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Studie zu Instrumenten zur Bedarfsermittlung

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Berlin (kobinet) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat in den Jahren 2018 und 2019 eine bundesweite Studie zur Bedarfsermittlung für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen durchführen lassen. Nun wurden die Ergebnisse dieser Studie veröffentlicht, wie das Ministerium mitteilt.

Auftragnehmer der Studie war die Kienbaum Consultants International GmbH unter Beteiligung von Herrn Prof. Dr. Matthias Morfeld und Herrn Prof. Dr. Harry Fuchs. In dieser Untersuchung wurde bei den Rehabilitationsträgern nach § 6 SGB IX untersucht, welche konkreten Verfahren die Rehabilitationsträger entwickelt haben, um Teilhabebedarfe von Menschen mit Behinderungen zu identifizieren, Teilhabeziele zu definieren und diesen Zielen entsprechende Leistungen zu erbringen. Die Studie enthält neben umfangreichen Darstellungen der gegenwärtigen Verwaltungspraxis auch Vorschläge an die Rehabilitationsträger und an die Bundesregierung für Ansätze zur Verbesserung und zur Vereinheitlichung von Verwaltungsabläufen, heißt es vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Die vorgelegte Studie soll den Meinungsaustausch in der Fachöffentlichkeit über die Erfahrungen bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes unterstützen. Sie gehört zu einem breit angelegten Forschungsansatz der „Umsetzungsbegleitung zum Bundesteilhabegesetz“ (Artikel 25 BTHG), der mit einer Vielzahl von Forschungsprojekten die Wirkungen gesetzlicher Änderungen in den Blick nimmt.

Link zu weiteren Informationen und zur Studie

Lesermeinungen

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Michael Günter
07.01.2020 19:53

Hmm,
ich bin dann mal auf Seite 25 ausgestiegen, weil die Studie und mein Interesse auseinanderliefen.
Mal ein paar Zitate:
„Das BTHG hat verschiedene übergreifende Anforderungen formuliert, die an die Bedarfsermittlung anzulegen sind und somit mit den in diesem Rahmen eingesetzten Instrumenten korrespondieren. So fordert der Gesetzgeber unter anderem eine funktionsbezogene Feststellung des individuellen Rehabilitationsbedarfs (§ 13 SGB IX-2018). Dies bedeutet, dass die „Beurteilung von Teilhabeeinschränkungen […] grundsätzlich nach dem ‚bio-psycho-sozialen Modell‘ zu erfolgen hat“ (BMAS 2016, 238). “ (S.22) – der Begriff Anforderungen und Instrumente korrespondiert exakt null an diesem Punkt, aus dem biopsychoszialen Modell der ICF wird erstmal nur der biologische Anteil extrahiert, sonst nichts – Behinderung ist Funktioneinschränkung und Partizipation wird nichtmal angedacht! Der originale Gesetzestext sieht aber Gleichrangigkeit zwischen fuktionsbezogen und individuell vor:
„(2) Die Instrumente nach Absatz 1 Satz 1 gewährleisten eine
individuelle und funktionsbezogene Bedarfsermittlung und sichern die
Dokumentation und Nachprüfbarkeit der Bedarfsermittlung, indem sie
insbesondere erfassen,
1. ob eine Behinderung vorliegt oder einzutreten droht,
2. welche Auswirkung die Behinderung auf die Teilhabe der Leistungsberechtigten hat,
3. welche Ziele mit Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen und
4. welche Leistungen im Rahmen einer Prognose zur Erreichung der Ziele voraussichtlich erfolgreich sind.“
Komisch, dass man ausgerechnet den Aspekt des Individuellen vergessen hat zu untersuchen…und wenn es schon um die Dokumentation geht, dann darf sich eine solche nicht auf einen Output beschränken, sondern muss auch die subjektiv empfundenen „Folgen“ abfragen!

