
Foto: privat
Kassel Wäre Elke Bartz, die heute vor 15 Jahren, also am 25. August 2008, viel zu früh verstorben ist, heute noch unter uns, was würde sie zu verschiedenen behindertenpolitischen Entwicklungen sagen? Wo wäre sie und für was wäre sie aktiv? Diese und viele andere Fragen kann man sich heute, 15 Jahre nach dem Tod der Gründerin und damaligen Vorsitzenden des Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA), stellen. Nachdem die kobinet-nachrichten bei ihrer Mitgliederversammlung am 19. August 2023 Elke Bartz und Harald Reutershahn, der Anfang Mai diesen Jahres gestorben ist, gedacht haben, beschäftigt sich kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul heute mit der Frage: "Was wäre, wenn Elke Bartz noch unter uns wäre?"
Bericht von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul
Unsere Zeit ist schnelllebig, die Nachrichtenflut enorm und die Menschen, die wir anscheinend kennen, vielfältig. Da vergisst man leicht die Menschen, denen man nicht nur über den Weg gelaufen ist, die einen und vieles geprägt haben. So sind leider auch eine ganze Reihe von Akteur*innen aus der Behindertenbewegung schon fast in Vergessenheit geraten. Und das ist sehr schade, den sie haben viele Anstöße gegeben, von denen wir heute profitieren. Elke Bartz, die am 25. August 2008 verstorben ist, ist und darf auf jeden Fall nicht so leicht vergessen werden, denn sie hat viele Menschen berührt und empowert, aktiv zu werden. Und auch politisch hat sie einiges angestoßen. Wenn sich jemand kontinuierlich für eine gute Assistenz im Krankenhaus oder für eine selbstbestimmte Assistenz stark gemacht hat, dann war dies Elke Bartz.
Elke Bartz war 1997 maßgeblich daran beteiligt, aus einer Arbeitsgruppe der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) heraus den Verein Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA) zu gründen. Dieser nahm eine stürmische Entwicklung und war bald ein Verband mit über 40 Mitgliedsvereinen, darunter alleine zehn Bundesverbänden. Vor allem reiste Elke Bartz unermüdlich durch die Republik, um für das Persönliche Budget, die Assistenz im Krankenhaus, Barrierefreiheit und viele andere Themen zu werben. War sie zu Hause, stand ihr Telefon selten still. Selbst spät abends beriet sie oft noch behinderte Menschen, wie sie Anträge für eine Persönliche Assistenz stellen können, wie das mit dem Arbeitgeber*innenmodell ist und wie man mit Ämtern umgehen kann. Das war noch lange bevor es Beratungsstellen wie die ergänzenden unabhgängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTBs) gab.
Ich könnte hier noch viel mehr über Elke Bartz schreiben, weil ich oft mit ihr auf Tour war und Veranstaltungen mit ihr organisiert habe. Doch zurück zur Frage, was würde Elke Bartz heute machen bzw. zu einzelnen Themen sagen?
Gerade im Vorfeld der Staatenprüfung Deutschlands vor dem UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen am 29. und 30. August 2023 würde sich Elke Bartz, wie viele andere behindertenpolitisch Aktive, wahrscheinlich die Haare raufen, ob der Langsamkeit der Veränderungen hin zu Inklusion und der Sicherstellung der Menschenrechte behinderter Menschen. Elke Bartz hat noch erlebt, dass die Vereinten Nationen die UN-Behindertenrechtskonvention im Dezember 2006 verabschiedet haben und wäre heute wahrscheinlich entsetzt, wie langsam so manches vorankommt, wie stark die Beharrungskräfte der Sondereinrichtungen sind und wie mühsam es ist, schulische Inklusion und die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt umzusetzen.
Elke Bartz würde wahrscheinlich auch dafür streiten, dass behinderten Menschen, die auf Beatmung angewiesen sind, nicht durch immer komplizierter werdende Regelungen die Selbstbestimmung und damit die Luft für ein selbstbestimmtes Leben abgegraben wird. Seit an Seit würde sie mit den Aktiven in diesem Bereich dafür streiten, dass die unsinnigen Regelungen des Gesundheitsministeriums und des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gekippt werden. Da bin ich mir sicher. Und sie würde gegen die zunehmende Bürokratisierung und Verkomplizierung beim Persönlichen Budget streiten. Sie hat schon damals nicht verstanden, warum behinderten Menschen, die viele Dinge zur Organisation ihrer Assistenz selbst übernehmen und dabei sogar Kosten im Vergleich zur Leistungserbringung durch einen Dienst sparen, von der Verwaltung so traktiert werden. Dafür hätte sie sicher auch heute klare Worte.
Trotz allem Frust würde Elke Bartz wahrscheinlich aber nicht die Flinte ins Korn werfen und würde weiterhin am Empowerment behinderter Menschen arbeiten, Politiker*innen bezirzen, dass endlich bessere Gesetze gemacht und diese umgesetzt werden und wir würden wahrscheinlich auch weiterhin von ihr viele Beiträge in den kobinet-nachrichten lesen können. Sie war damals eine fleißige Schreiberin und würde auch heute ihre Hände an den Tasten des Computers nicht ruhig halten können, wenn sie sich über etwas aufregen würde oder etwas bewegen wollte.
Leider fehlt uns Elke Bartz nun schon seit 15 Jahren und viele andere Aktive der Behindertenbewegung fehlen uns leider auch. Was uns bleibt, ist an sie zu denken und zu überlegen, was würden sie tun und was würden sie uns empfehlen. Wir können aber auch diejenigen schätzen, die heute aktiv sind und diese unterstützen, dass sie ihr Potenzial voll entfalten können, um anderen behinderten Menschen zu helfen. Das nennt sich Empowerment und ist auch menschlich. Sehr menschlich war Elke Bartz, die heute vor 15 Jahren leider viel zu früh gestorben ist. Danke Elke für alles, was du für die Behindertenbewegung und so viele einzelne Menschen getan hast.
Link zur Internetseite zum Gedenken an die Wegbereiter*innen der Behindertenbewegung