Berlin (kobinet) Derzeit wird einmal wieder diskutiert, ob es gerechtfertigt ist, dass Kassenpatient*innen ungleich länger auf einen Facharzttermin warten müssen als Privatpatient*innen (siehe https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/krankenkassen-diskriminierung-gesetzlich-privat-versicherte-100.html Die Redaktion der kobinet-nachrichten fragt sich, wie es in diesem Zusammenhang um die Versorgung behinderter Kassenpatient*innen bestellt ist und hat mit zwei Betroffenen[1] gesprochen, die einen Termin für eine Magnetresonanztomographie (MRT) brauchten.
kobinet-nachrichten: Wie waren Ihre Erfahrungen, Frau Weber?
Anne Weber: Ich lebe in einer Großstadt und bewege mich im Rollstuhl. Die MRT-Untersuchung war im Herbst notwendig, um eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) auszuschließen. Einen Tag lang habe ich selbst erfolglos rumtelefoniert und dann den Terminservice meiner Krankenkasse eingeschaltet. Damit hatte ich in der Vergangenheit bereits gute Erfahrungen gemacht.
kobinet-nachrichten: Und, wie lief es dieses Mal?
Anne Weber: Obwohl ich weder eine räumliche noch eine zeitliche Begrenzung angegeben hatte, war zwar ein MRT-Termin recht kurzfristig erhältlich, aber nicht für mich als Rollstuhlfahrerin. Egal wie ich argumentierte sagte man mir in der Praxis, man nehme keine behinderten Patient*innen. Für mich gab es gar keinen Termin, nicht innerhalb meiner Stadt, nicht außerhalb meiner Stadt, nicht kurzfristig, nicht langfristig.
kobinet-nachrichten: Was haben Sie dann gemacht?
Anne Weber: Ich habe in einem Krankenhaus angerufen. Als es hieß, man nehme nur Privatpatient*innen, habe ich gesagt, dass ich selbst zahle. Schwupp, hatte ich einen Termin in weniger als einer Woche. Ich musste knapp 700 Euro vorstrecken, die ich im Nachhinein vollständig von meiner Krankenkasse erstattet bekommen habe.
kobinet-nachrichten: Wo ist dann das Problem?
Anne Weber: Nicht jede*r kann solch einen Betrag vorstrecken mit dem Risiko, eventuell nichts oder nur einen Teil erstattet zu bekommen.
kobinet-nachrichten: Das leuchtet ein. Herr Gruner, auch Sie sind unzufrieden, warum?
Björn Gruner: Ich bin stark sehbehindert, lebe auch in einer Großstadt. Ich brauchte im Herbst einen MRT-Termin, um Schmerzen an der Hüfte abzuklären. Mit einem elektronischen Buchungssystem bekam ich einen Termin nach rund sechs Wochen. Wenn ich aber wahrheitsgemäß „behindert“ ankreuzte, weil ich zu dieser Zeit Krücken nutzen musste, gab es gar keinen Termin. Also habe ich das Kreuzchen wieder entfernt weil ich wusste, dass die Praxis über einen Aufzug erreichbar ist, und hatte meinen Termin.
kobinet-nachrichten: Frage an Sie beide: Können Sie sich erklären, warum es diese Probleme gibt?
Anne Weber: Das Metall eines Rollstuhls stört die elektromagnetischen Wellen. Aber ich hatte angeboten, dass mein Mann mich in den Untersuchungsraum trägt. Das half aber nichts „nein, wir nehmen keine Behinderten“, hieß es. Im Krankenhaus hatten sie einen Plastikrollstuhl. Solch ein Gerät könnten sich auch die entsprechenden Praxen leisten.
Björn Gruner: Zum Teil gibt es Lösungen für Menschen mit Behinderungen, wenn man will. Alle behinderten Menschen aber pauschal, ohne irgendwelche Details abzufragen oder über angemessene Vorkehrungen nachzudenken und damit von der Regelversorgung auszuschließen, macht keinen Sinn und ist schlichtweg eine Diskriminierung.
kobinet-nachrichten: Danke Ihnen beiden! Wenn Sie, liebe Leser*innen, ähnliche Erfahrungen gemacht haben, schreiben Sie gerne in der Leserbriefrubrik zu diesem Beitrag darüber.
[1] Die Namen wurden geändert. Die richtigen Namen und Orte sind der Redaktion bekannt.
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