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Barrierefreie Wohnungen noch Glücksfall

Baustelle. Zwei hohe Gebäude mit einem Kran in der Mitte
Betrieb auf einer Baustelle
Foto: dimitrisvetsikas1969 In neuem Fenster öffnen via Pixabay In neuem Fenster öffnen

BERLIN (kobinet) Wer mit offenen Augen durch die Straßen unserer Städte und Dörfer geht, dem können sie nicht verborgen bleiben - Menschen mit Rollstuhl oder ältere Frauen, die sich mit einem Rollator und ihren schweren Lebensmitteleinkäufen die Wege entlang quälen. Wir nennen sie "Menschen mit Behinderungen" und übersehen dabei, dass es einfach nur ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger sind, denen die Architektur, die Art und Bauweise unserer Verkehrsmittel und auch die  Einrichtungen unserer Supermärkte zusätzliche Schwierigkeiten bereiten. Ja, und  noch etwas übersehen wir oft auch noch: Es sind nicht nur jene, die wir mit unseren Barrieren kämpfen sehen, es gibt noch viele andere Menschen mit Sehbehinderungen oder vielen anderen individuellen Eigenschaften, denen wir Barrieren errichtet haben. Ohne jetzt die Bedeutung eines barrierefreien öffentlichen Nahverkehrs, barrierefreier Arztpraxen, barrierefreier Einkaufsmöglichkeiten oder barrierefreier Reisemöglichkeiten zu unterschätzen - alle diese Menschen wollen vor allem erst einmal wohnen, barrierefrei wohnen. Und gerade dabei ist es offensichtlich überhaupt nicht gut bestellt.

Man muss nur das Internet fragen und erfährt: In Deutschland fehlen mehr als zwei Millionen barrierefreie Wohnungen. Bis zum Jahr 2035 werden es (nach Berechnungen des Instituts der  Deutschen Wirtschaft) sogar 3,7 Millionen fehlende barrierefreie Wohnungen sein.

Das kann eigentlich niemanden kalt lassen. Und es beschäftigt auch unsere Leserin Diana Hömmen. Wir geben hier einige Auszüge aus ihrem Brief an die kobinet-Redaktion wider:

„Niedersachsen und Hamburg haben sich schon vom barrierefreien Bauen verabschiedet, zu teuer, was ja nicht stimmt. In der Lesung vom 10.10.2024 im deutschen Bundestag nicht ein Wort über barrierefreies Bauen. Obwohl dies die Zukunft ist, durch den demografischen Wandel genrauchen wir mehr barrierefreien Wohnraum.

Hamburger Erklärung die am 16.November 2018 in Hamburg von den Behindertenbeauftragten der Länder und des Bundes erhoben folgendes: Wohnraumoffensive für mehr Barrierefreiheit und inklusive Quartiersentwicklung in Städten und Gemeinden nutzen!

Bund, Länder und Kommunen haben im September 2018 eine gemeinsame Offensive zur Schaffung von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten vereinbart. In Städten, Landkreisen und Gemeinden soll mehr Wohnraum geschaffen werden, Wohnen soll für Geringverdiener und die breite Mittelschicht bezahlbar sein. Mieter sollen vor starken Mietpreiserhöhungen geschützt und Geringverdiener bei den Wohnkosten stärker entlastet werden. Dörfer und Gemeinden auf dem Land sollen durch vitale Ortskerne ein attraktives Lebensumfeld bleiben.

