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Diskussionen um WISO Beitrag zu Werkstätten

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GüTERSLOH (KOBINET) Der vom ZDF Wirtschafts- und Sozialmagazin WISO am Montag ausgestrahlte Beitrag über die schlechte Entlohnung behinderter Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren geringe Vermittlungsquote auf den ersten Arbeitsmarkt hat Diskussionen ausgelöst. Während der Beitrag bei Vielen auf Beifall stieß, dass endlich einmal die miserable Entlohnung der WerkstattmitarbeiterInnen öffentlich gemacht wurde, protestierte die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte Nordrhein-Westfalen bei WISO gegen die Ausstrahlung des Beitrages.



Am Beispiel der erblindeten Ines Pakosch hatte WISO deutlich gemacht, dass sie trotz ihrer engagierten Arbeit insgesamt nur 186 Euro pro Monat für ihre Tätigkeit bekommt, was ziemlich genau dem Durchschnittsverdienst in Werkstätten für behinderte Menschen von 185 Euro bundesweit entspricht. Ines Pakosch bekommt einen Grundgehalt von 101 Euro plus eine Prämie von 75 Euro, dies entspricht einem Stundenlohn von 1,30 Euro. Vor drei Jahren lag die Prämie noch bei 212 Euro pro Monat. Von 1.500 MitarbeiterInnen konnte der wertkreis Gütersloh im Jahr 2014 nur eine Person auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermitteln – und dies obwohl die Werkstatt zwei IntegrationsassistentInnen hierfür beschäftigt. Deutschlandweit liegt die Erfolgsquote der Werkstätten für die Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bei unter einem Prozent, heißt im WISO-Bericht. 

Link zum WISO-Bericht über die Entlohnung und Beschäftigung in Werkstätten für behinderte Menschen

Während ein solcher Bericht in einem ZDF Magazin über eine schlechte Entlohnung in Betrieben für jede Gewerkschaft ein Glücksfall wäre und Rückenwind für deren Forderungen nach besserer Entlohnung und besseren Arbeitsbedingungen bieten würde, zeigte sich die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte entsetzt über den Bericht, was sie in einem offenen Brief an die WISO-Redaktion zum Ausdruck brachte: 

„Die Delegierten der LAG WR NRW tagen zurzeit in Klausur in Bielefeld Bethel. Aus aktuellem Anlass haben wir heute Morgen ihren Bericht in der ZDF-Mediathek angeschaut und waren entsetzt. Wir finden Ihre Darstellung einseitig und falsch. Sie stellen die Werkstätten negativ, als Ausbeuter von Menschen mit Behinderungen dar. Die Aufgabe von Werkstätten in Deutschland ist es, den Menschen mit Behinderung eine Teilhabe am Arbeitsleben (Arbeit, Tagesstruktur, Förderung der Gesamtpersönlichkeit) zu ermöglichen. Die Aufgabe von Werkstätten ist es nicht, die Sicherung des Lebensunterhaltes zu ermöglichen. Das Geld, das wir für unsere Arbeit bekommen, ist ein leistungsangepasstes Entgelt, welches sich aus dem Arbeitsergebnis der Werkstatt errechnet. Laut Werkstättenverordnung (WVO § 12, (5) Satz 1) müssen die Werkstätten mindestens 70 % des Arbeitsergebnisses als Entgelt an die Beschäftigten ausschütten. Das Thema Entgelt wird auch bei uns und unseren KollegInnen heftig diskutiert. Ein gerechtes Entgelt kann nicht allein aus dem Arbeitsergebnis der Werkstätten erzielt werden. Eine solidarische Gesellschaft müsste dies durch Transferleistungen sicherstellen. Werkstätten sind für uns sehr wichtig. Nicht jeder kann oder will (wieder) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden.

