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Staufen (kobinet) Zweimal hat es letzten Mittwoch einen Rumms oder Bumms getan, frühmorgens und spätabends. Der erste in den USA und der zweite im Berliner Regierungsviertel. Mitbekommen haben es inzwischen alle, aber das Wesentliche gedanklich sortiert und auf den Punkt gebracht, daran mangelt es vielen noch. Deshalb hier meine Doppel-Bumms-Extrauslegung, knapp und präzis.
Erster Bumms: Trump unchained oder der Fixer als Healer
Ein Selfmade-Fixer, bei dem, was er „wieder ganz macht“, so aussieht, dass einen das kalte Grausen packt. Jedenfalls diejenigen von uns Menschen auf der gesellschaftlichen Schattenseite des Lebens, die Verstand und Mitgefühl noch nicht bei den Algorithmen abgegeben haben. – Amerika heilen, wie das gehen könnte, darüber zerbrach ich mir den Kopf in meiner „Liebeserklärung an Amerika“, der vierteiligen Erzählkolumne auf kobinet.
https://kobinet-nachrichten.org/2024/08/01/liebeserklaerung-an-amerika/
Die Heilung Amerikas, von der Trump trompetet, verschreibt dem Patienten USA dreierlei: Vorfahrt dem Raumschiff der Reichen und Superreichen, mit dem sie, die Tech-Milliardäre am Steuer, demnächst die Erde verlassen. Sicherung der „white supremacy“, der Privilegienherrschaft und Normalität des weißen, heterosexuellen Mittelklassemannes. Phrasen und Junkfood für den bemitleidenswerten Rest (verbunden mit dem Versprechen an ihn, der Migrantenmüll an der Grenze werde entsorgt). Anbruch des postapokakalyptischen „Goldenen Zeitalters“ in den USA, von wo die Vision des Fixers und Heilers nun in alle Welt ausstrahlt.
Verstrahlen lassen müssen wir uns darum noch lange nicht auf dem alten Kontinent. Was macht uns resilient? Uns Behinderte, die wir uns realistischerweise innerhalb des Trumpschen Tableaus und seiner Nachbeter zum „bemitleidenswerten Rest“ zählen dürfen. Gegen die Kollateralschäden, die der entfesselte Trump auch hier bei uns auslöst, macht uns resilient, die unerfreulichen Tatsachen nicht zu verdrängen, nicht länger zu verleugnen. Den Kopf nicht in die Feelgood-Blase stecken und glauben, alles werde, wenn auch manchmal zäh, immer inklusiver. Wird es allem Anschein nach auf absehbare Zeit jedoch nicht, im Gegenteil.
Die hiesigen Bewunderer des Fixers, Healers, Dealers oder Deal Makers mal beiseite gelassen. Die wirtschaftlichen Besitzstandswahrer und gesellschaftlichen Privilegienverteidiger hierzulande, deren Interesse immer mehr die politische Agenda bestimmt, werden in ihrem konservativen Kulturkampf und beim neoliberalen Klassenkampf von oben jetzt erst recht einen Zahn zulegen. Die Ressortfinanzen und Gelder umschichten von der Sozialkasse in die Kriegskasse. – Also nicht wundern, wenn auch wir auf einmal zu Schanzarbeiten bei Kriegsertüchtigungsprojekten herangezogen werden und wir uns nicht auf unsere Behinderung herausreden können. Weil uns die erforderliche Arbeitsassistenz auf Anhieb genehmigt wird, anstandslos bezahlt aus dem Budget für Arbeit. Putin ante Portas sind selbst wir Behinderte plötzlich unabkömmlich an der Heimatfront.
Zweiter Bumms: Linder entfesselt, steht ab sofort als qualifizierte Fachkraft dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung
Es wurde ihm sein ministerielles Bürgergeld (immerhin Steuermittel), nein, nicht gekürzt, gestrichen. Wegen wiederholter Arbeitsverweigerung und gegen die Teamarbeit gerichteter
Sabotagetätigkeit hat ihn der heißgelaufene Scholzomat aus der Regierungshängematte geworfen. Damit ist noch vor Nikolaus die Ampel aus. Und unsereins – so vernehme ich wehklagende Stimmen aus dem Behinderten- und Aktivismusmilieu, die bis zuletzt auf ein behindertenpolitisches Pfingstwunder hofften und darum eine ganz besondere Schreibtischschublade im Berliner Regierungsviertel Tag und Nacht nicht aus dem Auge ließen – unsereins schaut in die Röhre.
Wie könnte ich als mitfühlender Mitbetroffener ihren Kater lindern? Der, mal ehrlich, ein bisschen auch nach selber mit verursachter Demoralisierung aussieht, wenn man geradezu obsessiv Hoffnungen und Erwartungen nährt, die nur bei partieller Realitätsausblendung halbwegs realistisch erscheinen. Genau, ich könnte sie auf meine Dezemberkolumne hinweisen, in der es nämlich um den sprichwörtlich „heilsamen Wirklichkeitsschock“ gehen wird.
P.S. Sinn-und Begriffserklärung
Warum die Tech-Milliardäre demnächst die Erde verlassen: Wegen der Hitze und der Waldbrände fangen ihre kalifornischen Villen immer öfter Feuer und stehen lichterloh in Flammen. Von dieser ständigen Qualmbelästigung und Rauchvergiftung haben sie die Nase gestrichen voll. Auf dem Mars geht das alles viel ökologischer und villen- und umweltschonender zu.
Postapokalyptisch: Wir befinden uns bereits in der Zeit nach der entschiedenen Offenbarung, Klimakollaps und der ganze Rattenschwanz, daher das „post“. Alle wissen es, viele wollen es nur nicht wahrhaben. Vermutlich selbst dann nicht, wenn in dem vom Allesfixer und Gesundbeter Trump angekündigten „Golden Age“ Menschen, die nicht mit dem Raumschiff auf den Mars ausweichen können, das Wasser regelmäßig bis zum Hals steht. Mit verzücktem Lächeln und einem „God bless America“ auf den Lippen verschwinden sie unter der Wasseroberfläche und noch im Augenblick des Erstickens werden sie die Wokeness dafür verantwortlich machen, dass ihnen keine Kiemenatmung zur Verfügung steht.