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Was Migräne für mich bedeutet

Maximiliane Bogner
Maximiliane Bogner
Foto: privat

Berlin (kobinet) Die Aktivistin Maximiliane Bogner hat seit Jahren Migräne. Dies sieht man ihr nicht an und es ist nicht immer einfach, Verständnis von den Menschen im Umfeld zu erhalten. Deswegen hat Maximiliane Bogner einen Text geschrieben, der ihre Erfahrungen und ihr Erleben für ihr Umfeld zusammenfassen. Die kobinet-nachrichten dürfen dank der Vermittlung von Emine Kalali von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) den Text veröffentlichen, um so mehr Aufmerksamkeit für nicht sichtbare Behinderungen und chronische Erkrankungen zu schaffen:



Bericht von Maximiliane Bogner

Was Migräne für mich bedeutet

Man sieht es mir nicht an, aber ich habe Migräne bzw. sogenannte hochfrequente Migräneanfälle. Ich hatte in den letzten drei bis vier Jahren, seitdem ich Migräne-Tagebuch führe, aber bestimmt schon viel länger undokumentiert, vier- bis achtmal im Monat (wobei fünf- bis sechsmal gerade die Regel ist) so starke Schmerzen, dass ich Tabletten nehmen muss. Die Migräne an sich, spüre ich aber an weitaus mehr Tagen. Das ist dann manchmal „nur“ ein leichter Druck im Kopf und Reizsensibilität oder latente, einseitig stechende Schmerzen, die ich bis zu einem gewissen Grad verdrängen kann.

Ich bekomme spezielle Migräne Tabletten (Triptane) verschrieben und manchmal muss ich die sogar noch mit herkömmlichen Schmerzmitteln kombinieren, damit ich überhaupt eine Wirkung spüre. Manche Schmerzmittel, wie beispielsweise Ibuprofen, wirken inzwischen schon nicht mehr. Seit meiner Jugend, damals noch undiagnostiziert, musste ich solche Medikamente immer wieder stark überdosieren, bis es wirklich ungesund wurde, zum Glück hat sich das geändert.

Doch selbst wenn Medikamente wirken, bedeutet Wirkung meist nicht komplett schmerzfrei! So ein Migräneanfall kann bei mir mehrere Tage andauern und dann sind da noch all die Tage, an denen ich mich zurück nehme und zu Hause bleibe, um möglichst reizfrei zu sein, Sachen absagen muss, weil ich sonst möglicherweise einen Migräneanfall bekommen würde. Oder all die Tage, an denen ich trotzdem manche Sachen mache, weil ich sonst auf Dauer depressiv werden würde, aber dann eben Schmerzen dabei habe, gerade so, dass ich sie manchmal noch verdrängen kann, aber im Hintergrund sind die trotzdem da, auch wenn ich mir das nicht anmerken lasse.

Ich wirke dann „normal“, aber nur weil ich nicht jammere, heißt das nicht, dass ich keine Schmerzen habe. Oft wache ich schon mit leichter Migräne auf und weiß nicht, ob es den Tag über noch schlimmer wird. Und wenn’s mal richtig schlimm ist, dann ist es die Hölle, das sind unvorstellbar krasse Schmerzen plus Übelkeit. Deswegen muss ich oft abwägen, ob ich Tabletten nehmen soll, oder es aushalten kann, denn je öfter ich Tabletten nehme, desto schlechter wirken sie und ab zehn Tabletten-Tagen im Monat, bekäme ich laut meiner Neurologin zu über 90 Prozent Wahrscheinlichkeit medikamenten-indizierten Dauerkopfschmerz, den ich früher sehr wahrscheinlich hatte und nur schwer wieder los geworden bin.

Migräne bedeutet für mich nicht nur Kopfschmerzen und Übelkeit in schlimmen Fällen, auch „Gehirnmatsch“ im Sinne von Wortfindungsstörungen. Und stell dir mal vor, Geräusche, Lichter, Berührungen und Gerüche tun im Kopf weh. Es ist schon bitter, wenn im Sommer die Sonne scheint und ich wegen Migräne drinnen bleiben muss oder ich Bahn fahren nur mit Ohrstöpseln ertrage. Festivals kann ich mir inzwischen genauso abschminken, wie Partys in Clubs, langes wach bleiben und Alkohol. Oft kann ich noch nicht mal Musik hören oder etwas auf einem Bildschirm kucken, weil es zu viel Reiz bedeutet. Selbst das Vogelgezwitscher beim Waldspaziergang ist manchmal zu viel. Und dann liegt man da, im abgedunkelten Zimmer, im Bett, allein mit dem Schmerz und hofft, dass es von allein besser wird oder die Tabletten endlich wirken. Denn leider wirken meine speziellen Migräne Tabletten erst nach ein bis drei Stunden so richtig.

Wieso ich über sowas nur selten rede, obwohl Migräne eine richtig krasse Einschränkung für mich ist, hat verschiedene Gründe. Zum einen, weil mir Mitleid nichts bringt und ich schlecht Schwäche zeigen kann. Aber auch, weil ich mir manchmal indirekt die Schuld an Anfällen gebe, was absurd ist, aber mit der Logik darf ich dann eben nicht jammern, dann kommen so Gedanken wie „du kennst doch deine Auslöser, wieso warst du denn beim Sport“ oder „hättest du dieses Treffen nicht gehabt, dann wäre es nicht so schlimm geworden“. Aber Migräne ist kein Symptom von irgendwas, es ist eine eigenständige, lebenslange Erkrankung, für die ich nichts kann!

Was nervt und vielleicht auch ein Grund ist, wieso ich nicht so oft über Migräne rede, sind Sätze wie „Hast du denn genug getrunken?“ und „Hast du schon mal dieses/jenes ausprobiert?“ oder „Ich hab ja auch manchmal Kopfschmerzen, da hilft mir immer…“. Als ob jemand wie ich, mit derartigem Leidensdruck, nicht schon an jedem Strohhalm (und sei es esoterischer Blödsinn) gezogen hätte. Als ob nach all diesen Jahren an Erfahrung und eigener Recherche über diese Erkrankung, mir ein Tipp von einem Laien helfen würde. So Aussagen sind natürlich nett gemeint, aber machen mich trotzdem sehr wütend.

Ich könnte noch so viel mehr über Migräne schreiben, aber das reicht jetzt erst mal. Danke für’s lesen!“