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Hubert Hüppe bekräftigt Kritik an der Förderung von Werkstätten aus der Ausgleichsabgabe

Porttraitfot eines Mannes mit weißem Haar, in weißem Hemd  und dunklen Anzug
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Foto: René Golz

Berlin (kobinet) Welche Macht die Träger von Sondereinrichtungen haben, zeigt nach Ansicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe die Entwicklung des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes. "Dieses Gesetz hatte schon vor der Verabschiedung viele Inklusionsbefürworter enttäuscht. Maßnahmen, die wirklich ein Aufbrechen der Sonderwelten im Arbeitsleben bewirken könnten (zum Beispiel die Vereinfachung der Budgets für Arbeit und Ausbildung) blieben aus. Durch die Abschaffung der Bußgeldvorschrift wurde der Druck auf Unternehmen, Menschen mit Behinderungen einzustellen, sogar noch reduziert." Hubert Hüppe ärgert sich nun aber besonders, dass Werkstätten für behinderte Menschen auch über den 31. Dezember 2023 hinaus Mittel aus der Ausgleichsabgabe bekommen können, wenn sie diese bis Ende des Jahres beantragen, wie er im kobinet-Interview mit Ottmar Miles-Paul darstellt.

kobinet-nachrichten: Sie setzen sich seit vielen Jahren für Inklusion ein, da bleibt es nicht aus, dass man sich zuweilen über die langsame Entwicklung in diesem Bereich oder gar über Rückschritte ärgert. Nun haben Sie sich aber besonders aufgeregt. Was ist los?

Hubert Hüppe: Ja in der Tat könnte ich verzweifeln. Nachdem es vor 15 Jahren nach der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) noch eine Aufbruchsstimmung gab, haben sich inzwischen die Sonderstrukturen wieder durchgesetzt. Welche Macht die Träger von Sondereinrichtungen haben, zeigt die Entwicklung des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes. Dieses Gesetz hatte schon vor der Verabschiedung viele Inklusionsbefürworter enttäuscht. Maßnahmen, die wirklich ein Aufbrechen der Sonderwelten im Arbeitsleben bewirken könnten (zum Beispiel die Vereinfachung der Budgets für Arbeit und Ausbildung) blieben aus. Durch die Abschaffung der Bußgeldvorschrift wurde der Druck auf Unternehmen, Menschen mit Behinderungen einzustellen, sogar noch reduziert.

Es gab aber auch einige wenige kleine Verbesserungen. Dazu gehörte, dass zukünftig die Mittel der Ausgleichsabgabe, die Unternehmen zahlen müssen, wenn sie nicht genug Menschen mit Behinderungen einstellen, ab dem 1. Januar 2024 nur noch für die Eingliederung in den ertsen Arbeitsmarkt verwandt werden dürfen und nicht mehr für Sondereinrichtungen, wie zum Beispiel sogenannte Werkstätten für behinderte Menschen. Genau das hat der Deutsche Bundestag ausdrücklich beschlossen.

Nun hat im Bundesrat der Arbeitsminister versprochen, diese Regelung zu verwässern, und entgegen dem parlamentarischen Willen zuzulassen, auch noch nach 2023 weiter Sondereinrichtungen zu finanzieren, wenn der Antrag nur vor Ende diesen Jahres eingereicht wurde. Das wird natürlich eine absolute Antragsflut auslösen.

kobinet-nachrichten: War es im Rahmen der Debatten über das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes nicht absehbar, dass die Förderung von Werkstätten aus Mitteln der Ausgleichsabgabe noch weiter hinausgezogen wird?

Hubert Hüppe. Das ist es ja: Das Bundeskabinett hatte tatsächlich eine Regelung vorgesehen, die auch die Förderung nach 2024 ermöglichte. Das Parlament hat das aber bewusst geändert und beschlossen, das dieses Jahr Schluss damit sein soll. Jetzt soll das wieder geändert werden, ohne das Parlament einzubeziehen. Das ist schon dreist und vor allem undemokratisch.

kobinet-nachrichten: Wie fühlt man sich als Bundestagsabgeordneter, wenn man immer wieder merkt, wie beschlossene oder gewollte Veränderungen in Sachen Inklusion wie Gummi hingezogen werden?

