowie einfacher und tatsächlich durchsetzbar werden: Die Gebäude des Bundes wollen wir innerhalb von zehn Jahren barrierefrei machen. Auch Anbieter*innen öffentlich zugänglicher Angebote und Dienstleistungen müssen konsequent Vorkehrungen zur Barrierefreiheit treffen, wobei wir sie mit einer Überforderungsklausel schützen und sie mit einem digitalen Barrierefreiheitstool unterstützen. Auch Vermieter*innen von Büro- und Gewerbeflächen sind angehalten, diese Vorkehrungen zu treffen. Mieter*innen von Gewerbe- und Büroflächen wollen wir den barrierefreien Umbau ihrer Gewerbe- und Büroflächen auch in rechtlicher Hinsicht erleichtern und streben eine Ausweitung der bestehenden Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an.

Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung ihre Potenziale gleichberechtigt auch auf dem ersten Arbeitsmarkt einbringen und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können. Damit Arbeitgeber*innen ihrer Beschäftigungspflicht nachkommen, schließen wir gesetzliche Schlupflöcher und passen die Ausgleichsabgabe an. Menschen mit Behinderung sollen wirklich selbstbestimmt entscheiden können, wo und wie sie arbeiten. Das heutige ausgrenzende Werkstättensystem wollen wir schrittweise in Richtung Inklusionsunternehmen weiterentwickeln, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten, mindestens nach Mindestlohn entlohnt werden und existenzsichernde Rentenansprüche erwerben können. Dafür sollen sie die individuell benötigte Unterstützung erhalten. Die Reform des Werkstättensystems werden wir dabei im engen Dialog gemeinsam mit den Werkstätten und Betroffenen gestalten. Hürden bei Eintritt und Rückkehr ins Berufsleben sowie bei der Qualifizierung beseitigen wir. Zusätzlich setzen wir uns dafür ein, dass in den Bundesverwaltungen Modellprojekte für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus geschaffen werden. EU-Mittel sollen nicht in Arbeitsformen fließen, die Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention entgegenstehen. Die Erwerbsminderungsrente wollen wir durchlässiger gestalten und hierbei Fehlanreize beseitigen. Das Bildungssystem ist von Anfang an inklusiv auszugestalten. Die Kosten für dafür notwendige Unterstützung müssen übernommen werden. Auch die inklusive Aus- und Weiterbildung wollen wir fördern. Die Peer-Beratung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) wollen wir in allen Regionen weiterentwickeln. Die Eingliederungshilfe wollen wir verbessern und vereinfachen, damit Betroffene niedrigschwellig, möglichst digital, schnell und aus einer Hand Zugang zu Leistungen erhalten. Dazu gehört es auch, die Durchsetzung sozialrechtlicher Ansprüche auf Teilhabe bei Behörden und Gerichten zu beschleunigen und die Schnittstellen zu anderen Sozialgesetzen im Sinne der Menschen mit Behinderung zu überarbeiten. Bund, Länder und Kommunen sollen gemeinsam Lösungen zur Sicherstellung der Finanzierung der Eingliederungshilfe entwickeln. Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung selbst entscheiden können, wo und wie sie wohnen und wie sie ihre Freizeit verbringen möchten. Dazu bedarf es einer inklusiven Sozialraumplanung in den Städten und Gemeinden. Unterstützungsleistungen müssen unabhängig von Einkommen und Vermögen einfach und schnell zur Verfügung gestellt werden. Wir wollen den Ausbau inklusiver Wohnformen vorantreiben und fördern und die Beratung dazu verbessern. Hürden, die das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung einschränken, wollen wir abbauen. Wir stärken das persönliche Budget als wichtiges Instrument der Selbstbestimmung.

Wir wollen die Deutsche Gebärdensprache besser verankern, weiter fördern und damit auch ihre Nutzer*innen stärken. Wir wollen sie als nationale Minderheitensprache anerkennen und prüfen Wege zur Umsetzung. Wir setzen uns für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums zur barrierefreien Kommunikation ein. Wir stärken die Disability Studies.

Menschen mit Behinderung, insbesondere Frauen, sind häufiger von Gewalt betroffen als nicht behinderte Menschen. Wir wollen, dass der Schutz vor Gewalt für alle Menschen gilt und bauen den Gewaltschutz – insbesondere bei Angeboten für Menschen mit Behinderung – deutlich aus. Wir stärken das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch für Menschen mit Behinderung.

Wir nehmen bei unseren Maßnahmen auch Menschen mit chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel Asthma und Allergien stärker in den Blick, damit sie überall gleichberechtigt teilhaben können.

In Sachen Antidiskriminierung heißt es auf Seite 115

Menschen, die zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt, im Gesundheitsbereich oder bei der Arbeit Diskriminierung erfahren, schützt der Rechtsstaat: Wir werden das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz reformieren. Dazu weiten wir Fristen, Diskriminierungsgründe und den Anwendungsbereich aus, führen ein Verbandsklagerecht ein und schließen Schutzlücken. Dazu gehört auch der Schutz vor Diskriminierung durch staatliche Stellen. Deutschland soll seinen Vorbehalt gegen die 5. Europäische Antidiskriminierungsrichtlinie aufgeben und damit die Interessen der Betroffenen in den Mittelpunkt rücken. Wir wollen, dass Beratungsstellen und Selbstorganisationen langfristig abgesichert und ausgebaut werden sowie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch in ihren Kompetenzen gestärkt wird. Mit einem Nationalen Aktionsplan Antidiskriminierung wollen wir eine wirksame Antidiskriminierungspolitik umsetzen. Mit der Schaffung der Beauftragten für Antidiskriminierung, Queeres Leben, Antirassismus und Antiziganismus haben wir die politische Stärkung von Vielfalt noch stärker verankert. Wir wollen ihre und die Arbeit der weiteren Beauftragten für gesellschaftliche Vielfalt weiter stärken. Wir bauen die Forschung wie zum Beispiel den Nationalen Rassismus- und Diskriminierungsmonitor zu Erscheinungsformen und Ausprägung von Diskriminierung aus. Um strukturellen Rassismus, egal ob im Gesundheitswesen, in der Justiz oder in unseren Sicherheitsbehörden, zu bekämpfen, wollen wir zielgerichtete Fortbildungsangebote zur Steigerung der Diskriminierungssensibilität stärker fördern. Zudem wollen wir die zweite Dekade der Vereinten Nationen (UN) für Menschen afrikanischer Herkunft auch in Deutschland aktiv vorantreiben, Bildungsprojekte fördern und die politische Teilhabe Schwarzer Menschen stärken.

Auf Seite 67 heißt es:

Wir treten dafür ein, dass das kirchliche Arbeitsrecht reformiert und die gewerkschaftliche Mitbestimmung gefördert wird sowie die Ausnahmeklauseln für die Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgehoben werden. Der religiöse Verkündigungsbereich bleibt hiervon unberührt.

Auf Seite 82 heißt es:

Wir wollen Eltern vor Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt besser schützen, zum Beispiel auch im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Link zum Regierungsprogramm von Bündnis 90/Die Grünen

Link zum kobinet-Bericht zum Regierungsprogramm der SPD vom 13. Januar 2025

Link zum kobinet-Bericht über das Bundestagswahlprogramm der CDU/CSU vom 6. Januar 2025