Berlin (kobinet) Waren die Medien zuerst etwas verhalten in Sachen detaillierte Berichterstattung über die Kritik am sogenannten Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz (RISG) nimmt die vor allem von AbilityWatch angestoßene Diskussion langsam aber sicher Fahrt in den Medien auf. So machte beispielsweise das ARD Morgenmagazin die Frage, ob beatmete Menschen zukünftig nur noch ausnahmsweise in den eigenen vier Wänden unterstützt werden, zum Topthema. Jens Spahn, Karl Lauterbach, eine betroffene Familie und Raul Krauthausen kamen dabei u.a. zu Wort.
Wer Jens Spahn in dem gut fünfminütigen Interview zuhörte, merkte förmlich, wie der Bundesgesundheitsminister herumeierte und den Eindruck zu vermitteln versuche, dass eigentlich niemand, der selbstbestimmt Leben möchte, davon betroffen ist. Seine Zitate auf der Seite des ARD Morgenmagazins und im Interview sprechen aber eine andere Sprache. Dort heißt es: „Es gehe ausdrücklich nicht um Zwangseinweisung, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Kritik am Entwurf des Intensivpflegestärkungsgesetzes. ‚Es geht nicht um denjenigen, der nicht 24 Stunden am Tag Intensivbetreuung braucht. Wer hauptsächlich von Angehörigen gepflegt wird, wer eine Assistenz hat, um all diese Menschen geht es nicht. Es geht auch nicht um all diejnigen, die am sozialen Leben teilnehmen können.‘ Spahn weiter: ‚Es geht um diejenigen, die 24 Stunden, 7 Tage die Woche, Intensivpflege brauchen und nicht selbst entscheiden, wie sie gepflegt werden. Wachkoma-Patienten zum Beispiel. Kinder und Jugendliche dürfen grundsätzlich zuhause bleiben.'“
Im Referentenentwurf des umstrittenen Gesetzes heißt es jedoch: „In Ausnahmefällen kann die außerklinische Intensivpflege auch im Haushalt des Versicherten oder sonst an einem geeigneten Ort erbracht werden.“ Und was mit denjenigen wird, die die 24 Stunden, 7 Tage die Woche Intensivpflege brauchen, um deren Selbstbestimmung scheint sich Jens Spahn offentsichtlich nicht zu kümmern.
Link zum Interview mit Jens Spahn im Morgenmagazin
Raul Krauthausen fand da schon klarere Worte in einem weiteren Beitrag, den das Morgenmagazin heute sendete: „Das würde bedeuten, dass Menschen, die zum Beispiel nachts beatmet werden, dass die das eben nicht mehr zu Hause bekommen können, sondern dass das wirklich dann in Intensivpflegeeinrichtungen wäre. Klingt erst mal super, aber Intensivpflegeeinrichtungen sind nichts anderes als Heime und das würde bedeuten, dass Menschen gegen ihren Willen in Heime gezwungen werden.“
Man könnte nun meinen, dass gerade die SPD, die den Referentenentwurf der Bundesregierung regierungsintern so erst einmal wohl unterstützt, sich gerade kurz vor den Landtagwahlen in Sachsen, Brandenburg und später dann auch in Thüringen auf die Seite der Betroffenen stellt und sich für die Selbstbestimmung behinderter Menschen in der eigenen Wohnung starkt macht. Doch der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat da anscheinend andere Prioritäten, wie in dem Interview deutlich wurde. Er sagte dem ARD Morgenmagazin: „Grundsätzlich müssen wir hier etwas ändern. Das ist ganz klar, die Intensivpflege zu Hause wird oft missbraucht durch kriminelle Gruppen. Das sind zum Glück nur wenige, die betroffen sind, aber da ist der Schaden für Mensch und Leben sehr groß, auch der ökonomische Schaden. Daher ist das Gesetz richtig.“
Link zum Bericht über die verschiedenen Sichtweisen zum Referentenentwurf des ARD Morgenmagazins