München (kobinet) "In Bayern gehen die Uhren anders", so heißt es immer wieder. In Sachen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention scheint dies auf jeden Fall so zu sein. Während der Ausschuss über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen in seinen Abschließenden Bemerkungen der Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland eine klare Ansage gemacht hat, dass Deutschland endlich umsteuern und die Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konsequent voran treiben muss, wird in Bayern kurzerhand und permanent die Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen als Teil des inklusiven Arbeitsmarkts erklärt - trotz eines Entgelts weit unter dem Mindestlohn und Übergangsquoten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt von unter einem Prozent im Jahr. So überrascht es auch nicht, dass das bayerische Sozialministerium erneut das Füllhorn ausschüttet und "761.500 Euro für Menschen mit Behinderung in den Moritzberg-Werkstätten in Lauf-Schönberg" einsetzt.
Im Originalton heißt das in der Presseinformation des Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales so:
Scharf: „Berufliche Inklusion ist ein wichtiger Schlüssel zur Teilhabe und für ein selbstbestimmtes Leben!“
Bis zu 761.500 Euro für Menschen mit Behinderung in den Moritzberg-Werkstätten in Lauf-Schönberg.
Werkstätten ermöglichen Menschen mit Behinderung berufliche Bildung und Beschäftigung, die sich an ihren individuellen Stärken und Fähigkeiten orientiert.
Bayerns Arbeitsministerin Ulrike Scharf betont: „Inklusion stärkt den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Ich setze mich für ein Bayern ein, in dem für alle Menschen – unabhängig ob mit oder ohne Behinderung – Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben möglich sind. Berufliche Inklusion ist dabei ein wichtiger Schlüssel. In den Werkstätten steht der Mensch mit seinen individuellen Fähigkeiten im Fokus. Menschen mit Behinderung werden hier zielgerichtet unterstützt und die Weiterentwicklung gefördert. In den Werkstätten wird Inklusion gelebt!“
Mit der energetischen Modernisierung der Heizungsanlage mit Wärmeverbund zwischen den Werken I und II der Moritzberg-Werkstätten in Lauf-Schönberg werden die Arbeitsplätze an zeitgemäße Standards angepasst und damit die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten mit Behinderung wesentlich verbessert. „Es freut mich sehr, dass wir dieses Projekt der Lebenshilfe Nürnberger Land e. V. mit bis zu 761.500 Euro fördern können“, so Scharf zu der anstehenden Investition in Lauf-Schönberg.
Weitere Informationen zum Themen Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung finden Sie online.
Was sagen die Vereinten Nationen zum Thema Arbeit und Beschäftigung?
Das sagt der UN-Ausschuss über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum Thema Arbeit und Beschäftigung in seinen „Abschließende Bemerkungen zum kombinierten zweiten und dritten periodischen Bericht Deutschlands“ vom 3. Oktober 2023:
„Arbeit und Beschäftigung (Art. 27)
61. Der Ausschuss ist besorgt über
a) die hohe Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen, insbesondere von
Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, die hohe Zahl von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und die geringe Zahl der Übergänge in den offenen Arbeitsmarkt;
b) unzureichende gesetzliche Maßnahmen, durch die Barrierefreiheit von Arbeitsstätten sowie angemessene Vorkehrungen an Arbeitsstätten sichergestellt werden und der private Sektor für die Nichteinhaltung der Quoten für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zur Rechenschaft gezogen wird;
c) das Fehlen barrierefreier und inklusiver Berufsausbildungseinrichtungen und von Verfahren zur Beseitigung von Diskriminierung und Segregation sowie zur Sicherstellung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen bei der freien Wahl von Berufsausbildungsprogrammen ohne jeglichen Zwang.
62. Unter Hinweis auf seine Allgemeine Bemerkung Nr. 8 (2022) und die Empfehlungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte11 empfiehlt der Ausschuss dem Vertragsstaat,
a) in enger Konsultation und unter aktiver Mitwirkung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen in allen Bundesländern einen Aktionsplan zur Förderung des Übergangs von Menschen mit Behinderungen aus Werkstätten für behinderte Menschen in den offenen Arbeitsmarkt zu erarbeiten, der eine angemessene Zuweisung von Ressourcen und einen konkreten Zeitrahmen vorsieht;
b) die Einhaltung der Quoten für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor durchzusetzen, unter anderem über wirksamere Maßnahmen als die Erhebung der derzeitigen Ausgleichsabgabe, und die Barrierefreiheit von Arbeitsstätten und angemessene Vorkehrungen an Arbeitsstätten sicherzustellen;
c) das Berufsausbildungssystem umzustrukturieren und Maßnahmen zur Gewährleistung von Barrierefreiheit und Inklusivität zu ergreifen, unter anderem durch die Einrichtung eines Beschwerdemechanismus zur Untersuchung diskriminierender Praktiken aufgrund von Behinderung im Bereich der beruflichen Rehabilitation und Arbeit.“
Link zur deutschen Übersetzung der Abschließenden Bemerkungen