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DB Regio kauft Züge mit Barrieren

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Foto: BSK e.V.

KRAUTHEIM (kobinet) Wie der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter informiert, so hat die Deutsche Bahn Regio AG jetzt 18 Doppelstocktriebzüge zum Preis von 220 Millionen Euro bestellt, die nicht barrierefrei sind. Bei der Sitzung im Oktober haben die anwesenden Verbandsvertreter von BSK, DMSG, Lebenshilfe, SoVD und VDK vor der Umsetzung der jetzt vorgestellten Pläne gewarnt und Nachbesserungen empfohlen. Lediglich den Einbau eines Hubbodens will der Hersteller prüfen, alle weiteren Vorschläge wurden abgelehnt.

„Die DB Regio AG verstößt mit dieser Anschaffung gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, Artikel 9, wonach alle geeigneten Maßnahmen zu treffen sind, um für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen den Zugang zu Transportmitteln zu gewährleisten. Das muss politische Konsequenzen haben“, so BSK-Vertreterin Heike Witsch.

Jetzt ist es amtlich: 18 Doppelstocktriebzüge KISS, die von der DB Regio AG jetzt bei einem bekannten Triebwagenhersteller bestellt wurden, sind für Rollstuhlfahrer selbstständig nicht nutzbar. Beim „Runden Tisch für mobilitätseingeschränkte Reisende“ Ende Oktober in Kiel wurden die anwesenden Verbände aus der Selbsthilfe und Wohlfahrtspflege vor vollendete Tatsachen gestellt. „Wir wurden jetzt darüber informiert, dass diese Züge im Gesamtwert von 220 Millionen Euro nicht barrierefrei und somit für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nicht befahrbar sind“, so Heike Witsch, BSK-Expertin für barrierefreien ÖPNV beim Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V.

Bereits im Eingangsbereich der Züge befindet sich eine fest verbaute Rampe mit einer 15-prozentigen Steigung. Für Rollstuhlfahrer ein unüberwindbares Hindernis und gefährlich dazu. Doch nicht genug der Gefahrenquellen: In der Mitte des Eingangs schließt sich eine ebene Wendefläche mit einem Durchmesser von gerade mal 117 Zentimetern, gesetzlich vorgeschrieben sind allerdings 150 cm. Zum Rollstuhlfahrer-Stellplatz führt dann noch einmal eine Rampe mit 15 Prozent Steigung.

Handbetriebene Rollstühle (Aktivrollstühle) können nur in Kippstellung auf den Hinterrädern die Rampen nutzen. Bei der Fahrt auf allen vier Rädern und bei Elektrorollstühlen ohne verstellbare Fußstützen setzen die Fußstützen auf. „Nicht nur für Rollstuhlfahrer ist diese Konstruktion gefährlich, auch für Fahrgäste mit Rollator, blinde oder sehbehinderte Fahrgäste, Eltern mit Kinderwagen und Fahrgäste mit schwerem Gepäck kann der Einstiegsbereich zur Falle werden“, betont Witsch. Die Einstiegssituation ist bei allen Wagen gleich.

Lesermeinungen

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5 Lesermeinungen
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Arnd Hellinger
17.11.2019 14:15

Auch beim BSK sollte inzwischen angekommen sein, dass DB Regio (anders als DB Fernverkehr) immer nur jene Züge kaufen darf, die den Vorgaben der jeweils lokalen Verkehrsverbünde entsprechen – das ist hier der HVV für Hamburg und die angrenzenden Landkreise sowie der „NAH.SH“ für Schleswig-Holstein. Und wenn die jetzt wegen des Mischverkehrs mit anderen Zügen einerseits „Doppelstockzüge mit stufenlosem Ein-/Ausstieg an 76cm hohen Bahnsteigen“ vorgeben, andererseits aber Schienenfahrzeuge nicht beliebig breit, lang und hoch gebaut werden können, weil das dann mit Brücken, Kurven, Tunneln, Bahnsteigen sowie Oberleitungen etc. realistisch betrachtet unlösbare Probleme gäbe, kommen eben solche „Lösungen“ zu Stande.

Hier jetzt also nur DB Regio an den Pranger zu stellen, greift zu kurz. Da hätte der BSK schon bei der Ausschreibung der Verkehrsleistung selbst durch HVV und NAH.SH eingreifen und die zwingende Vorgabe teilweise einstöckiger Züge verlangen müssen…

Sven Drebes
17.11.2019 14:10

Überraschend ist es doch. Den „KISS“ gibt es nämlich auch mit deutlich weniger Barrieren.

Arnd Hellinger
Antwort auf  Sven Drebes
17.11.2019 14:25

Natürlich – bei Optimierung für 55cm hohe Bahnsteige. Auf der Strecke Hamburg-Lübeck, um die es geht, sind aber alle 76cm hoch und daher kommen die genannten Barrieren… 🙁

Perry Walczok
17.11.2019 10:29

Die Handlungsweise der Bahn ist nicht wirklich überraschend. Angesichts der Tatsache dass die Bahn AG die reduzierte Mehrwertsteuer an die Kunden weitergeben muss, versucht sie es über günstigen Einkauf von Fahrzeugen wieder reinzuholen. Dass sie gegen die UN- BRK verstößt, dass scheint sie auch nicht zu stören. Rechtliche Konsequenzen hat sie scheinbar nicht zu befürchten.

Arnd Hellinger
Antwort auf  Perry Walczok
17.11.2019 16:40

Nochmal: Das sind Fahrzeuge, die nach Vorgaben der Nahverkehrs-Aufgabenträger der Region Hamburg (HVV und Land Schleswig-Holstein) beschafft werden. Das hat mit der MWSt-Senkung im Fernverkehr rein gar nichts zu tun – ganz abgesehen davon, dass die Ausschreibung der Züge schon lief, als dieses „Klimapaket“ noch gar nicht konkret diskutiert wurde…