Berlin (kobinet) Anlässlich der am 13. Oktober erfolgten Ersten Lesung des Triage-Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag hat sich der Berichterstatter für Menschen mit Behinderungen der AG Gesundheit der CDU/CSU Bundestagsfraktion Hubert Hüppe mittels einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet. Seiner Ansicht nach ist der Triage-Gesetzentwurf von Minister Lauterbach ungenügend.
„Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Dokument des Unwillens, das Anliegen der Kläger ernst zu nehmen und die von ihnen erstrittene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wirksam umzusetzen. Der Gesetzentwurf zur Triage weist unverändert Mängel und Lücken auf: Er richtet sich nur auf Triage bei Infektionskrankheiten in Intensivstationen, er lässt alle anderen Triage-Situationen mit Diskriminierungspotential für Menschen mit Behinderungen ungeregelt: nämlich solche ohne Infektionskrankheiten – wie z.B. Flugzeugabsturz, Naturkatastrophe, Krieg, Terroranschlag – und solche außerhalb der Intensivmedizin – z.B. Zuteilung knapper Arzneimittel, Blutkonserven, Plätze im Rettungswagen. Meldepflicht und behördliche Kontrolle durchgeführter Triagen sind nicht vorgesehen, so dass der Staat nur durch Zufall davon erfahren kann. Verstöße gegen Vorschriften wie Zuteilungskriterium, Mehraugenprinzip, Facharzterfordernis und Dokumentationspflicht sind nicht mit Bußgeld oder Strafen bedroht. Auch das Verbot der ex-post-Triage ist nicht sanktionsbewehrt. Der Gesetzentwurf ist nicht geeignet, Menschen mit Behinderungen einen wirksamen Diskriminierungsschutz bei Triage zu bieten“, erklärte Hubert Hüppe.
Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung kam bereits vor der gestrigen Bundestagsdebatte u.a. vom Runden Tisch Triage, in dem sich eine Reihe von Akteur*innen zusammengeschlossen haben. Bei der geplanten „Triage-Regelung“ im Infektionsschutzgesetz darf das Verbot der Ex-Post-Triage nach Ansicht des Runden Tischs Triage keinesfalls aufgeweicht werden. Vielmehr sei es durch konkrete Strafandrohungen zu erhärten. Bei der Ex-Post-Triage wird eine begonnene Behandlung zugunsten einer anderen Person mit vermeintlich besseren Erfolgsaussichten abgebrochen, obwohl der nun zum Sterben verurteilte Mensch ohne Therapieabbruch möglicherweise noch eine Überlebenschance gehabt hätte. Vorschläge zur Strafbarkeit der Ex-Post-Triage im derzeit diskutierten Infektionsschutzgesetz enthalten die neuen erweiterten Gesetzesformulierungen des Runden Tisch Triage: „Wir positionieren uns damit gegen das Votum des Bundesrats, der eine Überprüfung des Verbots der Ex-Post-Triage angemahnt hat“, erläuterte Dr. Sigrid Arnade, Mitinitiatorin des Runden Tisch Triage im Vorfeld der gestrigen Bundestagsdebatte.
Selbst wenn die Ex-Post-Triage verboten bliebe, entspreche der Gesetzentwurf laut Arnade auch grundsätzlich in keiner Weise den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Dieses habe in einem Beschluss im Dezember 2021 festgestellt, dass ein Vergleich von Erfolgsaussichten zu Diskriminierungen führen könne. „Wieso soll das nun bei einem Vergleich von Überlebenswahrscheinlichkeiten, wie ihn der Gesetzentwurf vorsieht, anders sein? Es ist diskriminierend, wenn nur den vermeintlich Stärkeren bei knappen Ressourcen eine Überlebenschance gegeben wird“, kritisiert Arnade. „Die bislang verfassungsrechtlich gültige Lebenswertindifferenz wird mit diesem Gesetz in seiner jetzigen Form ausgehebelt. Lebenswertindifferenz bedeutet, dass kein Leben mehr wert ist als ein anderes. Beispielsweise ist das Leben eines jungen oder nicht behinderten Menschen nicht mehr wert als das einer alten oder behinderten Person. Die gesamtgesellschaftlichen Folgen der zugrundeliegenden Logik, dass die Schwächeren für die Stärkeren geopfert werden, mag ich mir gar nicht ausmalen“, so Arnade.
Link zu den Formulierungsvorschlägen des Runden Tischs Triage: http://www.nw3.de/attachments/article/419/221011_RTT-Triage-Gesetzesvorschl%C3%A4ge.pdf
Der „Runde Tisch Triage“ (www.runder-tisch-triage.de) ist ein Zusammenschluss der LIGA Selbstvertretung (http://liga-selbstvertretung.de), der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) (www.cbp.caritas.de) sowie des Forums behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) (http://fbjj.de).
Link zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die Grundlage der Debatte bietet
Liebe Kobinet-Redaktion,
ich finde es sehr bedenklich, dass hier zum Triage-Gesetz, Stellungnahmen der Union publiziert werden.
Wer die Debatte gestern verfolgt hat, weiß nämlich, dass Ex-Post-Triage ein Thema war.
Pilsinger im Wortlaut: „Nicht per se unmoralisch halte ich die Diskussion um eine Ex-post-Triage. Denn die aktuelle Überlebenswahrscheinlichkeit lässt sich bei vielen Patienten erst nach einem intensivmedizinischen Behandlungsversuch verlässlich abschätzen …“
Pilsinger ist Unionspolitiker und als Verein der Menschen mit Behinderungen unterstützt, wäre ich daher immer vorsichtig, in welche politische Richtung man abschweift.
Aus der Aussage von Pilsinger lässt sich erkennen, dass die Union eben nicht per se gegen Ex-post-triage ist.
Was soll das?! Sie reißen hier eine Aussage aus dem Zusammenhang oder formulieren diese um, um sie in einem anderen Sinn zu interpretieren und färben somit die originale Aussage negativ. Mit einfachen Worten: Sie drehen das Wort im Mund um!
Zur Klarstellung: es ist keine Stellungnahme der Union, die kobinet hier veröffentlichte, sondern vielmehr eine Pressemitteilung von Herrn Hubert Hüppe in seiner Eigenschaft als Berichterstatter für Menschen mit Behinderungen der AG Gesundheit der CDU/CSU Bundestagsfraktion; dies wurde im kobinet-Bericht gleich am Anfang auch so dargestellt!
Wo drehe ich bitte schön etwas um? In der Mediathek der Bundesregierung können Sie sich gerne die Debatte noch einmal anschauen. Dann werden Sie sehen, dass es sich um Fakten handelt und der Herr Hüppe ist nun mal auch Unionspolitiker. Auch das ist Fakt.
Eine Pressemitteilung ist nicht dazu da, dass diese einfach 1:1 kopiert und publiziert wird, sondern dient der Pressearbeit und gute Nachrichten haben nun mal auch ein gewisses Neutralitätsgebot. Da kann das Bild schon daher verzerrt werden, wenn man nicht den gesamten Kontext beachtet und darüber entsprechend berichtet.