Hubert Hüppe: Ich war völlig überrascht und auch wütend. Es erschrickt mich, wieder mal zu sehen, wie sich die Werkstattlobby durchsetzen konnte und sogar Bundestagsbschlüsse ändern kann. Allerdings frage ich mich, warum die Abgeordneten der Regierungsfraktionen dazu nicht aufbegehren. Da herrscht völliges Schweigen. Ich hoffe, dass wenigstens der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung versucht, das noch zu verhindern.

kobinet-nachrichten: Was erwarten Sie nun von der Bundes- und den Landesregierungen in Sachen Werkstätten?

Hubert Hüppe: Werkstätten müssen von Grund auf verändert werden und in der jetzigen Form widersprechen sie eindeutig der UN-Behindertenrechtskonvention. Es muss der gesetzliche Rehaauftrag wieder ernst genommen werden. Das bedeutet, Werkstätten, die keine oder nur wenige Menschen mit Behinderungen für den ersten Arbeitsmarkt fit machen, sollten auch kein Geld mehr bekommen. Dafür müssen die gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen werden. Dies müssen die Länder entsprechend kontrolliern. Das würde im übrigen enorme Gelder freisetzen, die man für schulische Inkluson und Barrierefreiheit einsetzen könnte. Das Schulsystem muss endlich inklusiv werden. Auch hier verzeichnen wir Rückschritte. Das Sonderschulsystem produziert (ich behaupte, teilweise sogar bewusst) den Nachwuchs für die Werkstätten. Zum Teil sind es sogar die selben Träger.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

Link zum kobinet-Bericht vom 18. August 2023

Link zum kobinet-Bericht vom 17. August 2023

Lesermeinungen

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Arnd Hellinger
23.08.2023 12:59

Herr Hüppe verschweigt aber die Verantwortung der Unionsmehrheit im Bundesrat für diese Änderung…

Hubert Hueppe
Antwort auf  Arnd Hellinger
25.08.2023 13:46

Nein, verschweige ich nicht. Natürlich halten leider viele CDU regierte Länder und vor allem auch Bayern an Sonderstrukturen fest. Und das kritisiere ich genauso. Mit dabei sind aber auch andere Bundesländer wie das von den Grünen angeführte Bundesland Baden Württemberg. Vier Länder haben seit der Gültigkeit der UN BRK den Anteil an Sonderschülern erhöht : Bayern (CSU), Baden Württemberg (Grüne), Rheinland-Pfalz (SPD) und Saarland (SPD Alleinherrschaft). Ich bekämpfe jede Politik, die gegen das Recht auf Teilhabe ist. Die Farbe ist mir dabei egal. Tatsächlich muss man zusätzlich feststellen, dass bereits das Bundeskabinett die Regelung vorsah, dass man noch Anträge bis Ende 2023 stellen dürfte. Erst durch das Engagement einiger engagierten Abgeordneten, wie Corinna Rüffer (grüner), wurde das wieder geändert. Jetzt ändert man wieder in die andere Richtung, und alle schweigen- offensichtlich auch Sie.

Marion
Antwort auf  Hubert Hueppe
25.08.2023 16:25

Korrigieren Sie mich, aber wo haben Sie das denn erwähnt?

Es ist das politische Problem der Union. Die einen wollen so, die Anderen in ide andere Richtung. Ob damit Vertrauen geschaffen wird?

Sie schreiben „Ich bekämpfe jede Politik, die gegen das Recht auf Teilhabe ist. “ – Gute Idee, aber warum fangen Sie nicht erst einmal vor der eigenen (Unions-)Haustür an? Sie kritisieren gerne andere Parteien, spielen gut ihre Oppositions-Rolle, aber so wie ich Ihren Kommentar verstehe, hat die Union erst einmal viel innerparteilich zu tun. Wenn das erledigt ist, dann kann man gerne die Bundesregierung oder andere Parteien kritisieren, weil dann wirkt es auch glaubhaft.

Solange das einheitliche Fahrwasser der Union in der Behindertenpolitik nicht geklärt ist, muss man sich über Kritik nicht wundern.