Berlin (kobinet) Die LIGA Selbstvertretung fordert den Deutschen Bundestag auf, angesichts der gegenwärtig kursierenden Papiere zu menschenrechtlich problematischen Entscheidungen über Leben und Tod bei möglicherweise knappen Ressourcen eindeutig Stellung zu beziehen. "Medizinische Fachgesellschaften arbeiten unter anderem mit einer fragwürdigen Gebrechlichkeitsskala und leiten daraus Kriterien über die Zuteilung knapper Ressourcen ab“, erläutert die LIGA-Sprecherin Dr. Sigrid Arnade.
Sigrid Arnade kritisiert auch den Deutschen Ethikrat, weil dieser in seiner Ad-hoc-Empfehlung zu dem Thema die Verantwortung des Staates bereits als erfüllt ansieht, wenn er lediglich grobe Vorgaben erstellt. „Hier geht es um die fundamentalen Grundlagen unseres Zusammenlebens. Deshalb muss der Deutsche Bundestag eine eindeutig menschenrechtlich fundierte Position beziehen,“ so Dr. Sigrid Arnade.
In diesem Zusammenhang fordern die Verbände der LIGA Selbstvertretung außerdem:
· Die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften dürfen nicht angewendet werden;
· Der Deutsche Ethikrat muss seine Ad-hoc-Empfehlung überarbeiten;
· Behinderung darf kein Kriterium bei Priorisierungsentscheidungen sein;
· Um Schuldzuweisungen zu verhindern, sollte nicht von „Risikogruppen“, sondern von „besonders gefährdeten Personen“ ohne pauschale Gruppenbildung aufgrund von Alter oder Diagnosen etc. gesprochen werden;
· Bei der Erarbeitung seiner menschenrechtlich fundierten Positionierung muss der Deutsche Bundestag die betroffenen Menschen über die sie vertretenden Verbände beteiligen.
Dr. Sigrid Arnade weiß, dass die Zeit drängt: „Jetzt muss rasch gehandelt werden. Es ist die Stunde der Politik. Schweigen ist jedenfalls keine Option!“
Hintergrund:
Die LIGA Selbstvertretung verweist auch auf eine aktuelle Stellungnahme des Forums behinderter Juristinnen und Juristen zu den Empfehlungen der Fachgesellschaften für den Fall einer Triage:
https://www.teilhabegesetz.org/media//Ottmars_Dateien/200406_FbJJ_Stellungnahme_Triage.pdf
Link zu den von der LIGA Selbstvertretung kritisierten klinisch-ethischen Empfehlungen der Fachgesellschaften vom 25.3.2020 für Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie
Die LIGA Selbstvertretung ist ein Zusammenschluss von 13 bundesweit tätigen Selbstvertretungsorganisationen, die von behinderten Menschen selbst verwaltet, geführt und gelenkt werden. Die LIGA wurde 2015 gegründet, nachdem der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen die besondere Bedeutung von Selbstvertretungsorganisationen für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention herausgearbeitet hatte. Dr. Sigrid Arnade ist eine von drei Sprecher*innen, siehe dazu auch: www.liga-selbstvertretung.de