„Der Bezug dieser eingesetzten Instrumente zur ICF und dem zugrunde liegenden bio-psycho-sozialen Modell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist bislang weitestgehend ungeklärt. Es liegen zwar teilweise Arbeiten vor, in denen eine Zuordnung von z. B. Assessmentinstrumenten zum bio-psycho-sozialen Modell erfolgte bzw. aufgezeigt wurde, doch für die Mehrheit der in Deutschland verwendeten Instrumente zur Bedarfsermittlung in der Rehabilitation sind diese nicht ausreichend.“ (ebd.) – richtig, aber nur teilweise. Denn diese Instrumente, etwa der ITP liegen seit Jahren vor und sind ICF-basiert (m.E. nicht ausreichend), aber sie sind von den Leistungsträger zum Untersuchungszeitpubkt noch nicht einsetzt worden – damit kämen wir zum letzten Punkt:Fortsetzung folgt…

Michael Günter
Antwort auf  Michael Günter
07.01.2020 20:19

Fortsetzung:
„Im Rahmen einer Sitzung der Länder-Bund-Arbeitsgruppe zur Umsetzungdes Bundesteilhabegesetztes (LBAG BTHG) am 15. März 2018 wurde durch dieLänder und die kommunalen Spitzenverbände beschlossen, dass eine Beteiligung der entsprechenden Träger zum damaligen Zeitpunkt noch nicht
zielführend war, weil die Instrumente zu diesem Zeitpunkt bei den Trägern der Eingliederungs- und Jugendhilfe erst noch in der Ausarbeitung und Abstimmung waren. Eine Untersuchung der Implementierung wäre Ihrer Ansicht nach deshalb zu früh gewesen. Die grundsätzliche Entscheidung über eine Teilnahme an der Studie oblag jedoch den Eingliederungshilfeträgern selbst.“ (S.25). Das Gesetz bot also die Chance für die Träger der Eingliederungshilfe sich zu beteiligen (§13, Abs. 4), diese waren dazu aber nicht imstande (2018 waren 9 Jahre nach
Ratifizierung der UN-BRK verstrichen!).
Logisch ist deshalb: „Im Rahmen einer Sitzung der Länder-Bund-Arbeitsgruppe zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetztes (LBAG BTHG) am 15. März 2018 wurde durch die Länder und die kommunalen Spitzenverbände beschlossen, dass eine Beteiligung der entsprechenden Träger zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zielführend war, weil die Instrumente zu diesem Zeitpunkt bei den Trägern der Eingliederungs- und Jugendhilfe erst noch in der
Ausarbeitung und Abstimmung waren. Eine Untersuchung der Implementierung wäre Ihrer Ansicht nach deshalb zu früh gewesen. Die grundsätzliche Entscheidung über eine Teilnahme an der Studie oblag jedoch den Eingliederungshilfeträgern selbst.“ (S.25) – naja, wir sind halt von der Wirklichkeit überrascht worden… Zu diesem Zeitpunkt hatten die Träger
15 Monate Zeit sich auf ihre Beteiligung vorzubereiten…ein Schelm, der denkt… Welchen Nährwert soll eine solche Studie haben? Da kann ich gleich eine über multiples Organversagen raushauen, bei der sich aber die Kardiologen und Pneumologen nicht beteiligen – Hauptsache Kienbaum hat sein Geld…

Sven Drebes
Antwort auf  Michael Günter
10.01.2020 23:59

Wie heißt es so schön: Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss!“
Während die Sozialversicherungen und Versorgugsämter schon ab 1.1.2018 ICF-basierte Bedarfsermittlungsinstrumente einsetzen mussten, gilt das für Träger der Eingliederungshilfe und Jugendhilfe erst seit 1.1.2020. Darüber hinaus konnten letztere kein eigenes Instrument wählen oder entwickeln, sondern mussten darauf warten, was die jeweilige Landesregierungen vorgeben. Das hätte bis 31.12.2017 passiert sein müssen, einige Länder haben sich aber mehr Zeit gelassen. Innerhalb der Studie ist das Auslassen der Eingliederungs- und Jugendhilfe also schlüssig.
Die Frage ist aber, warum die Studie schon 2018/19 erstellt wurde. Leider passt das nur zu gut in die aktionistische Behindertenpolitik des BMAS.

rgr
Antwort auf  Sven Drebes
11.01.2020 12:33

Ein schönes Wochenende Allerseits

Sehr geehrter Sven Drebes.

