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Wie es zum Buch Stoppt Ableismus kam

Karina Sturm und Anne Gersdorff mit Buch Stoppt Ableismus
Karina Sturm und Anne Gersdorff mit Buch Stoppt Ableismus
Foto: Andi Weiland

Berlin / Hameln (kobinet) "Stoppt Ableismus! Diskriminierung erkennen und abbauen", so lautet der Titel eines in diesem Jahr erscheinenen Buchs von Anne Gersdorff und Karina Sturm, auf das die kobinet-nachrichten bereits hingewiesen haben. "Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen ist der Grund, warum auch heute noch nicht alle Menschen gleichberechtigt am Leben teilhaben können. Noch immer verhindern Berührungsängste einen Dialog über Ableismus. So bleiben nahezu 15 Prozent der globalen Bevölkerung von der Gesellschaft ausgeschlossen. Ohne erhobenen Zeigefinger, mit einfachen Erklärungen und anhand anschaulicher Beispiele legt dieses praxisorientierte Handbuch Barrieren und Ausschlussmechanismen der Dominanzgesellschaft offen", heißt es u.a. in der Ankündigung des Buches. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul führte nun mit Anne Gersdorff und Karina Sturm, die über zwei Jahre an der Entwicklung des Buches gearbeitet haben, folgendes Interview zur Entstehung und Bedeutung des Buches.

kobient-nachrichten: Frau Gersdorff, was hat Sie bewogen, das Buch Stoppt Ableismus zu schreiben?

Anne Gersdorff: Die Idee zu dem Buch hatte eigentlich ein Freund von mir, der gerade Exit Racism von Tupoka Ogette las und sich mit Rassismus auseinander setzte. Er fragte mich, ob es so etwas nicht auch zu Behinderung und Ableismus gäbe. Ich meinte, dass es das vielleicht in den USA gäbe, aber es in Deutschland bislang kaum als Diskriminerung anerkannt und beachtet worden sei. So erzählte ich einigen Menschen davon und die Idee, ein Buch zu schreiben, war geboren.

kobient-nachrichten: Frau Sturm, was waren Ihre Beweggründe, dieses Thema anzupacken und ein Buch darüber zu schreiben?

Karina Sturm: Erstmal eigentlich, weil Raúl mich gefragt hat, ob ich Anne, die ich damals noch nicht kannte, bei diesem Mammutprojekt unterstützen möchte. Ich hatte gerade ein Sachbuch veröffentlicht und Lust auf ein neues Buch. Anne und ich leben mit ganz unterschiedlichen Behinderungen und erfahren daher auch andere Formen der Diskriminierung. Ich fand das würde sich gut ergänzen, weil wir so zwei verschiedene Perspektiven einbringen könnten, die sich am selben Punkt treffen: Ableismus.

kobient-nachrichten: Wie aufwändig waren die Recherchen und letztendlich auch der Schreibprozess?

Anne Gersdorff: Der Schreibprozess dauerte etwa zwei Jahre. Dank unserer Arbeit und der engen Verbindung zur Community konnten wir auf umfangreiches Wissen und Erzählungen zurückgreifen. Einige Kapitel, wie das Geschichtskapitel, erforderten jedoch intensive Recherchen und tiefergehende Untersuchungen. Der größte Aufwand bestand letztlich darin, den Text zu kürzen, da wir so viel zu erzählen hatten. Stimmt’s Karina?

Karina Sturm: Ja, total. Wir hatten am Ende doppelt so viele Seiten, wie wir eigentlich haben sollten. Ich bin leider so gar nicht gut im mich kurz fassen und nachdem es auch noch kein Sachbuch über Ableismus gab, wollten wir einfach nichts unerwähnt lassen. Als wir das Buch dann endlich eingereicht hatten und so erleichtert waren, dass es nun weg ist, kam am selben Tag noch die Rückmeldung aus dem Lektorat, dass wir es 100 Seiten kürzen müssten. Anne und ich waren da gerade in Urlaub und so habe ich mal eben an einem Tag gekürzt… Als Autorin blutet einem da schon das Herz.

kobient-nachrichten: Sie hatten ja bereits einige Lesungen zum Buch. Wie sind die bisherigen Rückmeldungen bzw. Diskussionsbeiträge dazu?

Anne Gersdorff: Das Feedback ist positiv; viele freuen sich über ein Buch, das konkrete Handlungsempfehlungen gibt, weniger ableistisch zu handeln. Natürlich schmerzt es, sich mit eigenen Vorurteilen und Handlungen auseinanderzusetzen, was traurig und wütend machen kann. Grundsätzlich glauben wir jedoch, dass niemand diskriminierend handeln möchte, weshalb das Buch für viele hilfreich ist.

kobient-nachrichten: Ableismus ist weit in unserer Gesellschaft verbreitet, welche Möglichkeiten sehen Sie für Veränderungen?

Karina Sturm: In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan, doch es könnte und muss noch viel mehr geschehen. Die Politik trägt die Verantwortung, strukturelle Diskriminierung von Menschen mit Behinderung abzubauen, was bisher unzureichend geschieht.

Gleichzeitig liegt es an uns allen, Diskriminierung auf individueller Ebene zu bekämpfen und unser Verhalten sowie unsere Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung zu hinterfragen. Wir sind überzeugt, dass das Handeln jedes Einzelnen in die Gesellschaft hineinwirkt und somit strukturelle Hürden abbaut.

kobient-nachrichten: Was müsste Ihrer Meinung nach konkret angepackt werden, um die Situation behinderter Menschen entscheidend zu verbessern?

Anne Gersdorff: Ui, da gibt es viel zu tun. Zuerst müssen wir anerkennen, dass Menschen mit Behinderung in Deutschland durch unser Handeln und politische Strukturen diskriminiert werden. Das Thema gehört mehr in die Öffentlichkeit. Konkret bedeutet das, dass wir alle Sondersysteme wie Förderschulen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung und spezielle Wohneinrichtungen abbauen müssen. Stattdessen sollten wir inklusive Strukturen schaffen, um ein inklusives Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

kobient-nachrichten: Wo bekommt man das Buch und wie erreicht man Sie, wenn man Lesungen vor Ort oder online organisieren möchte?

Karina Sturm: Das Buch ist überall erhältlich, wo es Bücher gibt. Wir freuen uns jedoch, wenn ihr euren lokalen Buchhändler*in unterstützt. Für Lesungsanfragen wenden euch bitte per Mail über stopptAbleismus.de an uns.

Das Buch wurde vom rowohlt-Verlag mit der ISBN: 978-3-499-01187-0 veröffentlicht.

Link zu weiteren Infos zum Buch und zu den Bezugsmöglichkeiten