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Heute ist Schichtwechsel

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Foto: ht

Berlin (kobinet) Trotz der Corona-Pandemie findet heute wieder der nicht unumstrittene Schichtwechsel von Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, mit Menschen ohne Behinderungen statt, die für einen Tag ihren Arbeitsplatz tauschen. In Zeiten von Corona könnten sich zwar weniger Menschen unmittelbar beim Schichtwechsel begegnen. Jedoch biete der Aktionstag die Möglichkeit, auf die Arbeitssituation in den Werkstätten während der Corona-Pandemie zu schauen, betonte Bettina Neuhaus, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Berlin.

„Trotz der Corona-bedingten, geringeren Zahl der Tauschpartner freuen wir uns wieder auf einen intensiven Austausch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, den Abbau von Barrieren und Vorurteilen“, ergänzt Bettina Neuhaus und betont: „Es hat sich gezeigt, dass viele Unternehmen, auch in diesen schwierigen Zeiten interessiert sind, Werkstätten als Teil der Arbeitswelt zu erleben.“ Der heutige Schichtwechsel in Berlin wird von der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Berlin (LAG WfbM) und der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte Berlin (LAG WR) veranstaltet.

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, nutzt den heutigen Schichtwechsel, um Arbeitsstätten des VIA Unternehmensverbundes, sowohl die VIA Blumenfisch gGmbH als anerkannte Werkstatt (WfbM) für Menschen mit Beeinträchtigungen, als auch einen Inklusionsbetrieb des Unternehmensverbundes zu besuchen. Im Rahmen seines Besuchs möchte Jürgen Dusel mit den Angehörigen und Mitarbeiter*innen der Betriebe ins Gespräch kommen, insbesondere zur Situation der Betriebe während der Corona-Pandemie, aber auch zum Thema Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt.

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) hatte bereits letztes Jahr dafür geworben, den Tag und die Begegnungen dazu zu nutzen, für Alternativen zur Werkstatt und beispielsweise für das Budget für Arbeit und für echte Arbeitnehmerrechte und Tariflöhne zu werben. „Unternehmen, die sich daran beteiligen, sollten von den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) über das ‚Budget für Arbeit‘ aufgeklärt werden und eine Beratung einfordern“, appellierte die damalige ISL-Geschäftsführerin Dr. Sigrid Arnade an alle Entscheidungsträger*innen im Oktober letzten Jahres.

Link zum kobinet-Bericht vom 24.10.2019

Im Vorfeld des diesjährigen Schichtwechsels hat sich auch das Projekt der Sozialhelden JOBinklusive mit einem kritischen Beitrag zum System der Werkstätten für behinderte Menschen an die Öffentlichkeit gewandt. Im Fazit zu dem Bericht unter dem Motto „Wie das System der Behindertenwerkstätten Inklusion verhindert und niemand etwas daran ändert“ heißt es: „Das System läuft wie ein geöltes Zahnrad. Alles ist aufeinander abgestimmt und miteinander verankert. Um diese lange bestehenden Verbindungen aufzubrechen, reicht es nicht mehr den Veränderungswillen zu bekunden. Menschen mit Behinderungen haben lange genug darauf gewartet, dass ihr Menschenrecht auch im Bereich Arbeit umgesetzt wird. Kampagnen wie der Schichtwechsel, den Berliner Werkstätten jedes Jahr durchführen, erhalten das System. Es reicht nicht, das Werkstattbeschäftigte einen Tag in reguläre Arbeitsplätze “schnuppern” können. Behindertenwerkstätten müssen endlich konsequent an ihrem Hauptauftrag, Werkstattbeschäftigte langfristig in Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen, gemessen werden. Doch für eine Strukturveränderung der Behindertenwerkstätten muss vor allem das (staatliche) Finanzierungssystem angegangen werden. Der Staat kann die Handlungsmöglichkeiten der Behindertenwerkstätten erweitern bzw. sie durch Anreize zur Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben drängen.“

Link zum vollständigen Beitrag auf jobinklusive.org

Am vergangenen Wochenende hat sich auch das Fernsehmagazin des MDR mit der Situation in Werkstätten für behinderte Menschen befasst und hierzu einen Beitrag über den Kampf von André Thiel für einen Mindestlohn in Werkstätten gesendet. Hierzu heißt es in der Ankündigung: „Zur Teilhabe gehört es auch, genügend Geld zur Verfügung zu haben. Für Beschäftigte in Deutschland gilt, dass ihnen für ihre Arbeit der sogenannte Mindestlohn gezahlt werden muss. Für Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten arbeiten, gibt es den nicht. André Thiel will das nicht hinnehmen und hat dagegen geklagt.“

Link zu weiteren Infos und zum Fernsehbeitrag