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Maria Stafyllaraki kandidiert für Barrierefreiheit und mehr Diversität

Porträt von Maria Stafyllaraki
Maria Stafyllaraki
Foto: Anja Koehne

Kassel (kobinet) Die in Kassel lebende Rollstuhlnutzerin Maria Stafyllaraki hat genug davon, nur über Barrieren zu klagen. Sie will etwas verändern und tritt zur Kommunalwahl in Kassel an. Mit ihrer Kandidatur hofft sie nicht nur einiges für behinderte Menschen und in Sachen Barrierefreiheit und Inklusion erreichen zu können, sondern will sich auch für mehr Diversität in der Politik stark machen. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit ihr zu Beginn des Superwahljahres 2021, in dem nicht nur die Bundestagswahl im Herbst und eine Reihe von Landtagswahlen anstehen, sondern auch die Kommunalwahlen in Hessen und Niedersachsen.



kobinet-nachrichten: Am 14. März sind in Hessen Kommunalwahlen. Die Behindertenbewegung hat immer wieder gefordert, dass behinderte Menschen auch entsprechend in den Parlamenten vertreten sein müssen. Wie kam es dazu, dass Sie sich für eine Kandidatur für die Kasseler Stadtverordnetenversammlung entschieden haben?

Maria Stafyllaraki: Als ich von dem Gesetz in Griechenland erfuhr, dass alle öffentlichenGebäude, auch in der Privatwirtschaft, einen barrierefreien Zugang haben müssen, andernfalls würde es Geldstrafen geben, fragte ich mich, ob wir hier in Deutschland auch solch ein Gesetz haben. Leider nicht, musste ich dann feststellen. Nach langem überlegen und auch vielen Unterhaltungen mit der Familie und Freunden, die mich sehr ermutigt haben, entschied ich mich, nicht mehr länger darauf zu warten, dass sich etwas verändert, sondern aktiv dazu beizutragen und mich politisch zu engagieren.

kobinet-nachrichten: Welche Themen treiben Sie genau um, bzw. was möchten Sie in Kassel konkret verändern?

Maria Stafyllaraki: Alle Menschen sollten ihren Alltag und ihre Freizeit so sorglos wie nur möglich verbringen und gestalten können. Das erreichen wir nur, indem wir Barrieren abbauen und gegen Diskriminierungen angehen. Deshalb möchten wir Kasseler Grünen einen Aktionsplan entwickeln mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und von Inklusion. Zudem wollen wir eine hauptamtliche Stelle für eine*n Behindertenbeauftragte*n einrichten und die Beteiligung des Behindertenbeirats sowie der Selbstvertretungs- und Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit einer Behinderung stärken. Vor allem wollen wir die Barrierefreiheit u.a. beim Wohnen, in Kitas und Schulen, im öffentlichen Nahverkehr, in Gaststätten und bei Sport- und Freizeitveranstaltungen vorantreiben.

kobinet-nachrichten: Sie kandidieren auf der Liste von Bündnis 90/Die Grünen. Was hat Sie gerade dazu bewogen, für die Grünen anzutreten?

Maria Stafyllaraki: Es ist eine Partei, die meine politische Einstellung am ehesten repräsentiert. Außerdem sind die Kasseler Grünen ein super Team, in dem ich mich vor allem wie ein ganz normaler, gleichberechtigter Mensch fühle und nicht wie die „Frau im Rollstuhl“. Alle sind sehr engagiert und haben, meiner Meinung nach, die besten Pläne für Kassel, was sie auch in der Vergangenheit oftmals bewiesen haben. Deshalb kann ich guten Gewissens für diese Partei antreten, um Kassel zu einer barrierefreien Stadt umzugestalten.

kobinet-nachrichten: In Kassel gibt es in Sachen Selbstvertretung bisher lediglich einen Behindertenbeirat. Die Grünen fordern nun eine*n hauptamtliche*n Behindertenbeauftragte*n. Warum ist das gerade in Zeiten der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention so wichtig?

Maria Stafyllaraki: Genauso wie es unmöglich ist, eine gute und gerechte Frauenpolitik ohne Frauen im Amt zu gestalten und zu erreichen, ist es unmöglich eine gute und gerechte Behindertenpolitik ohne Menschen mit Behinderung im Amt zu gestalten und zu erreichen. Wenn wir uns für unsere Rechte nicht einsetzen, wir, die persönliche Erfahrungen mitbringen, und uns auch nicht die Chance dafür gegeben wird, wird es auch kein anderer Mensch schaffen. Deshalb spreche ich auch ganz gerne von „echter Inklusion“. Die Tatsache, dass wir heute immer noch über Inklusion debattieren müssen, zeigt, dass seitdem die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben wurde, wir immer noch nicht die Ziele erreicht haben, die wir hätten erreichen müssen. Wir werden mit einer bzw. einem hauptamtlichen Behindertenbeauftragten definitiv mehr erreichen können.

kobinet-nachrichten: Welche Erfahrungen aus Ihrem bisherigen Leben würden Sie in das Parlement einbringen, wenn Sie gewählt werden?

Maria Stafyllaraki: In der Neurologischen Klinik Westend in Bad Wildungen habe ich als Dolmetscherin für Schädel-Hirn-Trauma Patient*innen und deren Angehörige aus Griechenland gearbeitet. Ich habe sie im Alltag begleitet und sie dabei unterstützt, unter anderem ihre Anträge zu schreiben und ihnen geholfen die OP-Aufklärungen richtig zu verstehen. Außerdem war ich hier in Kassel selbständig und habe eine kleine Bar betrieben. Damals habe ich einige Hürden durchmachen müssen in Sachen Diskriminierung, sogar durch manche Behörden aus Kassel. So habe ich mich über rechtliche Angelegenheiten erkundigt und gelernt, mich durchzusetzen. In Kassel habe ich visuelle Kommunikation studiert und mittlerweile sitze ich seit fast 18 Jahre im Rollstuhl. Vor zwei Jahren habe ich mich gemeinsam mit dem Ortsbeirat Nord-Holland dafür eingesetzt, ein Teil der Mombachstraße, die schon seit Jahrzehnten renovierungsbedürftig war, umbauen zu lassen, um einen barrierefreien Zugang für die Bürgersteige zu erzielen. Mit Erfolg.

kobinet-nachrichten: Auf welchem Listenplatz treten Sie an und wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, gewählt zu werden? Und vor allem, wie kann man Sie unterstützen, damit Kassel zukünftig eine starke Stimme behinderter Menschen im Stadtparlament hat?

Maria Stafyllaraki: Ich trete auf dem Listenplatz 19 an und für den Ortsbeirat im Stadtteil Nord-Holland auf Platz 5.

Wünschen würde ich mir, dass noch mehr Menschen mit Behinderung in Kassel aktiv werden und wir gemeinsam Barrieren abbauen und für mehr und echte Inklusion sorgen, bis das Thema Inklusion kein Thema mehr ist, sondern ganz normaler Alltag.

Ob ich gewählt werde, kann ich ehrlich gesagt nicht einschätzen, aber ich bin mir sehr sicher, dass es viele Menschen in Kassel gibt, die sich eine Veränderung wünschen, die darauf hoffen, dass ihre Probleme ernstgenommen werden, und dass es Zeit für mehr Diversität ist. Deshalb lasse ich mich einfach mal überraschen und freue mich auf unseren Wahlkampf und auf den 14. März.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

Link zur Facebookseite von Maria Stafyllaraki