Aus unserer Sicht vermitteln Sie den Eindruck, als würden Sie etwas für uns tun wollen. Durch Ihre Berichterstattung erreichen Sie unserer Ansicht aber genau das Gegenteil. Sollte aufgrund Ihres Berichtes die Firma Miele ihre Aufträge aus den Werkstätten abziehen, hätte Sie uns einen echten Bärendienst erwiesen, da wir dann weder Arbeit noch Entgelt hätten. Scheinbar haben Sie noch nicht verstanden, was die Aufgabe einer Werkstatt ist und wie sie funktioniert. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung, Ihre Defizite auszugleichen“, heißt es in dem offenen Brief an die WISO-Redaktion.

Bei Bernd Meermeier, der die kobinet-Redaktion auf den offenen Brief hingewiesen hat, stößt diese Reaktion der Werkstatträte auf Unverständnis. Für ihn scheint ein Umdenken in den Köpfen der Wertkstatträte dringend notwendig zu sein. „Wie wollen die Werkstatträte mit dieser Einstellung ihren Aufgaben noch gerecht werde?“ Als Reaktion auf den offenen Brief verfasste er eine Stellungnahme, in der es u.a. heißt:

„Ihr offener Brief an die Wiso Redaktion und die damit verbundene Stellungnahme der LAG WR NRW ist nicht hilfreich, in der Problematik der WfbM´s. Der Bericht zielt in erster Linie auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahre 2009 sowie die Erlangung für ein gutes Teilhabegesetz in Deutschland ab. Nichts desto trotz ging es in der Darstellung auch um eine faire Entlohnung für behinderte Menschen, die sehr produktiv arbeiten und ihre Arbeit sehr ernst nehmen. (…) Durch Ihren Beitrag blockieren Sie die Umsetzung der UN-Konvention und halten an veralteten (Denk) Strukturen fest. Die Teilhabe am Arbeitsleben ist natürlich sehr wichtig, eben wegen der Tagesstruktur und zur Förderung der Gesamtpersönlichkeit. Jede Arbeit bietet eine Tagesstruktur, auch für die Menschen am ersten Arbeitsmarkt. Ich frage mich, wo die LAG WR NRW mal konstruktive Forderungen an die Politik stellt. Hierzu einige Vorschläge: Weg von der ‚Zwangssolidarisierung‘ unter den behinderten Menschen sowie die Abschaffung der Anrechnung des Verdienstes in den WfbM´s bei der Grundsicherung. Dies würde der Förderung und dem Charakter der Rehabilitation der Mitarbeiter im arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis zu Gute kommen. Weil die Eigenanstrengung eines jeden Mitarbeiter zur Entwicklung des eigenen Leistungsniveaus eigenverantwortlich, dennoch aber mit Unterstützung durch Fachkräfte seinen Auftrag der der WfbM´s gerechter werden.  Und daraus ergeben sich dann wirklich gerechte Lohnverteilungen. (…) Warum wird so eine Zwangssolidarisierung, das der Stärkere für den Schwächeren aufkommt, nicht auch in der freien Wirtschaft angewandt? Eben weil leistungsbezogen bezahlt werden muss, denn wo soll denn sonst die Motivation für Leistung her kommen? Die Motivation wird durch die Zwangssolidarisierung innerhalb der WfbM´s und durch die Verrechnung der ‚Sozialgelder‘ geradezu blockiert. Dadurch wird die Leistungsförderung eines behinderten Mitarbeiters ausgebremst, weil sich somit Leistung nicht lohnt. Ergo: Leistung wird bestraft, weil die engagierten Mitarbeiter durch diese Zwangssolidarisierung höhere Abzüge haben. Aber diese Mitarbeiter, die vielleicht noch auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden könnten, müssen in den WfbM´s gehalten werden, da sie das ganze System erst überhaupt tragen. Und warum sollte die Firma Miele die Aufträge aus den WfbM´s abziehen? Aus sozialpolitischen und wirtschaftlichen Aspekten, würde sich die Firma Miele damit keinen Gefallen tun.“