
Foto: UNgehindert
Lenggries/Braunschweig (kobinet) Blind grillen, geht das überhaupt? Dieser Frage und noch mehr begegnen den zwei blinden Grillbegeisterten Aytekin Demirbas und Markus Ertl, beide vom Verein UNgehindert, immer wieder. Ja das geht. Und wie. Davon hat sich kobinet-Redakteur Ottmar Miles Paul selbst bereits überzeugen können und war begeistert. Nun sprach er mit den Blind-Grillern von UNgehindert über's Grillen und ihr Projekt.
kobinet-nachrichten: Wie kommt es, dass Ihr beide aus eurer Grillleidenschaft heraus nun dieses neue Projekt gestartet habt?
Markus Ertl: Wir beide haben gemerkt, dass uns das als Blinde eigentlich nicht so richtig zugetraut wird und sehr viele dann doch überrascht sind, dass am Ende doch etwas Essbares auf dem Teller landet. Wir hören auch oft von anderen Blinden, dass es schon cool wäre und diese sich nicht so richtig an den Grill wagen.
Um auf der einen Seite zu zeigen, was wir beide trotz – nein jetzt kommt nicht Blindheit – was wir trotz der Vorurteile anderer dann doch auch hinbekommen, mit viel Leidenschaft oft noch viel besser als es Sehnde schaffen. Deshalb grillen wir jetzt auch „öffentlich“ und posten das auf unserer Facebookseite „Niemand grillt – blind BBQ“.
Und wenn wir das können, dann können das andere blinde Menschen auch. Mit unserer Leidenschaft fürs Grillen möchten wir andere anstecken. Wir wissen auch, dass es bereits einige gibt, die auch blind Grillen. Leider lernt man dies bei keiner Blindengrundreha bei den lebenspraktischen Fertigkeiten (LPF). Für uns wäre das LPF auf Höhe der Zeit.
kobinet-nachrichten: Auf der jungen Facebook-Seite liest man was von Ertls Grilltafel, was hat es damit auf sich?
Markus Ertl: Mein Nachbar sah mich sehr oft grillen und hat mich immer gefragt, wie oft ich heuer schon gegrillt hätte. Und ich konnte ihm immer genau sagen, wie oft. Ich fügte dann schon bald immer an “ … und jetzt schreibe ich es bald auf eine Tafel, dann kannst du immer nachschauen.“ Kurz darauf hat er mir eine „Ertls Grilltafel“ geschenkt, auf der wir nun immer mitschreiben und alle einen netten Gesprächsaufhänger zu meinem Lieblingsthema haben.
kobinet-nachrichten: Welche Zahl steht gerade drauf?
Markus Ertl: Die 15 und bei „next Performance“ (nächste Vorstellung) steht morgen. Wieviel am Ende des Jahres drauf stehen, ist mittlerweile nicht mehr wichtig, da wir jedes Jahr bei über 50 liegen und heuer schon mit 15 Mal schon sehr weit sind. Ich habe ein digitales Grilltagebuch, bei dem ich immer gerne mitschreibe, wie oft, was, welches Rezept und was gut war und was beim nächsten mal anders gemacht wird. Daraus ergab sich dann die Nummerierung. Aber wie gesagt, immer ein netter Gesprächseinstieg.
kobnet-nachrichten: Gibt es dann immer Schweinenacken und Würstel, oder wie sieht der Plan aus?
Markus Ertl: Ich habe natürlich so meine Klassiker, Trotzdem bin ich immer auf der Suche nach einer neuen Grillmethode und probiere hier sehr gerne Sachen aus. Ich finde nach der sehr langen Zeit immer noch neue Herausforderungen.
