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„Reisen für Alle“ weiterhin im Nebel noch nicht getroffener Entscheidungen

Zeichnung einer Gruppe von Personen, darunter auch eine mit Rollstuhl, vor der Tür
Reisen ist Teilhabe für Alle
Foto: Pixabay/Clker-Free-Vector-Images

BERLIN (kobinet) Das Kennzeichnungs- und Zertifizierungssystem "Reisen für Alle" wurde seit dem Jahr 2011 mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums entwickelt und war im Jahr 2014 bundesweit eingeführt worden. Ein Blick auf die Internetseite dieses Angebotes genügt, um zu erkennen, dass es mit bisher fast 2.500 geprüften Urlaubs- und Ausflugsideen in Deutschland sich nicht besonders erfolgreich und wirklich deutschlandweit entwickelt hat.

Am 11. März 2022 hatte der ehrenamtliche Tourismusbeauftragte des Allgemeinen Deutschen Behindertenverbandes, André Nowak, auf dem 10. Tag des Barrierefreien Tourismus in Berlin noch darauf hingewiesen, was man eigentlich bereits alles seit zehn Jahren mache und dennoch im zehnten Jahr nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention bei dem Angebot als barrierefrei zertifizierte Reisen auf der Stelle trete. In dem Zusammenhang hatte Nowak festgestellt: „Klar ist, dass man 100 Prozent Barrierefreiheit nicht in kurzer Zeit erreichen kann, aber wir sollten auf dem 11. Tag des barrierefreien Tourismus darüber reden, wie wir in Deutschland, in der Europäischen Union und auch weltweit in absehbarer Zeit dahin kommen“.

Jedoch kam es anders. Die am 1. April 2022 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eingestellte Förderung wurde nicht wieder aufgenommen. Der bisherige Träger des Systems, das Deutsche Seminar für Tourismus, welches das Projekt inzwischen ohne Förderung weitergeführt hatte, schlägt wegen enger finanzieller Grundlage zum 1. Januar 2023 ein geändertes Preis- und Lizenzsystem vor und der Deutsche Tourismusverband lehnt eine Übernahme des Systems ab. Mit anderen Worten: „Reisen für Alle“ steht vor dem Aus. Kobinet hatte darüber berichtet und bei den tourismuspolitischen Sprechern der Bundestagsfraktion nachgefragt.

Die Antworten waren erst einmal verwirrend, weil eigentlich anscheinend niemand ein Einstellen des Kennzeichnungs- und Zertifizierungssystems „Reisen für Alle“ befürwortet. Aus dem Büro des Bundestagsabgeordneten und Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Stefan Zierke, war zu erfahren, dass die drei Ampel-Partei „Reisen für Alle“ erhalten wollen und auch das Bundeswirtschaftsministerium würde den Erhalt des Projektes unterstützen. Außerdem wäre Geld dazu bereitgestellt worden, was jedoch wohl nicht ausreicht. Zugleich sind nach Zierkes Worten wohl noch leitungsmäßige Regelung für das Fortführen von „Reisen für Alle“ zu finden. Der tourismuspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Stefan Schmidt, betonte gegenüber „kobinet“ , dass der barrierefreie Tourismus für die Grünen einen ganz besonderen Stellenwert habe und dazu auch intensiver Kontakt mit dem Bundeswirtschaftsministerium bestehe. Zugleich verwies Schmidt darauf, dass der entsprechende Finanztitel um drei Millionen aufgestockt worden seien. Widerspruch kam auch nicht von der Opposition. Die tourismuspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Anja Karliczek, hatte „kobinet“ versichert, die Unterstützung des Zertifizierungssystems „Reisen für Alle“ gegenüber der Bundesregierung einzufordern. Von Sebastian Münzenmaier, dem tourismuspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, erfahren wir, dass es nicht hinnehmbar sei, dass es die Bundesregierung bislang nicht für nötig gehalten habe, den Ausschuss für Tourismus über die Beendigung der Förderung des Projekts „Reisen für Alle“ und die möglichen Auswirkungen des Förderstopps zu informieren. Weiter verspricht auch er, darüber zu beraten, was zur Rettung des Projekts politisch getan werden kann.

Inzwischen hat es hinsichtlich der Barrierefreiheit in Deutschland weitere Entscheidungen der Bundesregierung gegeben:

• Die Bundesregierung hat die Eckpunkte für die neue Bundesinitiative „Bundesinitiative Barrierefreiheit – Deutschland wird barrierefrei“ beschlossen.

• Im Sportausschuss des Deutschen Bundestages wird Barrierefreiheit bei Sanierung und Neubau von Sportstätten gefordert.

• Die CDU/CSU-Fraktion fordert in einem Antrag mehr Tempo für Barrierefreiheit und einen inklusiven Sozialraum.

Zusammen mit den Auskünften der tourismuspolitischen Sprecher des Bundestagsfraktion gibt es wohl doch Hoffnung dazu, dass das Kennzeichnungs- und Zertifizierungssystems „Reisen für Alle“ doch weiter durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird. Bekannt ist, dass es dazu entsprechende Abstimmungen mit dem Ministerium geben wird, eine Entscheidung steht jedoch noch aus. Zudem sind uns bisher noch keine Konsultationen mit dem Projektbeirat als Vertretung der von Barrierefreiheit unmittelbar Betroffenen zum Erhalt von „Reisen für Alle“ bekannt. Für den Fortbestand von „Reisen für Alle“ sollte es eigentlich gut aussehen, aber „Reisen für Alle“ schwebt weiterhin im Nebel bisher noch nicht getroffener Entscheidungen. Die Zeit für eine Entscheidung drängt. So wird die kobinet-Redaktion auch weiter an diesem Thema dranbleiben