Als aufmerksamen Leser und Mann mit Kenntnissen möchte ich mit drei Fragen an Sie herantreten, die mich umtreiben:

Wie kann eine Unterscheidung zwischen ’systematischen Arbeitsprozessen‘ und ’standardisierten Arbeitsmitteln (Instrumenten)‘ nach § 13 Absatz 1 SGB IX gerechtfertigt werden? Ist es der Respekt vor der Selbstverwaltung?

Wo finde ich die ‚Wirkungsanalyse‘ des BMAS nach § 13 Absatz 3 SGB IX? Eine solche hätte doch bis zum 31. Dezember 2019 vorliegen müssen.

Wo bleiben die ‚Vorschläge‘ der Rehabilitationsträger nach § 13 Absatz 4 SGB IX? Diese sollten die ‚eingesetzten Instrumente‘ abbilden.

Mit freundlichem Gruß
Götz Wilhelm Renger

Michael Günter
Antwort auf  rgr
11.01.2020 19:15

Hallo Herr Renger,
die Fragen gefallen mir 😉
Meinem bescheidenem Verständnis nach, befassen sich die „systematischen Arbeitsprozesse“ eher mit Aspekten der Qualitätssicherung, wohingegen die Instrumente ansich das eher beschreiben sollten, welche Qualität gesichert werden soll… Ich mag kein QM-Sprech, deshalb diese etwas schwierige Herleitung.
Die von ihnen eingeforderte Wirkungsanalyse ist der Bericht um den es hier geht (§13 Abs. 3 bezieht sich auf §13 Abs. 1!)
Die eingeforderten Vorschläge existieren nicht, weil Jugendhilfe und EGH nicht in der Lage waren an dem Bericht mitzuarbeiten oder sich auf sonstwas innerhalb der gesetzten Fristen zu einigen – traurig, aber wahr. Dennoch waren sie dazu auch nicht verpflichtet, wie §13 Abs. darlegt:
„(4) Auf Vorschlag der Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 6 und 7 und mit Zustimmung der zuständigen obersten
Landesbehörden kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die von diesen Rehabilitationsträgern eingesetzten Instrumente im Sinne von Absatz 1 in die Untersuchung nach Absatz 3 einbeziehen.“
Faktisch heißt dies, dass es in 16 Bundesländern weder in Bezug auf die Jugendhilfe, noch auf die EGH möglich war, zeitnah Daten zu liefern – oder aber, dass diese Daten zwar vorlagen, aber die Länder der Weitergabe ans BMAS nicht zugestimmt haben.
Netter Sidekick an Hrn. Drebes: Zu dem Zeitpunkt als das BTHG beschlossen wurde, waren die Grünen an 12 Landesregierungen beteiligt, weshalb man nicht unbedingt so heftig auf den Aktionismus des BMAS abstellen sollte

rgr
07.01.2020 17:49

Mit der Studie sollte ermittelt werden, welche WIRkung die Bedarfsermittlungsinstrumente nach § 13 SGB IX bei den verschiedenen Trägern der gesetzlichen Krankenkassen, der Bundesanstalt für Arbeit, der gesetzliche Unfallversicherung und der Rentenversicherung gezeitigt haben und wo noch Entwicklungen möglich sind.

Dafür hat sich das mittlere und höhere Managment der vorgenannten Träger ins Zeug gelegt und eine Online-Befragung mit der Fa. Kienbaum vereinbart. Die Studie krank bereits am Auftrag des BMAS. Dem Leser wird in der Veröffentlichung aber auch nicht ein ‚Instrument‘ vorgestellt!

Mehrheitlich ist vage von ‚Instrumenten‘ die Rede, wobei nach Auffassung der Autoren auch Erläuterungen, Weisungen und Fortbildungsunterlagen zu den Instrumenten zählen.

Nach einhelliger Auffassung kommt den Betroffenen die Hauptrolle bei der Initiierung und erfolgreichen Durchführung der Bedarfsermittlung und Kontrolle der Ziele zu. Es wäre daher hilfreich, wenn die Träger ihr HERRschaftswissen durch Veröffentlichung Preis geben würden. Der Zu- oder Rückgriff auf Gesprächsleitfäden und Organisitationsleitfäden soll zukünftig nicht nur für den Verwaltungsangestellten nützlich sein, sondern soll einem allgemeineren Interesse dienen. Schließlich sollen im Zuge der Umsetzung von Menschenrechten auch Machtungleichgewichte verschwinden.