
Foto: Fight Ableismus
Mönchengladbach (kobinet) Die Lebenshilfe Mönchengladbach setzte nach einem Steinwurf mit der Aufschrift "Euthanasie ist die Lösung" auf eine Lebenshilfe-Einrichtung am 6. Juni 2024 mit einer Veranstaltung in der Hauptkirche Rheydt in Mönchengladbach ein Zeichen für Solidarität und gegen Ausgrenzung. Als Redner*innen waren Ulla Schmidt - Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Jürgen Dusel - Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Bärbel Brüning - Geschäftsführerin der Lebenshilfe NRW, Karl-Josef Laumann - NRW-Sozialminister und Felix Heinrichs - Mönchengladbachs Oberbürgermeister vorgesehen. Eine Gruppe behinderter Menschen u.a. vom rollfenden Widerstand hatte im Vorfeld der Veranstaltung Kritik geübt, weil außer dem Bundesbehindertenbeauftragten keine behinderte Person zu Wort kommen sollte. Bei der Veranstaltung am 6. Juni mischten sie sich mit einer Protestaktion mit Transparent ein und ergriffen das Mikrofon.
Was ist in Mönchengladbach passiert?
Dazu heißt es auf der Internetseite der Lebenshilfe: „‚Euthanasie ist die Lösung‘ stand auf dem Stein, der auf eine Wohneinrichtung der Lebenshilfe Mönchengladbach geworfen wurde. Die sogenannte ‚Euthanasie‘ war ein Programm der Nationalsozialisten. Der Begriff bezeichnet eigentlich Sterbehilfe. In der Nazi-Zeit wurde er zur Verschleierung des systematischen Mordes an bis zu 300.000 Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen benutzt. Deshalb wird der Begriff in Deutschland vermieden.
Die Aufschrift legt also nahe, dass Rechtsradikale für den Angriff verantwortlich sein könnten. Er fand in der Nacht zu Montag, 27. Mai, statt. Nun ermittelt der Staatsschutz.“
Schon vorher gab es einen Angriff auf die Lebenshilfe
„Das passiert nicht zum ersten Mal: Schon am Pfingstwochenende hatten Unbekannte die Geschäftsstelle der Lebenshilfe mit einem Ziegelstein beschädigt. Der Stein hatte die gleiche Aufschrift. Geschäftsführer Özgür Kalkan ging bisher von Vandalismus aus. Jetzt erscheint der Vorfall in einem anderen Licht. Özgür Kalkan,
Geschäftsführer der Lebenshilfe Mönchengladbach erklärte hierzu: ‚Die Lebenshilfe Mönchengladbach setzt sich unermüdlich für die Unterstützung und Integration von Menschen mit Behinderungen ein. Wir bieten ihnen und ihren Familien eine Anlaufstelle, Unterstützung und die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die jüngsten Vorfälle sind ein feiger Versuch, diese wertvolle Arbeit zu untergraben und Angst sowie Zwietracht zu säen“, heißt es weiter auf der Internetseite der Lebenshilfe.
Link zum Bericht auf der Internetseite der Lebenshilfe
Auf der Internetseite von Fight Ableismus heißt es zu dem Protest, der sich anhand der Solidaritätsveranstaltung entfachte: „Die Lebenshilfe rief nach dem Anschlag eine Solidaritätsveranstaltung ins Leben und veröffentlichte eine Liste der Redner*innen, freute sich über offizielle Vertreter*innen von Lebenshilfe und Politik. Auf der Redner*innenliste stand lediglich der Bundesabauftragte Jürgen Düsel als behinderter Mensch. Daran übten Menschen u.a. vom rollfenden Widerstand im Vorfeld Kritik. Nichts über uns ohne ohne uns! Eine Person aus der Gruppe bat im Vorfeld darum, als behinderter Mensch eine Rede halten zu können. Schließlich galt der Anschlag, wie an der hinterlassenen Botschaft erkennbar, den Behinderten selbst und nicht den Mitarbeitenden, die Botschaft galt der gesamten Behindertencommunity. Die Person erhielt eine Absage von der Lebenshilfe. Die Aktivistis entschieden sich deshalb dafür die Solidaritätsveranstaltung der Lebenshilfe am 6. Juni in Mönchengladbach solidarisch-kritisch zu besuchen.“
Kritisiert wurde von Fight Ableismus zudem: „In einem Interview hatte der Geschäftsführer des Heimes Özgür Kalkan, der taz gegenüber, mehr Mittel für die Inklusion gefordert und die Heimpolitik mit Inklusion gleichgesetzt. Die Abschottung von Menschen mit Behinderung in Sonderwelten wie Sonderschule, Heim oder Werkstatt ist jedoch das Gegenteil von Inklusion. Und auch kein Teil der Lösung.“
Und weiter heißt es im Bericht zur Protestaktion bei der Solidariätsveranstaltung vonseiten der Gruppe Fight Ableismus: „Folgerichtig entschieden sich die Aktivistis die Bühne innerhalb der Kirche, wo die Veranstaltung stattfand, zu nehmen, nahmen kurz das Mikrofon an sich und zeigten ein Banner mit den Forderungen ‚Werkstätten abschaffen‘, ‚Behinderten zuhören‘ und ‚Mindestlohn für alle‘. (die Lebenshilfe betreibt solche Werkstätten) Die Aktivistis wurden jedoch übertönt und rasch unterbrochen und zur Seite gedrängt. Nichts neues. Wir werden nicht aufhören dafür zu kämpfen und sind für die Abschaffung von jeglichen Formen von Aussonderung und Isolation. Assistenz statt Heime Grundeinkommen für alle und Ende des Kapitalismus! Kampf gegen Rechts ist Kampf um echte Inklusion ohne Sonderwelten.“
Aus persönlichen Erfahrungen kann ich mitteilen, dass die Menschen, die wie hier oft von der Lebenshilfe begleitet werden, immer noch größtenteils unsichtbar sind und ihre Aktivitäten durch die Institutionen gesteuert und auch ausgeübt werden. Die Menschen mit sogenannten geistigen Beeinträchtigung haben wenig Lobby, wenn sie keine „anstrengenden“ Eltern haben. Deshalb Danke an die, die ihnen hier eine Stimme aus ihrer Sicht gegeben haben und Solidarität unter „Behinderten“ gezeigt haben.
Viele Menschen mit und ohne Behinderung, sind nicht sichtbar.
Und wie machen wir diese Menschen sichtbar?