BERLIN (kobinet) Mit dem Blick auf den Internationalen Tags der Menschenrechte in der kommenden Woche fordern das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Bochumer Zentrum für Disability Studies konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderungen. „Auch 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland können viele Menschen mit Behinderungen immer noch nicht selbst entscheiden, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Laut UN-Konvention haben sie zwar das Recht, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen und selbst zu entscheiden, wo und mit wem sie leben wollen. Faktisch werden aber insbesondere für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen kaum Alternativen zu stationären Wohnformen angeboten“, sagt Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts
Deshalb hat sich die Zahl der Menschen, die in Sondereinrichtungen leben, in den letzten 15 Jahren nicht verringert. Heute lebt immer noch knapp die Hälfte der Menschen, die Eingliederungshilfe beziehen, in institutionalisierten Wohneinrichtungen. „Das Bundesteilhabegesetz hat bisher nicht zur erhofften Deinstitutionalisierung geführt. Für stationäre Wohnformen werden nach wie vor deutlich mehr öffentliche Mittel aufgewendet als für Assistenz im eigenen Haushalt oder in Pflegefamilien“, kritisiert Kathrin Römisch, Professorin für Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik an der Evangelischen Hochschule Bochum und Leiterin des Bochumer Zentrum für Disability Studies. Sie fordert mehr Unterstützungs- und Assistenzleistungen, damit behinderte Menschen selbstbestimmt leben können.
Dazu haben auch die Vereinten Nationen immer wieder aufgefordert. 2022 sprach sich beispielsweise der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Gerard Quinn, für eine Umgestaltung der Leistungserbringung für Menschen mit Behinderungen aus. Auch der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen formulierte 2022 klare Leitlinien zur Deinstitutionalisierung und empfahl Deutschland bei der Staatenprüfung 2023, diese Leitlinien mit hoher Priorität und einer klaren Strategie umzusetzen.
Zugleich gibt es vielerorts in Deutschland viele praktische Beispiele dafür, wie Menschen mit Behinderungen mit Assistenz und ambulanter Unterstützung selbstbestimmt leben können. Diesen gilt es viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken und auf der Grundlage der damit verbundenen Erfahrungen möglichst breit in der Gesellschaft anzuwenden.
Es ist schlichtweg die fehlende gesellschaftliche und politische Unfähigkeit zur Inklusion von Menschen mit Behinderung, auch ursächlich für die sehr schwache Umsetzung des seit 2009 in Deutschland rechtskräftige UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung: Deshalb: Deutschland muss inklusionstüchtiger werden!