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Im Gespräch mit den Großeltern der Behindertenbewegung

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Foto: Malika Groß

Kassel (kobinet) Beim gestrigen Auftakt einer dreiteiligen Serie mit Gesprächen über die Geschichte der Behindertenbewegung beim Sommercamp für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen wurde deutlich, wie vielfältig und heute noch aktuell die Fragen und Kämpfe sind, die behinderte Menschen führen müssen, um gleichberechtigt und selbestbestimmt leben zu können. Zu Gast bei der einstündigen Online-Veranstaltung waren Birgit Rothenberg, Prof. Dr. Theresia Degener und Horst Frehe.

Wie es zur Verwendung des Begriffes Krüppel und zur Krüppelbewegung als eindeutige Abgrenzung zum Integrations-Tralala der 70er Jahre des letzten Jahrtausends kam, schilderte Horst Frehe aus Bremen. In vielen Diskussionen zum Beispiel auch mit Franz Christoph sei es damals wichtig gewesen, entsprechendes Bewusstsein zu bilden und sich gegen die bestehenden Verhältnisse zur Wehr zu setzen. Es folgten Aktionen wie die Bühnenbesetzung beim Internationalen UNO-Jahr der Behinderten, das Krüppeltribunal und ein Hungerstreik gegen Fahrdienstkürzungen. In Dortmund wurde dieses Krüppeltribunal dann 1981 durchgeführt und Birgit Rothenberg war damals mit dabei. Sie schilderte wie wichtig es damals war, Adressen von aktiven behinderten Menschen zu sammeln und diese zu vernetzen. Die große Demonstration gegen das diskriminierende Reiseurteil in Frankfurt war dafür eine wichtige Initialzündung. Und von Frankfurt aus agierte damals auch Theresia Degener, die sich damals stark in der Frauenbewegung engagierte.

Alle drei, die gestern von „Damals“ erzählten haben diese Ereignisse geprägt und sind über die letzten 40 Jahre aktiv geblieben. Birgit Rothenberg bei der Beratung behinderter Studierender und in der Wissenschaft und Lehre, Theresia Degener wirkte entscheidend an der Entwicklung der UN-Behindertenrechtskonvention mit und war acht Jahre lang Mitglied und später Vorsitzende des UN-Fachausschusses zur UN-Behindertenrechtskonvention. Und Horst Frehe koordinierte 2003 nicht nur das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen, sondern wurde später Sozialstaatsrat in Bremen. Zusammen mit Dinah Radtke, die sich schon seit 1977 in Erlangen für die Rechte behinderter Menschen stark machte und später bei Disabled Peoples‘ International auf internationaler Ebene entscheidend für die UN-Behindertenrechtskonvention wirkte, waren sich alle darin einig, dass es gerade heute gilt, weiterzukämpfen, denn zum Teil geht es heute wieder rückwärts bzw. gilt es Verschlechterungen zu verhindern.

Eine Stunde war natürlich viel zu kurz, um einzelne Fragen richtig in der Tiefe zu erörtern und Beiträge der Teilnehmer*innen des Sommercamps zu kommentieren, bzw. zu beantworten. So blieben auch viele Fragen offen, beispielsweise wie das mit der Behindertenbewegung in der DDR war oder welche Rolle die ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen zukünftig spielen können. Deshalb ist es gut, dass am 16. Juli die „Eltern der Behindertenbewegung“ zu Wort kommen und einzelne Diskussionsstränge fortgesetzt werden können. Dort sind dann Christian Judith von K-Produktion, der in den 90er Jahren die Krüppel-Power-Festivals organisiert hat, und Jörg Fretter vom Archiv der Behindertenbewegung zu Gast beim Sommercamp.

Link zum Liveblog zum Sommercamp für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen