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Die Sommerinterviews

Assistent und Mensch mit Behinderung trinken gemeinsam
Ein Assistent hilft einem Mensch mit Behinderung beim Trinken und trinkt gleichzeitig selbst.
Foto: Andreas Vega

München (kobinet) Wer kennt das nicht, Lieblingssendungen oder wichtige Ansprechpartner sind in der Sommerpause. So plagt einem vor dem Fernseher entweder die Langeweile, oder der richtige Mann zum Reparieren eines Rollstuhls ist in weite Ferne verreist. Kobinet hingegen wird in den nächsten Tagen täglich ein Interview zum Thema „Persönliche Assistenz“ veröffentlichen. Am 19. Juni diesen Jahres veröffentlichten wir einen Bericht über massive Probleme bei der Personalsuche im Arbeitgebermodell bzw. persönlichen Budget. Die Redaktion erreichte viel Resonanz, das Thema der Artikel also getroffen. Täglich erscheint also ein Interview mit einem Menschen mit Behinderung, der „Persönliche Assistenz“ selbst organisiert und so versucht sein Lebensmodell „Selbstbestimmt Leben“ umzusetzen. Unsere Leser*innen bekommen also einen kleinen Einblick in die Probleme, die sich auf diesem Wege ergeben.

Heute sprechen wir mit einer behinderten Arbeitgeber*in aus der Region München.

Kobinet: In welchem Umfang benötigen Sie persönliche Assistenz?

24h täglich

Kobinet: Wie lange leben Sie schon mit persönlicher Assistenz?

Insgesamt ab 1991. Meine ersten Assistentinnen machten ihr „freiwilliges soziales Jahr“, damals als Schulbegleitung in der Oberstufe für ein paar Stunden täglich, dann als Studienbegleitung und bis abends. Als ich 1994 von meinen Eltern wegzog, benötigte ich 24h Stunden und natürlich habe ich dann auch andere eingestellt.

Kobinet: Wie funktioniert bei Ihnen die Suche nach geeigneten persönlichen Assistent*innen?

Das ist sehr schwierig. Ich annonciere natürlich unter assistensbörse.eu (für München), früher auf assistenzbörse.de, habe aber so gut wie gar keine Resonanz mehr. Vielleicht schreckt auch ab, dass ich erwähne, dass ich ein Atemgerät und eine Magensonde nutze – und dass daher die Einarbeitung relativ aufwendig ist. Viele Jahre haben Assistentinnen in ihrem persönlichen Umfeld immer wieder jemanden gefunden oder wurden angesprochen ob ich gerade suche, aber jetzt ist mein Team in einem Alter, wo kaum mehr solche Jobs gesucht werden — entweder hat man einen Beruf oder möchte sich bewusst nirgends mehr verpflichten.

Zettel auszuhängen habe ich auch immer wieder versucht, aber so nur eine einzige Assistentin gefunden.

Kobinet: Welche Medien nutzen sie zur Personalsuche?

Die assistenzbörse.eu wie erwähnt, jetzt neu sogar eBay Kleinanzeigen, und ein neues Vermittlungsangebot der ViF (Vereinigung Integrationsförderung). Bislang gibt es keinerlei Feedback.

Kobinet: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Die besten Erfahrungen hatte ich immer, und habe ich heute, mit Empfehlungen im Freundes- und Bekanntenkreis, denn natürlich schrecken auch Hilfsmittel wie Atemgerät und Magensonde weniger ab, wenn man von jemand Vertrauten erzählt bekommt, dass der Job gut machbar und eigentlich erfreulich ist. Über die Assistenzbörse habe ich auch noch einzelne gefunden, aber im letzten dreiviertel Jahr niemanden mehr.

Kobinet: Fürchten Sie Ihre Selbstbestimmung aufgrund der aktuellen Lage zu verlieren?

Hin und wieder ja. Aber ich verbiete mir diese Gedanken eigentlich der Möglichkeit die Segel zu streichen, zu viel Raum zu geben. Das scheint mir weder persönlich noch politisch sinnvoll. Der Beruf ist nicht gut bezahlt, aber es ist kein schlechter. Wenn ich bedenke, für was Viele in der Logistik, Gastronomie oder Reinigung wirklich schuften, ohne den Vorteil von flexiblen Absprachen, bezahlten Ruhezeiten und persönlicher Ansprache, denke ich, dass persönliche Assistenz als Option einfach zu wenig bekannt ist. Da kann man, neben besserer Bezahlung, bestimmt noch etwas bewegen!

Kobinet: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage bezüglich der persönlichen Assistenz ein?

Ich habe ein sehr nettes Team, das mich aber auch stark beansprucht. Es sind auch viele in einem Alter, wo sie sich neu orientieren oder weniger arbeiten möchten. Das bringt seit Jahren viel Wechsel. Ich bin ständig am Suchen und Einarbeiten um einen sehr kleinen harten Kern herum. Wobei „Einarbeitung“ für mich auch mal ein halbes Jahr dauern kann, in der die Neue natürlich normale Dienste hat, diese mich aber noch anstrengen und einschränken, weil ich z.B. noch nicht mit ihnen unterwegs sein kann. Körperlich bin ich dem inzwischen sehr ausgesetzt und habe zudem kaum Stimme, d.h. eine Assistentin muss schon sehr viel im Gefühl haben und selbständig mitdenken, damit ich mich auf mich konzentrieren und mich z.B. auch in Situationen mit Nebengeräuschen begeben kann, wo mein Flüstern nicht durchdringt. Das Leben mit Assistenz fordert mich also ziemlich, ich sehe es aber auch als gesellschaftliche Aufgabe und bin insgesamt zufrieden.

Kobinet: Vielen Dank.