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Berlin (kobinet) Haben Sie schon den "Bericht der Bundesrepublik Deutschlandan die Europäische Kommission über die periodische Überwachung der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen gemäß Artikel 8 der Richtlinie (EU) 2016/2102 (1. Berichtszeitraum 01.01.2020 - 22.12.2021)", erstellt von der Überwachungsstelle BFIT-Bund, schon gelesen?
Haben Sie alles verstanden? Ich nicht.
kobinet berichtete schon https://kobinet-nachrichten.org/2022/01/06/bericht-ueber-einhaltung-der-barrierefreiheitsanforderungen-von-websites/
Im Dezember 2021 hat das kleine Team der Überwachungsstelle BFIT-Bund, so stelle ich mir das vor, unermüdlich, mit viel Fleiß und hohem Zeitdruck den Bericht zusammengestellt und am 23.12.2021 abgeliefert. Dabei hatte sich der verantwortliche Leiter Michael Wahl ab Mitte Dezember in den Urlaub verabschiedet. Wollte er sich nicht beteiligen? Meinen Respekt verdienen die verbleibenden Mitarbeiter und Mitarbeiterin. Sie haben getan was sie konnten. Eine leitende oder steuernde Anleitung wird durch den beurlaubten Leiter kaum möglich gewesen sein. Eine inhaltliche Kontrolle scheint da eher unwahrscheinlich.
Was mir besonders aufgestoßen ist?
Kurz erläutert, wenn man Webseiten nach vorgegebenen Kriterien prüft, dann kann es je Kriterium meist 3 Antworten geben: Kriterium erfüllt, Kriterium nicht erfüllt und Kriterium kann nicht angewendet werden, weil das zu prüfende Objekt auf der Webseite nicht existiert (zum Beispiel, wenn keine Bilder auf einer Webseite existieren gibt es auch keine Alt-Texte).
Oder, Landesüberwachungsstellen haben Checklisten der Kriterien bekommen und prüfen mehr oder weniger qualifiziert. Da kommt dann oft auch, wegen mangelnder Testtiefe, ein Null-Fehler-Häkchen in die Checkliste.
In den Fällen „nicht anwendbar“ oder nicht geprüft, wurde in den erhobenen Daten eine Null (0) eingetragen.
Schauen wir uns die Datenbasis an, ab Seite 195 sind die Tabellen mit den Spalten ‚Kriterium‘, ‚erfolgreich‘, ’nicht erfolgreich‘ und das ‚Verhältnis erfolgreich / nicht erfolgreich‘ angeordnet.
Um das Verhältnis zu bestimmen muss es eine Formel geben, die nirgends im Bericht explizit angegeben wird. Da gehe ich davon aus, dass die Angabe des Verhältnisses (v) von erfolgreich (n) zu nicht erfolgreich (m) so berechnet wird v = n / m (bei % muss man nur das Ergebnis mit 100 multiplizieren).
Nun ist m (nicht erfolgreich) bei manchen Kriterien 0 (Null), weil nicht anwendbar oder nicht geprüft. Das hat auch die EU erkannt, Es wird mehrmals im Bericht dieses Problem erläutert, zum Beispiel auch unter Punkt „3.1.1.2 Angaben zu den Ergebnissen“, Seite 98. Die EU hat festgelegt, dass in diesen Fällen das Ergebnis einer Teilung durch Null 100% zu sein hat. Das hat die Überwachungsstelle BFIT-Bund konsequent durchgezogen.
Muss man den mathematischen Quatsch mitmachen? Ist man seriös, dann kann man das auch seriös lösen.
In der Mathematik, die hier angewendet wird, ist das Teilen durch 0 (Null) verboten! Das ändert weder die EU noch die BFIT-Bund.
Nun schaue ich mir die weiteren Zahlen an und rechne einige Werte des Verhältnisses mit der Formel v = n / m nach. Bei allen Beispielen, die ich nachgerechnet habe, komme ich zu anderen Ergebnissen.
Liebe BFIT-Bund, bitte, mit welcher Formel haben Sie die Verhältnisse berechnet?
Vielleicht v = (n-m)/(n+m) oder v = (n-m)/m? Ich weiß es nicht.
Warum wird die Berechnung nicht mathematisch offen dargestellt?
Mein Fazit: es stimmt hinten und vorn nicht. Keiner Zahl kann ich Glauben schenken.
Die zuständigen Stellen werden sich folgendes fragen müssen:
- Hat das BMAS (das ist der Herausgeber) vor dem Absenden an die EU den Bericht geprüft?
- Hat der Ausschuss (35 anerkannte Fachleute zur Barrierefreiheit) des BFIT-Bund den Bericht abgenickt, bzw. zur Kenntnis bekommen / genommen?
- Hat der Leiter der Überwachungsstelle BFIT-Bund den Bericht abgezeichnet? Er ist letztlich für die Arbeit seiner Mitarbeiter verantwortlich? Wie hat er angeleitet? Wie hat er das im Urlaub gemacht?
Cringe.