
Foto: Susie Knoll
Berlin (kobinet) Zu den Äußerungen der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion und von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer in Sachen Inklusion und Förderschulen hat sich VdK-Präsidentin Verena Bentele zu Wort gemeldet und klar gestellt: "Inklusion ist ein Menschenrecht. Sie soll die Ausgrenzung von Menschen überwinden, die von strukturellen und gesellschaftlichen Hürden beeinträchtigt werden. Das passt vielen politisch nicht in den Kram. Wer Inklusion an Schulen abschaffen will, will den Rückschritt und fordert die Ausgrenzung."
„Die Äußerungen von Herrn Palmer waren populistisch und haben nur ein Problem, keine Lösungen gesehen. Das ist für jemanden, dem das Bildungssystem am Herzen liegen sollte, sehr kurz gedacht. Die Behauptungen von Herrn Balzer (Anmerkungen der Redaktion: von der AFD) sind dazu noch falsch. Meine Bildungskarriere zeigt, dass Inklusion, wie ich sie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München leben konnte, mit den richtigen Voraussetzungen funktionieren kann“, betonte Verena Bentele.
Hintergrund der Diskussion:
Die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Baden-Württemberg, die in Baden-Württemberg eine Reihe von Förderschulen betreibt, hatte am 2. Dezember 2024 zur Landespressekonferenz in Stuttgart geladen. In der Einladung heißt es u.a.: „Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember möchte die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen auf die Bedeutung der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (frühere ‚Sonderschulen‘) für die Bildungschancen und Teilhabemöglichkeit von Kindern und Jugendliche mit Behinderungen hinweisen. Politisch wird die schulische Inklusion, nach Auffassung der AGFS, aktuell zu stark reduziert auf die Inklusion in Regelschulen. In einem aktuellen Positionspapier zeigt die AGFS die Konsequenzen eines verengten Inklusionsverständnisses und der daraus resultierenden politischen Konsequenzen.“
Die Pressekonferenz und die Positionen sind bei der CDU auf offene Ohren gestoßen:
Link zur Reaktion des baden-württembergischen CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Sturm
Aber auch von der AfD gab es Applaus:
Link zur Reaktion der AfD auf die Pressekonferenz
Auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer stellte in einem Interview im ARD-Morgenmagazin vom 4. Dezember 2024 ab Minute 2:08 die schulische Inklusion in Frage. „Die Inklusion zum Beispiel funktioniert inhaltlich sowieso nicht gut. In der Praxis sagen Lehrer und Eltern: ‚wir sind nicht zufrieden.‘ Vielleicht sind die Sonderschulen doch die bessere Lösung gewesen? Sie sind sehr sehr viel günstiger als dieses neue System.“
Link zum ARD-Interview mit Boris Palmer vom 4. Dezember 2024
Die Rückkehr zu getrennten Bildungswegen würde nicht nur die Inklusion von Schülern mit Behinderungen in Regelschulen stoppen, sondern auch das gesamte Konzept der Gleichberechtigung und Teilhabe infrage stellen. Inklusion ist keine Aufgabe, die wir aus Bequemlichkeit oder aus finanziellen Erwägungen heraus an den Rand schieben können. Sie ist ein Menschenrecht, das jedem einzelnen Schüler die Möglichkeit gibt, in einer vielfältigen, offenen Gesellschaft zu lernen und zu wachsen.
Es ist ein Schritt in die falsche Richtung, wenn Menschen mit Behinderungen als ein separates „Problem“ betrachtet und nicht als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft in den Mittelpunkt der Bildung gestellt werden. Diese Art von Argumentation, die den Status quo beibehalten möchte, ist ein gefährlicher Weg, der nicht nur gegen das Konzept der Inklusion geht, sondern auch die grundlegenden Prinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention untergräbt.
Inklusion bedeutet nicht, sich in der Komfortzone zu bewegen und es sich leichter zu machen. Es bedeutet, einen anspruchsvollen Weg zu gehen, der Veränderungen und Anpassungen verlangt, aber es ist der einzige Weg, eine wirklich inklusive Gesellschaft zu schaffen. Wer Inklusion abschaffen will, spielt mit dem Gedanken, alle bisherigen Bemühungen zu canceln, und riskiert, die Gesellschaft als Ganzes zurückzuwerfen.