Bonn (kobinet) "Barrierefreiheit ist keine Privatsache". Ein Schild mit dieser Aufschrift hatte heute, am 27. April, die Geschäftsführerin der Behinderten-Gemeinschaft Bonn, Marion Frohn, zum Gespräch mit Dr. Sigrid Arnade am Mehr Barrierefreiheit Wagen mitgebracht. Dr. Sigrid Arnade und Hans-Günter Heiden vom NETZWERK ARTIKEL 3, die mit ihrem beschilderten VW Bus noch bis zum 9. Mai in verschiedenen Regionen Deutschlands unterwegs sind und für ein gutes Barrierefreiheitsrecht werben, konnten heute auf dem Bonner Marktplatz zu den corona-konformen Einzelgesprächen eine Reihe von Gesprächspartner*innen in Sachen Barrierefreiheit begrüßen, so auch Christina Marx und Dagmar Greskamp von der Aktion Mensch und die Bonner Stadträtin Dr. Annette Standop.
Für Marion Frohn von der Behinderten-Gemeinschaft Bonn sind die bisher im Gesetzentwurf für ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vorgesehenen Fristen viel zu lang. „Außerdem muss die Pflicht zur Barrierefreiheit für alle gelten“, betonte sie.
„Barrierefreiheitsgesetz – ausbremsen war gestern“, heißt es auf der Beschriftung des #MehrBarrierefreiheitWagen und das passte auch zum Gespräch mit der Bonner Stadträtin und Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Dr. Annette Standop, Im Gespräch mit Dr. Sigrid Arnade erklärte sie zum vorliegenden Gesetzentwurf für ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: „Die Übergangsfristen sind viel zu lang; das ist der Treppenwitz des Jahres.“
„Bisher werden nur öffentliche Stellen zur Barrierefreiheit verpflichtet, private Anbieter von Waren und Dienstleistungen nur punktuell. Wir brauchen aber Barrierefreiheit überall, vom Anfang bis zum Ende, und nicht einen barrierefreien Bankautomat, der nur über Stufen erreichbar ist.“ So brachte Christina Marx, die Leiterin der Abteilung Kommunikation bei der Aktion Mensch ihre Kritik an der derzeitigen Gesetzgebung und dem Entwurf für ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz auf den Punkt.
Die Mitarbeiterin der Aktion Mensch Dagmar Greskamp nahm in ihrem Statement Bezug auf die Digitalisierung während der Corona-Pandemie und betonte: „Jetzt in der Corona-Krise zieht der Online-Handel an. Deshalb können wir mit der digitalen Barrierefreiheit nicht noch Jahre warten. Außerdem brauchen wir dringend mehr Barrierefreiheit rund um die Mobilität.“
Für ihr Gespräch mit den Besucher*innen am Mehr Barrierefreiheit Wagen hatten Dr. Sigrid Arnade und Hans-Günter Heiden wieder eine Frage des Tages mitgebracht. Diese lautete heute: „Warum wird Barrierefreiheit oftmals als Zumutung und nicht als neue Qualität empfunden?“
„Viele fürchten die Kosten der Nachrüstung. Würde Barrierefreiheit von vorneherein realisiert, entstünden keine Mehrkosten. Aber am Anfang werden Menschen mit Behinderungen zu oft vergessen. Deshalb brauchen wir ein durchgängiges Disability Maintreaming“, so Antwort von Dagmar Greskamp. Marion Frohn ergänzte dazu: „Die Leute, die nicht selbst betroffen sind, haben die Schere im Kopf und meinen, es würde alles zu teuer.“ Christina Marx von der Aktion Mensch sieht das so: „Vielfach fehlt das Bewusstsein für den Wert von Barrierefreiheit. Außerdem ist das Vorurteil, Barrierefreiheit sei teuer, sehr verbreitet. Dabei muss Barrierefreiheit so selbstverständlich werden wie Brandschutz.“ Das Statement zur Frage des Tages von Dr. Annette Standop fiel wie folgt aus: „Bei den meisten Leuten ist leider noch nicht angekommen, dass von Barrierefreiheit alle profitieren. Hier ist noch eine Menge Bewusstseinsbildung notwendig.“
Morgen, am 28. April, hat der Mehr Barrierefreiheit Wagen eine richtig lange Tour auf dem Programm. Zuerst machen Dr. Sigrid Arnade und Hans-Günter Heiden beim Behindertenbeauftragten der Bundestagsfraktion der CDU/CSU Wilfried Oellers in Heinsberg Halt. Dann geht es über Bochum, wo ein Gespräch mit der renommierten Juristin und ehemaligen Vorsitzenden des UN-Fachausschusses für die Rechte behinderter Menschen, Prof. Dr. Theresia Degener, auf dem Programm steht. Zum Schluss findet noch in Bremen ein Gespräch mit dem Landesbehindertenbeauftragten von Bremen, Arne Frankenstein, in der Hansestadt statt.