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Strukturelle Zufallsdiskriminierung behinderter Menschen

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UNBEKANNT (KOBINET) Von verschiedenen Seiten wird derzeit ein Arbeitsentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für ein Teilhabegesetz veröffentlicht. Offensichtlich hält man nach heutigem Stand daran fest, die Anrechnung von Einkommen und Vermögen daran festzumachen, ob der Mensch, der Nachteilsausgleiche in Anspruch nimmt, diese in Form von Eingliederungshilfe oder als Hilfe zur Pflege erhält.



Einordnung in vielen Fällen reine Willkür

Ein Kommentar von kobinet-Redakteur Gerhard Bartz

Wie bereits vielfach berichtet, haben behinderte Menschen keinen Einfluss darauf, ob ihre Hilfe aus dem Bereich der Eingliederungshilfe oder der Hilfe zur Pflege kommt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (beispielsweise Rundfunkgebührenbefreiung auch ohne das Merkzeichen „RF“´), spielte das in der Vergangenheit für behinderte Menschen keine Rolle. Anders für Behörden. Hier wurden sogar schon Budgets zurückgefordert, weil die Assistenz zur Hilfe beim Toilettengang „missbraucht“ wurde, denn sie war „nur“ als Eingliederungshilfe genehmigt.

Darin liegt auch der Denkfehler in den Ministerien und bei den „Wissenschaftlern“. Die Hilfen, die behinderte Menschen benötigen, lassen sich nicht so einfach in Schablonen pressen. Zumindest ahnen könnten es die Ministeriumsmitarbeiter und Wissenschaftler schon. Gleichwohl halten sie daran fest, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Gut, in den Anstalten oder im Sachleistungsbereich mag das noch funktionieren. Dort befinden sich beispielsweise 100 behinderte Menschen, einzelne Fehler in der Einstufung könnten sich durch die bloße Menge aufheben.

Aber bei Menschen, die in Freiheit und Selbstbestimmung leben, hat dieses Töpfchendenken mitunter fatale Auswirkungen, denn hier hebt sich nichts auf. Aus diesem Grund fordern behinderte Menschen längst eine Leistungsform „Assistenz“, die ganz ohne Budgettöpfchen auskommt. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Menschen mit Assistenzbedarf nicht mit der bisherigen oft geübten Kostenträgerpraxis leben können, bei der Zeiten einzelner Verrichtungen zusammenaddiert den Bedarf darstellen sollen. Hier hat unsere Gesellschaft noch nicht verstanden, dass es auf verlässliche Anwesenheitszeiten ankommt. Betroffene Menschen sind darauf angewiesen, dass ihre Assistenz rund um die Uhr, oder beispielsweise von 6 bis 14 Uhr anwesend ist. In dieser Zeit können sie alles einplanen, was die Unterstützung durch Assistenz erforderlich macht. Nur dann besteht wirkliche Freiheit, die Möglichkeit, in dieser Zeit Inklusion leben zu können. Im Umkehrschluss nimmt uns die Addition von Einzelbedarfszeiten die Freiheit und nötigt uns zu einem Leben unter Akkordbedingungen. Hinzu kommt, dass behinderte Menschen oft unplanbare Hilfen benötigen. Verzichten diese im Einzelfall auf eine 24-Stunden-Assistenz, nehmen sie freiwillig einen Verlust an Freiheit und auch das Risiko unvorhergesehener Bedarfe auf sich. Für sie lohnt sich dieses Risiko dennoch, weil eine ständige Anwesenheit von Assistenzpersonen auch als eine Belastung empfunden werden kann. Voraussetzung ist jedoch, dass für den Notfall ein Plan B existiert, nach dem Familie, Nachbarn, Freunde kurzfristig einspringen können. Ambulante Dienste sind hier in der Regel zu unflexibel und überfordert.

Doch zurück zur Einstufung in Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege. Diese erfolgt ohne erkennbare Regel in den Amtsstuben der Kostenträger. Ich kenne Menschen, die wirklich bei jeder Verrichtung des täglichen Lebens Hilfe benötigen und pure Eingliederungshilfe beziehen. Andere wiederum brauchen an sich keine Hilfe, diese beschränkt sich im Wesentlichen auf den Haushalt, sie bekommen jedoch ausschließlich Hilfe zur Pflege. Tatsächlich dürfte die Regel sein, dass so gut wie niemand nur Pflege benötigt, und die allermeisten dürften einen unterschiedlichen Anteil an Pflege in Anspruch nehmen, der jedoch vermutlich selten den Anteil der Eingliederungshilfen übersteigt. Somit würden – bei ehrlichem Umgang mit den Hilfearten – alle Menschen mit Assistenzbedarf von der Befreiung von der Einkommens- und Vermögensanrechnung ausgeschlossen sein. Daher würde eine Umsetzung dieses Arbeitsentwurfes dazu führen, dass jeder Mensch mit einem behinderungsbedingten Assistenzbedarf einen mehr oder weniger großen Anteil an Hilfe zur Pflege bekäme. Das jedoch kann niemand wollen. Oder?

Somit muss es ein anderes Kriterium geben. Und das existiert bereits seit Jahrzehnten. Es ist die Behinderteneigenschaft. Und damit sind wir wieder bei der Behindertenrechtskonvention, welche die Enteignung von Menschen, die für sich die Inklusion erreichen wollen, untersagt. Daher haben auch die minimalen Erhöhungen der Freibeträge allenfalls kosmetische Bedeutung. Eine wirkliche Verbesserung sind sie nicht. Wenn sich die Regierung gleich auf der ersten Seite auf die Behindertenrechtskonvention bezieht, dann muss sie, da sie diese unterschrieben hat, auch im Sinne des Artikels 4 der Konvention dafür sorgen, dass das Teilhabegesetz auch vor der UN Bestand hat. Das ist bisher nicht der Fall.