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Priorisierung: Impftermine für behinderte Menschen sicherstellen

Jürgen Dusel
Jürgen Dusel
Foto: Irina Tischer

Berlin (kobinet) Der Behindertenbeauftragter der Bundesregierung Jürgen Dusel ist besorgt über die geplante bundesweite Aufhebung der Impfpriorisierung ab dem 7. Juni 2021: "Solange nicht alle vulnerablen Gruppen ein Impfangebot haben, ist die vollständige Aufhebung der Priorisierung Wortbruch gegenüber den Menschen, die sich bisher zurückgehalten und gewartet haben, bis sie dran sind“, teilte er in einer Presseinformation mit.

In vielen Bundesländern ist bislang nicht allen Menschen in der Priorisierungsgruppe 3 ein Impfangebot gemacht worden, in einigen Ländern sind nicht einmal alle Personen aus Priorisierung 2 geimpft. Die Priorisierung sollte daher zumindest in den Impfzentren nicht aufgehoben werden. Insbesondere die vulnerablen Gruppen, und dazu gehören auch die Familienangehörigen von Kindern mit Behinderungen, sollten eine Anlaufstelle haben und sich nicht zusätzlich zu ihren Alltagssorgen noch dem Wettlauf um die Impfdosen in den Arztpraxen aussetzen müssen, fordert Jürgen Dusel.

„Ein Appell an die Länder reicht hier nicht aus“, so Jürgen Dusel. „Der Bund ist hier in der Pflicht, für diese Menschen zu sorgen, so wie er mit der ‚Bundesnotbremse‘ dafür gesorgt hat, dass die exponentielle Zunahme gestoppt wird.“ Jürgen Dusel fordert daher das Bundesministerium für Gesundheit auf, die Impfverordnung entsprechend anzupassen und die Priorisierung nur in den Arztpraxen und bei den Betriebsärzt*innen aufzuheben.

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Hubertus Thomasius
21.05.2021 22:01

Die Selbsthilfegruppe Elfriede an der Ruhr bat mich um Veröffentlichung.

„Herr Dusel (und einige andere Aktivist*innen) mag/mögen prinzipiell Recht haben. Allerdings vergisst er wie auch viele Aktivist*innen vor ihm anscheinend all jene behinderten Menschen, die in der Impfpriorisierung gar nicht berücksichtigt sind und für die die Aufhebung der Impfpriorisierung, bei allen Schwierig- und Ungerechtigkeiten, die das mit sich bringt, vermutlich die einzige Chance ist überhaupt geimpft zu werden. Leider wurden diese Menschen in den letzten Monaten auch vielfach von der Selbstvertretung hängen gelassen oder gar nicht gesehen. Zum Teil auch, weil dort anscheinend geglaubt wurde, jede*r Rollstuhlnutzende oder jede*r mit Pflegegrad sei überall in Deutschland automatisch priorisiert und spätestens in Gruppe3. Das stimmt nicht.

Im Hinblick auf Faktoren wie Barrierefreiheit ist Herrn Dusels gut gemeinte Forderderung nach speziell der Beibehaltung der Priorisierung in den Impfzentren auch nicht unbedingt gut gemacht, denn was ist mit den Leuten, die auf die Barrierefreiheit der Impfzentren angewiesen sind? Entweder weil es vor Ort keine barrierefreien Praxen gibt oder man aus Gründen der Barrierefreiheit nur auswärtig Praxen hat, wo man sich aber aufgrund der Angst sich zu infizieren zum Beispiel als Mensch mit Cerebralparese (im Ruhrgebiet auch mit Pflegegrad 3 oder zusätzlicher Sinnesbehinderung nicht generell priorisiert) nicht hintraut oder sich durch finanzielle Einbußen durch die Pandemie die Fahrtwege in die nächste Großstadt nicht mehr leisten kann. Oder: Weil die von der jeweiligen Kommune bezahlten Assistenzpersonen (zum Beispiel Kommunikationsassistenzen für hörbehinderte Menschen) nur die Einsätze im Impfzentrum bezahlt bekommen. Hat Herr Dusel bei seinen Überlegungen, die ja durchaus gut sind, wirklich alle behinderten Menschen im Sinn? Oder ist es wie so oft: Die in Einrichtungen und die besonders lauten, besonders privilegierten Aktivist*innen und die nicht priorisiert gewesenen behinderten Menschen sollen noch länger auf eine Chance für einen Impftermin warten und noch länger in Isolation leben? Die Angst, derjenigen, die eine Priorisierung haben und nun Sorge nicht mehr früh dranzukommen ist verständlich. Aber die nicht priorisierten behinderten Menschen darf man deswegen nicht weiter ausschließen.

Viele Grüße von mehreren Teilnehmerinnen unserer Selbsthilfegruppe

(Alle von Geburt an behindert, zum Teil mit Pflegegrad, alle nicht priorisiert und/oder nicht mit Einzelfallentscheidungen durchgekommen, fast alle ab 7. Juni aus Gründen auf die Impfzentren angewiesen) „