Nachdem ich mir im Herbst auch einen Smoker gekauft habe, gibt es auch Geräuchertes. Da gibt es sicherlich noch viel neues zu probieren. Gesmokte und glasierte Schweinekottelet hab ich mir als nächstes vorgenommen. Ich bekomme jetzt schon Hunger.
kobnet-nachrichten: Da krieg ich auch Hunger. Bei Ertls ist ja Holzkohle favorisiert, wie sieht es bei der Familie Demirbas aus?
Aytekin Demirbas: Im Gegensatz zu meinem bayrischen Freund Markus grille ich auf Gas. Zum einen fürchte ich mich vor Feuer, zum Anderen ist das Grillen mit Gas eine saubere und schnelle Angelegenheit. Haben wir Lust auf etwas vom Grill, drehen wir einfach den Gashahn auf. Etwa 15 bis 20 Minuten später kann das Grillgut auf den Rost. Je nach dem, wieviel Hitze das zu grillende Fleisch, Gemüse oder andere Dinge brauchen. Ich wusste von Markus, dass er auf Holzkohle grillt. Ich habe ihm „Löcher in den Bauch“ gefragt, bevor ich mich selbst dazu entschieden habe, einen Grill anzuschaffen. Ich habe mich dann aber für den Gasgrill entschieden, nachdem ich’s mit dem Gasgrill eines Bekannten ausprobiert habe. Wir haben auch einen festen Kohlegrill im Garten. Mit ihm bin ich nicht besonders gut zurechtgekommen.
kobnet-nachrichten: Wie kam es zu Ihrer Leidenschaft?
Aytekin Demirbas: In meinem Kulturkreis, meine Familie stammt aus der Türkei, ist es Tradition Fleisch und Gemüse auf offenem Feuer zuzubereiten. Daher wurde es mir wohl bereits in die Wiege gelegt, wobei mein Vater ein ziemlich schlechter Griller ist. Ich schätze, dass immer eine Generation übersprungen wird. Zum islamischen Opferfest werden Tiere geschlachtet und an die Familie und Freunde, vor allem aber an ärmere Menschen verteilt. Ich erinnere mich, dass es dann immer eine große „Sause“ gab, wo ganze Tiere auf dem Drehspieß zubereitet wurden. Inzwischen besitze ich auch einen Drehspieß für meinen Gasgrill, es hat sich aber noch kein Tier bereit erklärt, Teil meines Grillvergnügens zu werden.
kobinet-nachrichten: Was lässt Ihr Projekt noch erwarten?
Markus Ertl: Vor allem viel Spaß. Wir wollen auch mit Herstellern, dem Grill-Fachhandel und Grillkursen zusammenarbeiten, um auch hier die Möglichkeit zu schaffen, dass jeder Blinde mit einem großen Selbstverständnis den passenden Grill bei geschulten Händlern bekommt und durch professionelle Unterstützung erlernt, selbst auch souverän am Grill zu stehen und für sich, seine Familie, Kollegen und Freunde grillt und dann am Ende jeder sagt, blinde Menschen können doch grillen.
kobinet-nachrichten: Wie sieht es mit verbrannten Fingern aus?
Aytekin Demirbas: Kommt vor. Vermutlich aber nicht viel häufiger, als bei sehenden Grillerinnen und Grillern. Zum Abschätzen der richtigen Grilltemparatur können die Hände verwendet werden. Natürlich wird die Hand nicht auf den Rost, sondern über den Rost gehalten. Man lernt mit der Zeit die richtige Temperatur einzuschätzen. Digitale Grillerinnen und Griller nehmen ihren Bluetooth-Temparaturmesser. Das ist aber nur was für „Warmduscher“. Nein, ganz im Ernst: Die Hände spielen bei mir eine große Rolle. Ich ertaste die Konsistenz mit den Händen. Dabei ist es wichtig, dass ich mir genau merke, wo das Fleisch abgelegt wurde. Zur Sicherheit nutze ich ab und an ein einfaches sprechendes Bratenthermometer.
kobinet-nachrichten: Dann wünsche ich, dass das Feuer nie erlischt und allzeit guten Appetit.