Deshalb forderten alle Behindertenbeauftragte der Länder und des Bundes:

  • Die Schaffung von barrierefreiem, uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbarem und bezahlbarem Wohnraum, sowohl im Bestand als auch beim Neubau von Wohnungen. Die Mittel für die soziale Wohnraumförderung sind mit der Umsetzung von Barrierefreiheit zu verbinden.
  • Generell muss der gesamte Neubau im Mehrparteienwohnungsbau barrierefrei und ein deutlicher Anteil uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein.
  • Mit der verstärkten Nutzung öffentlicher Liegenschaften für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus sind inklusive Wohnangebote zu realisieren. Bei der Vergabe von Grundstücken des Bundes an die Kommunen für den Wohnungsbau sind Zielvorgaben für inklusive Wohnangebote und die Umsetzung von Barrierefreiheit festzulegen.
  • Bei Bauvorschriften darf Barrierefreiheit nicht einer vermeintlichen Kostensenkung geopfert werden. Für eine älter werdende Gesellschaft und die Schaffung inklusiver Wohnangebote gibt es einen großen Bedarf an barrierefreiem und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbarem Wohnraum. Barrierefreiheit von Anfang an spart mittel-und langfristig enorme Ausgaben.
  • Die Mittel für das KfW Programm „Altersgerecht umbauen“ sind zu erhöhen und nicht auf dem jetzigen Stand festzuschreiben, damit mehr Barrierefreiheit bei bestehenden Wohnungen erreicht werden kann.
  • Die Städtebauförderung muss konsequent auf die Entwicklung von inklusiven und umfassend barrierefreien Stadtquartieren ausgerichtet werden, in denen ein gleichberechtigtes, am Sozialraum orientiertes Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Behinderungen erreicht wird. Ein „Design for All“ muss Leitbild für die Gestaltung sein.

Mit dem Ziel einer Modernisierung des Baugesetzbuches hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf „zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“ (20/13091) vorgelegt. Nach der ersten Lesung überwies der Bundestag die Vorlage am Donnerstag, 10. Oktober 2024, zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen überwiesen.

Folgendes wird außer Acht gelassen und fehlt in der Diskussion, was in den nächsten Jahren auf dem Wohnungsmarkt noch wichtiger wird:

  • Wohnen stellt für alle Menschen ein grundsätzliches Lebensbedürfnis dar. Barrierefreiheit ist ein Qualitätsstandard für ein modernes Land und ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Von Barrierefreiheit profitieren neben Menschen mit Behinderungen auch ältere Menschen, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen und junge Familien. Barrierefreiheit zu verwirklichen ist deswegen eine wichtige Zukunftsaufgabe.
  • Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird in Zukunft mit einem kontinuierlichen Anstieg von Menschen mit den unterschiedlichsten Einschränkungen gerechnet. Deshalb muss schon heute an eine barrierefreie Umwelt gedacht werden, denn Barrierefreiheit nutzt allen: Menschen mit und ohne Behinderung, Senioren, Eltern mit Kinderwägen und Menschen, die nur vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind! Vor allem in einer immer älter werdenden Gesellschaft muss schon heute an Barrierefreiheit gedacht werden. Besonders im baulichen Bereich, ist das Thema Barrierefreiheit wichtig.
  • Die Definition für einen Mindeststandard für den Neubau von Wohnungen prüfen, sodass neu gebaute Wohnungen im Bedarfsfall schnell barrierefrei umgerüstet werden können, wird ausgehebelt. Wo bleibt die Anzahl der barrierefreien und mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen pro Gebäude oder der Einbau eines Fahrstuhls. Ein Fahrstuhl in Mehrfamilienhäuser und öffentlichen Gebäuden wird immer wichtiger.“

Abschließend stellt Diana Hömmen in ihrem Leserbrief fest: “ Es fehlen hunderttausende Wohnungen, die Baukosten laufen aus dem Ruder und Mieten steigen in ungeahnte Höhen. Dies Faktoren verschärfen die Wohnungskrise: Unzählige Vorgaben, Richtlinien und Normen verteuern das Wohnen. Das liegt nicht nur an den allgemeinen Material- und Arbeitskosten. Auch immer neue Vorschriften treiben die Preise hoch. Hinzu kommt in 16 Bundesländer gelten andere Baugesetze, somit steht der Föderalismus sich selbst im Wege. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund schätzt, dass es in Deutschland etwa 20.000 baurelevante Regelungen gibt, davon allein 4000 DIN-Normen, die je nach Projekt zu beachten sind. „